SaschaSalamander

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Eisfeuer

felsing_eisfeuer_1_1.jpgVORABGEDANKEN

Normalerweise ist das Romance Genre (ob nun Paranormal, Mystic oder anderes) weniger mein Ding, weil sich zuviel wiederholt, weil die Sprache mir selten zusagt, weil ich das Gefühl habe nach einem bereits alle zu kennen. Trotzdem lasse ich mich ab und zu überzeugen, dass es Ausnahmen gibt. In diesem Fall wurde mir EISFEUER empfohlen, und ich bin wirklich froh, dass ich es dann tatsächlich gelesen habe. Denn auch, wenn der Inhalt bekannt ist (treffen sich, verlieben sich, er hat raue Schale weichen Kern, sie ist selbstbewusst aber schutzbedürftig, am Ende riesige Verwicklungen, und am Ende haben sich alle lieb), hat mich dieses Buch wirklich gefesselt, sodass ich nicht ins Bett konnte, bis ich endlich die letzte Seite aufgeschlagen hatte!


INHALT

Seit ihre Eltern starben, kümmert sich Jamie nun um ihre kleine Schwester Cindy. Eines Tages offenbart Cindy, dass sie seit drei Jahren von einem Stalker verfolgt wird, es wird immer schlimmer. Was sie anfangs für harmlos hielt, wird nun beängstigend. Da sie keine Hilfe von Seiten der Polizei erhalten, entschließt sich Jamie zu einem drastischen Schritt: die beiden Schwestern ziehen um, aus Jamie und Cindy werden Megan und Kristy, sie hoffen alle Spuren verwischt zu haben.

Dixon arbeitet zusammen mit seinen Freunden bei den G.E.N. Blood. Eine Gruppe sonderbegabter junger Männer. Dixon zum Beispiel kann Frequenzen filtern, sodass er ohne technische Hilfe Fernseher, Radio, Funkgeräte abhören kann. Ein anderer verfügt über spezielle Kampftechniken, der nächste kann sich unsichtbar machen und derlei nette Fähigkeiten mehr. Natürlich arbeiten sie im Geheimen und dürfen nichts davon nach außen dringen lassen.

Um die Tarnung perfekt zu machen, will Megan heiraten und Kristy als Untermieterin einziehen lassen. Dixon fiel ihr bereits auf dem Flughafen auf, und als sie ihm nun erneut begegnet, hält sie um seine Hand an. 100 000 Dollar, keine Fragen, kein Vollzug der Ehe, nur der äußere Schein. Dixon sagt wider Erwarten zu, und nun lügen sich die beiden fleißig an, denn Megan verschweigt ihre Vergangenheit, und Dixon darf nicht über sein Team erzählen. Verwicklungen vorprogrammiert. Erst recht, als der Stalker die Schwestern ausfindig macht und nun endlich sein Werk vollenden will ...


AUFBAU, GENRE

Schon an der Inhaltsangabe merkt man, dass dieses Buch sich abhebt. Die Handlung ist nicht in drei, vier Sätzen erklärt, ich muss dafür schon ein wenig ausholen. Es gibt mehrere Handlungsstränge, und die einzelnen Parts sind sehr gut miteinander verknüpft, bis sie am Ende zu einem werden und alle aufeinandertreffen. Der Erzählstil wechselt zwischen dem des Stalkers, der älteren Schwester und Dixon hin und her, denn jeder hat seine eigene Geschichte, seine eigenen Beweggründe. Auch Megan und Dixon können sich gegenseitig nicht die volle Wahrheit anvertrauen, sodass der Leser jeden von ihnen begleiten muss, um die Geschichte im Ganzen zu begreifen.

Auch, wenn das Buch als Romance verkauft wird, habe ich es als Thriller empfunden. Es kommt Romantik vor, es gibt natürlich auch (recht spät erst) eine Sexszene, und es kribbelt ganz gewaltig, sogar Romantikmuffel wie ich spüren die Funken zwischen den beiden Protagonisten knistern. Trotzdem wäre die Handlung auch sehr gut ohne den romantischen bzw erotischen Teil zu lesen, ich hätte es nicht vermisst. Im Gegenteil, mal anders betrachtet: gibt es eigentlich Thriller ohne wenigstens ein paar sexuelle Komponenten? Gibt es fast nicht, das gehört einfach dazu.

Die Geschichte ist sehr intensiv ausgearbeitet, und während der Beginn sich eher wie eine nette Einleitung liest, beginnt ab etwa Seite 40 eine kontinuierliche Steigerung bis hin zum absoluten Höhepunkt im letzten Kapitel, als sich endlich alles auflöst und der Leser aufatmen kann. Doch bis dahin wird der Puls von Seite zu Seite schneller. Erst ahnt man die Konflikte, dann zeichnen sich erste Probleme ab, sie werden immer mehr, eine beständige Spannungskurve von 0 auf 100 ohne Leerlauf, ohne Pause hin zum absoluten Showdown.


SPRACHE

Was diesen Roman für mich von den meisten anderen abhebt ist die Sprache. Ich muss sagen, dass sie dem Genre entsprechend etwas ungewohnt ist, anfangs habe ich ein paar Seiten gebraucht, mich daran zu gewöhnen, bin hier und da über einen Satz gestolpert. Aber nicht im negativen Sinne, sondern einfach weil die Autorin auf besondere Worte und Satzkonstruktionen Wert legt und dadurch einen ganz eigenen Stil präsentiert. Was eher selten vorkommt: ich habe tatsächlich einige Male im Duden nachgeschlagen, um einige Dinge zu überprüfen. Es ist korrekt, es klingt gut, aber es ist einfach stellenweise ungewöhnlich (z.B. "wehtuend", "aphrodisisch", ein grammatikalisch korrektes "als wie"). Für sich betrachtet klänge mancher Satz vermutlich seltsam, im gesamten Kontext allerdings ergibt sich ein sehr schönes Sprachbild, das bei mir für eine wirklich angenehme Abwechslung gesorgt hat. Ich denke, auf diese Weise wird Kathy schnell dafür sorgen, dass man ihren Stil aus der Masse herauspickt und wiedererkennt!


CHARAKTERE

Was das Buch ebenfalls ausmacht, sind vor allem die Charaktere. Im Grunde genauso wie in den anderen Büchern auch, nämlich er nach außen cool und in Wirklichkeit doch absolut vernarrt in seine große Liebe und eigentlich der weiche Knuddelbär. Sie ist stark, selbstbewusst, hat alles im Griff, aber sie sehnt sich nach einem Beschützer und kann sich ihm dennoch nicht anvertrauen, als er vor ihr steht. Bekannt, nichts Neues. Was es dennoch zu etwas Besonderem werden lässt: der Leser erhält sehr guten Einblick in die Beweggründe und das Vorleben der Protagonisten. Dadurch erklärt sich das Verhalten, kann man sich hervorragend hineinversetzen. Megan verhält sich auch nicht anders als die anderen Mädels, aber ich habe dennoch mit ihr mitgefiebert wie sonst kaum mit einer weiblichen Heldin. Ihre Sorge um die Schwester, das verletzte Vertrauen in Männer, die Angst vor dem Stalker, die Liebe zu Dixon und die Furcht sich ihm zu offenbaren, ihre Verzweiflung über die neue Wendung, all das habe ich nicht gelesen sondern gespürt.

Da es sich um einen Teamroman handelt, gibt es außer Dixon natürlich noch andere attraktive Jungs. Im zweiten Teil der Reihe (das Buch heißt "Verhängnisvoll" und ist für April 2012 geplant) geht es um Narsimha, eine Anspielung hierzu gab es bereits am Ende des letzten Kapitels. Und ich freue mich endlich, wenn mein persönlicher Favorit an der Reihe sein wird!


FAZIT

Eine neue Serie, die für Romance Fans sowieso ein absolutes Muss ist: Romantik, Thrill und jede Menge Verwicklungen vom Feinsten. Und für Leute, die es eher selten in die romantische Ecke verschlägt, ist dieser Band eine ganz besondere Empfehlung. Es lohnt sich reinzuschnuppern, Ihr kommt nicht mehr davon los! EISFEUER ist erfrischend anders und sorgt für eine lange, schlaflose Nacht ;-)

SaschaSalamander 12.11.2011, 14.12 | (0/0) Kommentare | PL

Saeculum

poznanski_saeculum_1.jpgINHALT

Bastian begleitet seine Bekannte Sandra auf einen Mittelaltermarkt und lernt dort die Mitglieder der Gruppe SAECULUM kennen. Junge Erwachsene, die im Liverollenspiel das 14. Jahrhundert aufleben lassen. Bald findet das nächste Treffen der Gruppe statt, Bastian darf teilnehmen. Als sie den Zielort erfahren, reagiert eine der Mitspielerinnen überraschend panisch: es soll ein Fluch auf dem Gelände lasten! Die Spieler schlagen die Warnungen in den Wind, doch bald geschehen seltsame Dinge ...


UMSETZUNG DER THEMEN

Ein Thriller, ideal für jugendliche und junge Erwachsene. Schon mit >EREBOS< und seinem Onlinerollenspiel nahm sich Ursula Poznanski eines faszinierenden Themas an, das sie gekonnt und realistisch umsetzte, sodass sowohl Anhänger von MMORPG als auch Laien auf diesem Gebiet spannend unterhalten wurden. Liverollenspiel (LARP) ist ebenso interessant und als Thema in der Jugendliteratur noch nicht allzu breitgetreten, sodass ich mich sehr freute, als ich vor einigen Monaten hörte, worum es in dem neuen Roman der Autorin gehen soll.

Poznanski nutzt die Möglichkeiten, die das LARP für einen Thriller bietet, hervorragend aus: sie verwischt die Grenzen, und bald ist Spielern und Leser nicht mehr klar, was nun Spiel ist und was Realität. Verschwundene Mitspieler, rätselhafte Botschaften, gestohlene Gegenstände. Es könnte ein Teil des Spieles sein, vom Organisationsteam clever inszeniert, oder ist der Fluch grausame Wahrheit geworden? Die Autorin spielt mit den Ängsten der einzelnen Protagonisten und führt den Leser lange Zeit an der Nase, indem sie erst nach und nach offenbart, was hinter deren seltsamem Verhalten steckt.

Längere Zeit ist dem Leser unklar, ob es sich um einen realistischen Thriller handelt oder ob dunkle Mächte hinter dem Zauber stecken. Ich mag es, wenn ich lange nicht weiß, in welchem Genre ich bin und ich mich von den geschickten Fäden eines Autors führen lasse. Das ist die Art Buch, das ich nicht mehr aus der Hand legen kann.


CHARAKTERE

Es wird meistens aus Bastians Sicht erzählt, und man kann sich gut in ihn hineinversetzen, dennoch bleibt er etwas blass. Was auch daran liegen kann, dass mit ihm eine Figur gewählt wurde, die als "bieder" und "langweilig" beschrieben wird und somit bewusst nicht in die Gruppe passt. Die Frage, warum er an dem Treffen teilnehmen darf, obwohl so viele Kriterien gegen ihn sprechen, ist einer der zentralen  Handlungsstränge des Romans.

Recht schnell lernt man die anderen Figuren und ihre Eigenheiten kennen, SAECULUM ist ein festes Team. "Intime" (also im Rahme des Spiels) hat man eine klassische Heldentruppe mit Medicus, Ritter, Wirt, Bardin, Magierin etc. "Outtime" tummeln sich recht eigenwillige Personen. So ist da etwa Iris, die von allen gemieden wird, die sich selbst zurückzieht aber wohl eine wichtige Schlüsselposition innezuhaben scheint, welches Geheimnis birgt sie? Sandra, die noch keine Beziehung zu Bastian hat aber ihm Hoffnungen darauf macht, bis sie sich plötzlich immer abweisender verhält, doch warum? Doro, die nicht nur im Spiel eine Hexe darstellt, sind ihre schaurigen Warnungen ernstzunehmen? Paul, der Leiter der Truppe, Sunnyboy, Frauenheld, fast schon zu perfekt, was verbirgt er, und warum lässt er Bastian an dem Treffen teilnehmen?


SPANNUNG, AUFBAU

Die Geschichte ist mustergültig aufgebaut. Erst das Kennenlernen der Charaktere, die Einleitung und Einstimmung auf das kommende Geschehen, wo der Leser kurz in die Philosophie des LARP eingeführt wird und sich einen ersten Eindruck von den Protagonisten machen kann. Dann der erste Tag im Wald, ein drohendes Gewitter und erste unheimliche Begegnungen. Im dritten Teil die bedrohliche Situation, abgeschieden von der Umwelt, die Bedrohung direkt vor der Nase, die Spannung steigt auf ihren Höhepunkt. Und dann die Auflösung, die zu einem Ende führt, das ich dem Buch entsprechend angemessen finde. Gerade, wenn unklar ist, ob etwas in den Fantasybereich abdriftet oder real bleibt, ist es schwer, eine zufriedenstellende Antwort zu finden, und auch hier hat Poznanski genau wie in Erebos perfektes Schreibhandwerk geleistet. Der Leser wird regelrecht gezwungen, von einem Hinweis hin zum nächsten jeden Schritt mitzuverfolgen, man kann SAECULUM nicht mehr beiseite legen!


SPRECHER

Aleksandar Radenkovic war mir bisher nicht bekannt, ich musste erst einmal ein wenig recherchieren. Auf seiner >Homepage< kann man mehr über den Schauspieler erfahren. Abgesehen vom SOMMERFÄNGER von Monika Feth war er bisher noch nicht als Sprecher tätig, ansonsten ist er Schauspieler, kommt vor allem aus dem Theatergewerbe. Man hört also, dass er Erfahrung hat. Als Hörbuchsprecher werden jedoch andere sprachliche Voraussetzungen verlangt, und hier und da hört man einige Schwächen, an denen es noch ein wenig zu feilen gilt. Der Text klingt stellenweise sehr bemüht,  es hapert noch ein wenig mit der Aussprache (das "r" fällt ihm schwer, was zu Worten wie Wuast/Wurst oder Mamoa/Marmor führt), manchmal betont er Sätze übermäßig, was auf der Bühne notwendig aber bei einem Hörbuch unnötig ist. Bei Dialogen ist es manchmal nicht auf Anhieb offensichtlich, welchen Charakter er gerade spricht, obwohl er doch versucht, jedem eine eigene Persönlichkeit zu verleihen, was allerdings nicht immer gelingt.

Er hat jedoch eine sehr angenehme Stimme und weiß diese gut einzusetzen, sodass es trotz dieser kleinen Schwächen Spaß macht, ihm zu lauschen. Mit ein wenig Übung bin ich sicher, dass er einige Kniffe lernen wird, wie man z.B. unterschiedlichen Figuren eine eigene Färbung verleiht und was mit seiner Stimme, die wirklich Potential hat, im Rahmen eines Hörbuches alles möglich ist. Sein Ausruck passt auch sehr gut zur Atmosphäre des Buches und ist sehr gut für den Hauptprotagonisten Bastian gewählt. Ich werde die Augen offenhalte, ob ich zukünftig weitere Titel mit Radenkovic entdecke und bin gespannt auf seine weiteren Arbeiten.


PERSÖNLICHE MEINUNG

Ein wenig ärgerte ich mich über mich selbst: die Lösung lag auf der Hand, es gab sehr viele Hinweise darauf, und doch habe ich sie nicht erkannt, weil ich in zu viele verschiedene Richtungen dachte. Und genau das finde ich eine gelungene Leistung: die Antwort nicht einfach "aus dem Hut zaubern" (so etwas verärgert den Leser und wirkt sehr lieblos), sondern statt dessen alles darauf hinarbeiten lassen, dem Leser das Offensichtliche präsentieren und dabei doch genügend falsche Fährten legen, wie bei einer spannenden Schnitzeljagd, wo man manchmal in die falsche Richtung abbiegt, bis man kurz vor dem Ende endlich den Zielort erkennt.

Nach EREBOS war ich offen gesagt skeptisch, denn das Werk hatte mir außerordentlich gut gefallen, und nicht immer gelingt es einem Autor, einen solchen Wurf zu wiederholen. Mit dem neuen Titel allerdings ist es ihr auf jeden Fall gelungen!


FAZIT

SAECULUM fesselt vom ersten bis zum letzten Moment, und die Autorin zieht sprachlich, stilistisch und inhaltlich alle Register, um ihre Leser zu unterhalten. Eine absolute Empfehlung für alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die sich für Rollenspiele begeistern können und spannende Unterhaltung lieben.

SaschaSalamander 28.10.2011, 08.46 | (2/1) Kommentare (RSS) | PL

Raum

donoghue_raum_1.jpgINHALT

RAUM ist geschrieben aus der Sicht des kleinen Jack. Was der Leser schnell begreift: Jacks Mutter wurde vor sieben Jahren entführt, der Täter hält sie seitdem in einem winzigen schallisolierten Schuppen gefangen und missbraucht sie. Jack ist der Sohn des Entführers. Inzwischen ist Jack fünf Jahre alt, und was für andere Menschen Folter ist, das ist für ihn die Normalität, er kennt es nicht anders, der RAUM vermittelt ihm Geborgenheit, und seine Mutter tut alles, dass der Kleine so gut als möglich aufwachsen kann, sie unterrichtet ihn, spielt mit ihm, fordert ihn. Doch an seinem fünften Geburtstag erzählt sie Jack, dass der Raum nicht die einzige Welt ist, und dass es außerhalb dieser vier Wände mehr gibt. Die Figuren im TV sind echt, und sie kommt ursprünglich von dort draußen, und dort möchte sie auch wieder hin, und gemeinsam mit ihrem Sohn schmiedet sie nun einen wagemutigen Plan, ihrem Gefängnis zu entkommen.



AUFBAU

Das Buch ist gegliedert in fünf Teile. Ich möchte nicht spoilern, deswegen gehe ich hierauf nicht ein. Da ich vorher keine Rezensionen las, hat der Fortgang des Buches mich sehr überrascht. Anhand der Kapitel hätte ich es erahnen können, aber im Nachhinein sind natürlich Dinge klar, die man vorher nicht verstand, sodass ich über die Wendung dann sehr erstaunt war, da ich mit einem anderen Buch gerechnet hätte (und der letzte Satz, den ich so gerne lese, in der Tat einen falschen Eindruck vermittelte. Clevere Schachzug der Autorin!)



JACK

Das Buch ist geschrieben aus der Sicht des kleinen Jack. Schon nach den ersten Sätzen war er mir so sympathisch, dass ich das Buch nicht mehr zur Seite legen konnte. Es ist der Autorin sehr gut gelungen, die kindliche Sprache wiederzugeben, und der Leser hat sofort ein klares Bild vor Augen, wenn er an Jack denkt. Er ist klein und blass, er kennt kein Tageslicht, seine Haare haben noch keine Schere gesehen. Aber er ist flink und intelligent. Seine Mutter hat rund um die Uhr Zeit, ihn zu unterrichten, und spielerisch erfährt Jack mehr als so manch andere Kind seines Alters. Doch so intelligent er in manchen Dingen ist, so überfordert ist er von anderen Bereichen, die außerhalb des Raumes liegen, und die Welt draußen ist eine Belastung für ihn.

Gemeinsam mit Jack betrachtet der Leser die Welt aus den Augen eines Kindes. Naive Fragen, unschuldig, rein. Was andere Menschen täglich sehen und begreifen, ist für ihn fremd und muss erlernt werden, und so stellt er alles infrage, was für uns Alltag ist.

Dem Leser wird schmerzlich bewusst, dass alles, was Jack als Spiel empfindet, grausame Realität für seine Mutter ist. Sie spielen "Schreien" und stellen sich an das Oberlicht des Schuppens und lärmen, soviel sie können. Ein witziges Spiel, bei dem Jack sich herrlich verausgaben kann. Für seine Mutter der verzweifelte Versuch, andere Menschen auf sich aufmerksam zu machen. Das Sparen und Haushalten mit den wenigen Besitztümern ist für die Mutter eine Qual, Jack dagegen macht es Spaß, die Eier nicht zu zerschlagen sondern auszublasen und daraus eine Schlange zu basteln, sodass er wenigstens ein kleines Spielzeug in seinem RAUM hat.


ANDERE CHARAKTERE

So deutlich Jack dem Leser ist, so klar er Einblick in seine Gefühle und Gedanken gibt, sosehr sind andere Figuren verschwommen. In die Mutter kann man nicht hineinsehen, Jack beschreibt sie, er liebt sie, sie ist alles, was er hat, aber er ist noch ein kleines Kind und sieht die Welt mit anderen Augen. Und so ist vieles für ihn unbegreiflich, was sie sagt oder tut. Er ist eben ein Kind, quengelig und trotzig, und wenn er gegen seine Mutter aufbegehrt, dann zerreißt es dem Leser schier das Herz, denn der Leser weiß, wiesehr seine Mutter ihm gerne ein normales Leben bieten würde, wie gerne sie ihm Kerzen auf den Kuchen geben würde, doch Jack verlangt nur und begreift nicht, was dies wirklich bedeutet.

Der Täter, von Jack "Old Nick" genannt nach einer Filmfigur, bleibt sehr unklar. Er vergewaltigt die Mutter, aber dies ist niemals voyeuristisch. Wie sollte es auch, weiß Jack nichts von der wahren Bedeutung und findet seine eigenen Möglichkeiten, mit diesen Momenten umzugehen und sie in seine kleine Welt einzufügen. Alles, was außerhalb von Jack liegt, bleibt zu einem großen Teil die freie Interpretation des Lesers, und das ist oft schlimmer, als wenn man den Dingen einen klaren Namen geben würde ...


SPRACHE, STIL

Die Autorin verfasst das Buch in der Sprache eines Fünfjährigen. So werden Vergangenheitsformen manchmal falsch verwendet (genimmt, geschneidet, etc), einige Wörter konsequent falsch gesprochen (Scherztablette). Auch sagt er z.B. immer "anstatt" statt "statt dessen", und manchmal musste ich schmunzeln, weil ich die Übersetzung sehr gelungen fand und die Darstellung der einzelnen Begriffe und Formulierungen sehr realistisch.

Außerdem personifiert er die meisten Objekte (was gesunde Fünfjährige wohl auch tun, aber keinesfalls in diesem Ausmaß, was ein Zeichen von Jacks Deprivation ist). So spricht er von Pflanze auf Schrank, er guckt aus Oberlicht, er schläft auf Teppich und spielt mit Eierschlange. Das ist anfangs niedlich (und erschreckend, wenn man den Grund dafür bedenkt), mit der Zeit wurde es für mich anstrengend, und nach etwa der Hälfte des Buches überlas ich es dann einfach und störte mich nicht mehr daran.


PERSÖNLICHE MEINUNG

Ich habe viel Gutes über das Buch gehört, mich zuvor aber nicht zu intensiv damit befasst, um keinen Spoiler zu erhalten. Deswegen hatte ich die Befürchtung, das Buch könnte möglicherweise voyeuristisch sein oder einfach nur auf einer Welle mitreiten, wo doch inzwischen immer mehr Fälle dieser Art bekannt werden. Dies war zum Glück nicht der Fall. Das Buch mag durch einen solchen Fall inspiriert sein, befasst sich jedoch einzig und allein mit der Wahrnehmung des betroffenen Kindes. Und diese hat mit Voyeurismus, Vergewaltigung, Folter, Freiheitsberaubung und dergleichen Dingen nichts zu tun.


FAZIT

RAUM ist ein Buch, das man kaum beschreiben kann. Man muss es erleben, um es zu begreifen und zu verstehen. Man muss bereit sein, sich auf die Sichtweise des Kindes einzulassen, darf nicht analysieren. Und man muss akzeptieren, dass gerade das, was viele eigentlich lesen wollen, in diesem Buch nicht zu finden ist, einfach weil es Jack nicht interessiert. Lasst Euch von Jack an die Hand nehmen, und er wird Euch zu vielen neuen faszinierenden Entdeckungen führen, wird Euch lehren, die Welt vorübergehend mit den Augen eines Kindes zu sehen.

SaschaSalamander 27.10.2011, 09.02 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL

Hiki

nangoku_hiki_1.JPGRin findet in einer Schublade eine Schatzkarte, die aussieht wie eine seiner Zeichnungen aus Kindertagen. Neugierig macht er sich mit seinem Freund Yada auf die "Schatzsuche", und tatsächlich finden sie am gezeichneten Punkt eine alte Kommode. Rin durchsucht sie, kann jedoch nichts darin finden. Doch seit diesem Moment geschieht etwas Unheimliches: wannimmer Rin versucht, irgendwo etwas herauszuziehen, hält er den Kopf eines Mädchens mit langen schwarzen Haaren in seiner Hand.

Es ist nicht leicht, denn ständig muss man im Alltag etwas herausziehen: die Schulkleidung aus dem Turnbeutel, einen Kopfhörer aus dem Ohr, ein Taschentuch aus der Hose, ein Schulbuch aus der Tasche. Rin wird darüber fast wahnsinnig und versucht herauszufinden, wer dieses Mädchen sein könnte und warum es ihn nun verfolgt.

Puuuh, ganz schön gruslig! Dieser Manga ist zwar in einer halben Stunde gelesen, kann zeitlich also nicht mit einem Asiahorrer von zwei Stunden mithalten, aber inhaltlich kommt er ziemlich gut an diesen Grusel heran, alle Achtung! Der Horror baut sich recht schnell auf, woher stammt die alte Zeichnung, und warum steht genau dort eine Kommode? Der Leser sieht, wie Rins Hand in der Kommode wühlt und sieht bereits den Kopf des Mädchens, ekelt sich, als Rin ihr zerzaustes Haar berührt und nicht weiß, was er da zwischen den Fingern spürt. Und sobald Rin seine Hand in irgendeine Öffnung steckt, zuckt der Leser zusammen und ahnt, was ihn nun erwarten wird, beißt die Zähne zusammen, will nicht hinsehen, und wie bei einem guten Horrorfilm sieht man hin, obwohl man sich wünscht, man hätte es nicht gesehen.

Die Zeichnungen sind wirklich großartig, sie drücken den Horror sehr gut aus, die Bilder sind eklig und unheimlich, der Stil ist insgesamt sehr gut. Hintergründe, Gesichter, Details, all dies ist realistisch gehalten und erzeugt zusätzliche Bilder im Kopf des Lesers, der sich sofort in die Geschichte hineinversetzen kann.

Und wie bei einem guten Asiahorror üblich: fragt bitte nicht nach dem Sinn. Es ist ein Mindfuck, und am Ende gibt es eine Lösung, die im Grunde dennoch keine Lösung ist, weil sie viele Optionen offen lässt. Was ist nun wirklich geschehen? Konnte Rin das Rätsel lösen, auch wenn seine komplette Umwelt ihn für wahnsinnig hält? Oder wurde Rin tatsächlich wahnsinnig und bildet sich nur etwas ein, während alle anderen die Wahrheit sehen? Verstörende Bilder, fernab jeglicher Realität, Wahngebilde, Kreaturen aus einem kranken Geist, wie man ihm eigentlich fast nur in asiatischen Horrorfilmen begegnet. Kein Blut, keine Gewalt, aber jede Menge Spannung und Gänsehaut. Die nächsten Wochen werde ich wohl kaum ohne einen kleinen Schauer irgend etwas herausholen können ...

Einzig der Titel irritiert mich, da nichts dazu erklärt wird, ich wüsste gerne, was er bedeutet, das ist aus dem Inhalt nicht ersichtlich, eine Übersetzung wird nicht genannt. Aber das ist kein Drama, das bin ich in diesem Genre gewohnt.

Sicher ist: zartbesaitete Leser sollten diesen Manga definitiv meiden. Und auf dem Nachttischlein sollte er auch nicht unbedingt liegen, wenn man ruhig schlafen möchte. Also: bist Du mutig genug, traust Du Dich, das Geheimnis der Kommode zu lüften? ;-)

Ich habe leider keinen Hinweis darauf gefunden, dass dieser Manga die Umsetzung eines Romanes ist, sonst würde ich diesen sofort lesen wollen! Mit bekannten Titeln wie DARK WATER, JU-ON oder THE RING kann dieser Manga allemal mithalten, und ich hoffe, dass er vielleicht sogar eines Tages verfilmt wird.

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Unqualifiziertes PS, das ich mir nicht verkneifen kann: der Junge muss doch wahnsinnig werden, allein wenn er schon auf Toilette geht und etwas herausholt, das nicht  ... sondern ein fremdes Mädchen ist! Aber gut, das wurde im Manga nicht gezeigt, ... wie gesagt: unqualifiziertes Kommentar zum Abschluss ;-)

SaschaSalamander 18.10.2011, 09.15 | (0/0) Kommentare | PL

Sieben Minuten nach Mitternacht

VORABGEDANKEN

Normalerweise habe ich beim Lesen eines Buches bereits Gedanken im Kopf, was ich in die Rezension schreiben möchte. Dieses Mal nicht, ich fühle mich leer. Das Buch hat mich komplett eingenommen, sodass ich an nichts anderes denken konnte währenddessen. Und ich weiß auch nicht wirklich, wie ich das, was ich nun fühle, in Worte fassen soll. Manchmal fällt es so unendlich schwer, seinen Gedanken Gestalt zu verleihen. Es gibt Dinge, die man selbst erleben muss, weil andere sie nicht erzählen können. Und doch hat der Autor in diesem Buch es geschafft, unaussprechliche Gefühle in klare, kindgerechte Worte zu packen. Ich ziehe meinen Hut vor dieser Meisterleistung und möchte SIEBEN MINUTEN AN MITTERNACHT als ein ganz besonderes Buch für Leser aller Altersklassen empfehlen.

Die letzten beiden Kapitel dieses Buches musste ich mehrfach unterbrechen. Ich musste sosehr weinen, dass der Text vor meinen Augen verschwamm, und ich hätte gerne laut aufgeschrien über die Ungerechtigkeit, und zugleich fühlte ich mich so erleichtert und frei, als zum Schluss endlich die Wahrheit ausgesprochen wurde und das Buch zwar kein glückliches aber ein erlösendes Ende fand.


VORGESCHICHTE DES BUCHES

Patrick Ness ist Literaturkritiker beim GUARDIAN. Siobhan Dowd war Redakteurin und freischaffende Autorin, sie verstarb 2007 an Krebs. Zuvor erarbeitete sie das Exposé des vorliegenden Buches, doch sie kam nicht mehr zu ihrer Ausarbeitung. Dies hat Patrick Ness für sie übernommen, er erzählt im Vorwort die bewegende Geschichte dieses Buches.


INHALT

Conor hat jede Nacht einen schrecklichen Albträum. Und um 00.07 kommt das Monster, er fürchtet sich. Bis er sieht, dass das Monster nach Mitternacht gar nicht das Wesen aus seinem Albtraum ist. Das Monster macht ihm keine Angst, denn er hat schon viel schlimmere Dinge gesehen, und so beginnt eine seltsame Freundschaft zwischen den beiden. Bald beginnt das Monster Conor drei Geschichten zu erzählen. Der Junge versteht den Inhalt der Geschichten nicht, und die vierte Geschichte soll er erzählen, denn in ihr steckt die Wahrheit. Der Grund, warum das Monster ihn jede Nacht besucht. Doch vor dieser Wahrheit hat Conor Angst:

Conors Mutter leidet an Krebs, sie hat die Hoffnung nicht aufgegeben, doch bald wird sie sterben. In der Schule wird der Junge deswegen gemieden, die Lehrer fassen ihn mit Samthandschuhen an, er wird von Mitschülern gemobbt, seiner Freundin kann nicht verzeihen, dass sie damals den anderen von der Krankheit seiner Mutter erzählte. Er ist alleine, sein Vater ist in Amerika, und seine Großmutter mag er nicht. Das Monster ist gekommen, um ihm zu helfen. Aber helfen wobei? Kann es seine Mutter gesund machen? WOBEI das Monster ihm helfen will, erfährt Conor erst am Schluss, als er endlich in der letzten Geschichte die Wahrheit aussprechen muss.


ERZÄHLSTIL

Die Geschichte ist in sehr schlichten, kindgerechten Worten erzählt. Kurze Sätze, die umso eindringlicher auf den Leser wirken. Keine Fremdwörter, keine komplizierten Formulierungen. Dafür ein umso intensiverer Text, dessen Inhalt sich gerade jüngeren Lesern nicht unbedingt sofort erschließt. Aber das ist in Ordnung, denn auch Conor gibt zu, dass er die Geschichten nicht versteht. Erst am Ende erschließt sich die komplette Bedeutung, als der Leser Conors Albtraum erfährt. Und dieser ist weit schlimmer als das Mobbing, als der nahende Tod, als die mitleidigen Blicke der Lehrer.

Gerade, weil dieses Buch so schlicht geschrieben ist, berührt es so tief. Der Leser, gleichwelcher Altersklasse, kann sich problemlos in Conor hineinversetzen, spürt mit ihm die Hilflosigkeit, die Wut, die Angst. Und noch ein starkes Gefühl, welches ich nicht verraten möchte, weil es erst am Ende zur Sprache kommt. Es hängt unausgesprochen über dem ganzen Buch, der Leser spürt es, will es jedoch ebenso wie der Junge nicht wahrhaben, weil die Wahrheit so schmerzlich ist und weil es ein Tabuthema innerhalb des Themas sterbende Angehörige ist.


BILDER

Die Bilder empfinde ich persönlich als sehr beängstigend aber dennoch kindgerecht, da sie sehr von der jeweiligen Interpretation abhängig sind. Dürre Äste, dunkle Wälder, ein riesiger Baum-Mann, zerstörte Ruinen einer Kirche, alles in Schwarz, Weiß und Grau. Bilder, die direkt aus Conors Albtraum zu kommen scheinen. Keine klar umrissenen Konturen sondern Silhouetten, Schemen, bedrohliche Klauen, die aus der Dunkelheit nach dem Leser greifen. Sie passen sehr gut zu dem entsprechenden Text und unterstreichen die Kernaussage der jeweiligen Kapitel, vermitteln eine sehr gute Atmosphäre.

Manche Bilder sind auf einer kompletten Doppelseite vertreten, andere Bilder sind um den Text herum gemalt, der Text in die Zeichnung integriert, verwoben zu einer Gesamtheit, die Geschichte in einen passenden Rahmen setzend.


PÄDAGOGISCHER ASPEKT

Es ist harter Tobak, auf jeden Fall. Und manch einer wird sagen "das kann man einem Kind nicht zumuten". Kann man nicht? Man kann. Denn einem Kind wird es auch zugemutet, dass die Mutter stirbt, das ist tägliche Realität. Und es ist wichtig, dass Kinder sich mit solchen Themen auseinandersetzen. Conor litt in dem Buch vor allem darunter, dass die Lehrer nur mitleidig wegblickten, dass die Eltern ihm das wahre Ausmaß der Krankheit verschwiegen, dass die Großmutter ihn nicht für seine bösen Taten bestrafte. Und so wie Conor geht es vielen Kindern, die doch eigentlich darüber reden möchten. Die begreifen wollen, was geschieht. Die ihre Gefühle nicht aussprechen können, wenn die Erwachsenen um sie herum die Wahrheit leugnen. Und die Gefühle sind nicht schön, sie sind urgewaltig, glühend und mächtig, so wie das Monster. Kinder brauchen einen Erwachsenen, der sie an die Hand nimmt, der mit ihnen über Schuld, Verantwortung, Trauer, Angst, Wut, Zorn, Hass, Hilflosigkeit redet. Sie müssen erfahren, dass diese Gefühle gestattet sind, und dieses Buch kann ihnen dabei helfen, endlich über das Unaussprechliche zu reden, wofür die Erwachsenen keine Worte haben.

Allerdings sollte man gerade jüngere Kinder nicht alleine mit diesem Monster lassen. Es werden sehr viele Fragen hervorbrechen, und nicht auf alles wird es eine Antwort geben. Die Geschichten sind stellenweise verwirrend, und es wäre vielleicht sogar gut, wenn der Vorleser das Buch zuvor selbst gelesen hat, um den Inhalt der Geschichten im Gesamtkontext zu begreifen und dem Kind Fragen zu beantworten, die erst im späteren Verlauf der Handlung erklärt werden.


FAZIT

Dem Autor ist es gelungen, unaussprechliche Gefühle in greifbare Worte zu verpacken. Siobhans Geschichte, Patricks Umsetzung, das wurde zu einem ganz besonderen Buch, das ich nie wieder vergessen werde ...


SaschaSalamander 17.10.2011, 09.16 | (0/0) Kommentare | PL

Darf ich meine Oma selbst verbrennen

wilhelm_oma_1.jpgVORABINFO

Mit GETATTEN, BESTATTER veröffentlichte der Autor des erfolgreichen >Bestatterweblogs< im Dezember 2009 sein erster Buch. Wie auch schon in seinem Blog erzählte er unterschiedlichste Begebenheiten aus dem Alltag eines Bestatters, ich habe es damals begeistert gelesen und habe auch sonst nur allerbeste Rückmeldung bekommen. Er scheint eine "Marktlücke" entdeckt zu haben, oder besser gesagt, eine "Bedürfnislücke". Sterben ist ein Tabuthema. Jeder Mensch ist mehrfach in seinem Leben damit konfrontiert, wenn Angehörige oder Freunde von uns gehen. Doch es wird außer zu diesem Anlass kaum darüber gesprochen. Unzählige Mythen haben sich entwickelt, viele Fragen bleiben offen, und an wen kann man sich wenden in seiner Unsicherheit?


INHALT, AUFBAU

Peter Wilhelm schreibt nicht nur von seinen Klienten, von den Toten, von seinen Kollegen, seiner Familie, der Praktikantin und anderen Lebenden und Toten, sondern er geht auch auf seine Blogleser ein. Er beantwortet Fragen teils auch öffentlich, wenn sie von allgemeinem Interesse sind. In GESTATTEN BESTATTER erzählte er eher aus dem Alltag, ließ die Leser an vielen humorvollen, skurrilen, bewegenden oder schockierenden Momenten seines Berufslebens teilhaben.
In DARF ICH MEINE OMA SELBST VERBRENNEN hat er das Buch in drei Teile gegliedert:

Zuerst beantwortet er Fragen von Lesern, mal humorvoll, mal ernst. Im zweiten Teil lässt er den Leser an erzählenswerten Telefongesprächen teilhaben, die er mit Angehören führte. Abschließend gibt er vereinzelte Dialoge wieder, an denen er teilhatte oder deren Zeuge er wurde, während Angehörige über die Bestattung diskutierten. Das Ganze natürlich ein wenig "dramaturgisch aufgearbeitet", sodass er den Sinn und Inhalt widergibt ohne jedoch einen Kunden erkenntlich bloßzustellen.


SCHREIBSTIL, INFOTAINMENT

Es tut gut, dass der Autor so offen und vor allem unbefangen über dieses Thema spricht. Zwischen all den skurrilen Momenten gibt es sehr viele ernsthafte Fragen, sodass zwischen dem Humor und der Tragik des Buches auch sehr viel Wissen vermittelt wird. Seien es Mythen wie die wachsenden Haare des Verstorbenen oder das tödliche Leichengift, oder seien es auch wichtige Belange wie etwa die Besonderheiten einer Seebestattung, die Frage ob man Angehörige selbst unter die Erde bringen darf, welche Unterlagen beim Amt alles vorgelegt werden müssen, welchen Sinn eine Sterbeversicherung erfüllt, ob und wie man im Voraus seine eigene Beerdigung planen kann, und viele Dinge mehr. Dabei besteht ein Kapitel aus einer Frage und einer entsprechenden Antwort. Manchmal kann dies über mehrere Seiten gehen, meist jedoch ist es sehr kurz auf einer halben Seite beschrieben. Gerade deswegen lässt man sich leit verleiten, wenigstens schnell noch die nächste Episode zu lesen, und auf einmal hat man das Buch beendet, obwohl man vermeintlich gerade erst begonnen hat. Und das, obwohl es um ein solch vermeintlich langweiliges Thema wie die Arbeit eines Bestatters geht.

Als Bestatter hat der Autor gelernt, Menschen mit Respekt zu behandeln, und dies merkt man dem Buch an. Es ist spannend zu lesen, welche Gedanken die Menschen beschäftigen, wenn es um das Thema Tod geht. So stellt sich jemand die Frage, ob er ein amputiertes Bein bestatten lassen darf, ein anderer wüsste gerne, ob man das geliebte Haustier mit beerdigen darf (das sowieso krank ist und eingeschläfert werden müsste). Auch ist es "nett" zu erfahren, wie dringend die Sterbefälle sind und wie wenig dringend sie plötzlich werden, wenn der Zeitpunkt der Abholung sich mit der Sportschau überschneiden würde. Dringend wird es dagegen allerdings tatsächlich, wenn in einer Stunde Schlüsselübergabe an den Nachmieter stattfinden soll und der Tote noch in der Wohnung liegt. Und doch bleibt Peter Wilhelm stets gesetzt und würdevoll, sogar wenn die Witwe auf das unpassende Deckchen im Farbton "Rosa Luxemburg" besteht oder eine antiallergene Sargausstattung gewünscht wird.

Das Buch ist keinen einzigen Moment spröde oder trocken, niemals wird der Zeigefinger erhoben (wenngleich man die persönliche Meinung des Autoren deutlich heraushört, doch diese ist sympathisch und nachvollziehbar, selbst wenn er manchmal ironisch wird). Es ist schwer zu beschreiben, wie unglaublich fesselnd er sein Buch geschrieben hat. Die ernsthaften Themen sind zu lang, als dass ich sie in die Rezi einbinde, deswegen in aller Kürze meine zwei Favoriten unter den vermutlich wenig ernstgemeinten Anfragen:

S. 83
Frage: Ein Mann kommt zu Ihnen und will seine Schwester beerdigen lassen, also jetzt die Frau von seinem Bruder. Geht das in einem Reihengrab, oder müssen die Feuerbestattung nehmen?
Antwort: Ja.

S. 33
Frage: Mal eine besondere Frage, die mich und meinen Freund sehr beschäftigt. Hast Du schon mal einen Sarg mit einem Vampir beerdigt? Bitte antworten, ist kein Spaß!!!
Antwort: Vampire bekommen immer ein Urnenbegräbnis, weil durch das Kellerfenster Sonnenlicht in unseren Behandlungsraum fällt und die Vampire dabei stets zu Staub und Asche zerfallen. Ist wirklich so, ist kein Spaß!!!


FAZIT

Sterben ist ein ernstes Thema, aber noch nie wurde es humorvoller und sinnreicher aufbearbeitet als von Peter Wilhelm. Ein ideales Buch, ob nun als Geschenk oder für sich selbst, ob für die gesellige Runde oder auch gemütlich alleine auf dem Sofa. Infotainment, wie es besser nicht sein könnte.

SaschaSalamander 06.10.2011, 09.02 | (0/0) Kommentare | PL

Wer früher stirbt ist länger tot

werfrueherstirbt_1.jpgInzwischen finde ich hier und da ein paar Minuten zum Lesen, fürs Rezensieren fehlt mir aber noch die Zeit. Die nächsten Tage wird es etwas ruhiger, und ich kann es kaum erwarten, Euch meine aktuellen Titel vorzustellen. Aber bis dahin noch ein bisschen Knabbern am Vorrat. Diesen Film habe ich zweimal gesehen, und ich werde ihn wohl bald ein drittes Mal sehen, ich kann einfach nicht genug davon kriegen. Sobald die DVDs da sind, möchte ich mir ALMANYA - WILLKOMMEN IN DEUTSCHLAND und SUMMER IN ORANGE holen von den gleichen Machern!

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Auf die Gefahr hin, mich zum unzähligsten Male zu wiederholen: deutsche Filme liegen mir nicht. Aber ich bin nicht prinzipiell dagegen. Es gibt manchmal ein paar Glanzlichter, die mir ausgesprochen gut gefallen und sogar zu meinen Favoriten zählen. Und schon wenige Minuten nach Beginn war klar, DIESER Film würde auf jeden Fall dazugehören!

Der 11jährige Sebastian ist ein echter bayerischer Lausbub. Während eines Streits wirft sein älterer Bruder ihm vor, die Schuld am Tod seiner Mutter zu tragen, die bei seiner Geburt verstarb. Und wer Schuld auf sich läd, der wird nach seinem Tod im Fegefeuer büßen. Sebastian hat nun Angst, denn abgesehen von dem Tod seiner Mutter hat er viele weitere Dinge angestellt. Etwa die Hasen des Bruders getötet, möglicherweise den Tod von Evis Oma verursacht, er hat einem Gast in der Wirtschaft ins Essen gespuckt und viele bösen Dinge mehr. Der Junge sieht nur eine Möglichkeit, wie er dem Fegefeuer entgehen kann: er muss unsterblich werden! Und wenn das nicht klappt, dann muss er wenigstens seine Schuld bereinigen, indem er seinem Vater eine neue Frau sucht.

Ein wunderbarer Film! Vordergründig mag er aus vermeintlich platten Witzen bestehen: ein Junge baut jede Menge Unsinn, alles geht schief, und der Humor ist ziemlich derb. Wenn man jedoch zwischen den Zeilen liest, ist es ein sehr vielschichtiger Film, der auf ungewöhnliche Weise die Ängste eines Jungen aufzeigt. Geprägt von einer streng katholischen Erziehung, versucht er seine Seele reinzuwaschen. Er möchte Gutes tun, und je edler sein Ansinnen, desto schlimmer das Ergebnis. Es gibt auch keinen Erwachsenen, dem er sich anvertrauen kann, sodass er nach außen hin kindlich-naive Fragen stellt und eben die Antworten auf allein diese Fragen erhält, niemals jedoch für sein eigentliches Problem. Auf die Frage, wie man unsterblich wird, erfährt er also von Vampiren in Transsylvanien, von den sieben Leben einer Katze, von der Fortpflanzung zwischen Mann und Frau, von legendärer Musik. Doch seine Versuche als Casanova, Vampirfreund, Katzenlebentester, Rockmusiker sind leider zum Scheitern verurteilt, denn woher soll er die Gitarre nehmen, wie soll er nach Transsylvanien kommen, etc?

Ich habe den Film gebannt gesehen, ständig die Hand vor dem Mund. Sei es, um erschreckte Aufschreie zu unterdrücken, die sich anbahnten, sobald ich eine schlimme Situation kommen sah, etwa wenn er der Lehrerin eine wichtige Frage ins Ohr flüstern wollte oder bei laufendem Radiosender seinen Gruß formulierte. Und doch endete es alles in einem Lachen, teils erleichtert, teils um sich irgendwie Luft zu machen. Ein wenig erinnerte es mich an Michel von Lönneberga, wo ich zwar auch ständig lachen musste aber das Kind im Grunde doch von den Erwachsenen verkannt wurde in vielen Situationen.

Allein schon der Beginn! Nein, kein Spoiler, es sind gerade einmal die ersten zwei Minuten des Filmes: der Junge fährt wild mit dem Rad durch das Dorf, man sieht einen Laster heranfahren, es ist klar, was passieren wird, man mag gar nicht hinsehen. Ein metallisches Scheppern, ich saß da mit geweiteten Augen, fassungslos. Szenenschnitt, das Fahrrad eingekeilt unter dem Laster, der Fahrer guckt irritiert und fährt weiter, der Junge wie tot auf der Straße. Nächste Szene, der Junge steht auf, "Glück gehabt" sagt er, und dann geht er zu dem geparkten LKW (dessen Fahrer ein Kumpel seines Vaters ist und den Laster vor seinem Haus parkte), versucht sein Rad herauszuholen, es klappt nicht. Schnitt, ein Scheppern, der Laster landet im Hasenstall, der Junge wollte doch nur sein Fahrrad hervorholen und dafür den LKW ein wenig vorrollen. Man möchte schreien, dass der Junge überlebt hat und sie ihn gefälligst in den Arm nehmen sollen, aber es hatte ja niemand den Unfall bemerkt, statt dessen Vorwürfe für die toten Hasen. Und der Junge schweigt, denn er ist ja schließlich schuld an den toten Hasen und hätte nicht ans Steuer des LKW gedurft.

Skurill, absurd, absolut schwarzer Humor. Und einige Szenen sehr unwirklich, eben Traumsequenzen, entsprungen der seltsamen Phantasie des 11jährigen Jungen, welcher sich vor dem Fegefeuer fürchtet. Die Träume erinnern an Hyronimus Bosch, und man muss schon einen Sinn für schräge Komik haben, gebe ich zu. Wenn man den Film nur nebenbei sieht, entgehen einem die vielen Kleinigkeiten, die ihn aus der Masse der schwarzen Komödien hervorheben.

Auch die Kameraführung ist genial! Normalerweise fällt mir so etwas wie Schnitt und Kameraführung gar nicht auf, ich bin ein Filmbanause. Aber in diesem Fall ist es auffällig und so genial, dass sogar ich es bemerke. Es werden beispielsweise zwei, einmal sogar drei Szenen miteinander verknüpft, immer wieder hin- und hergesprungen zwischen drei Parteien, alle unterhalten sich bzw agieren, jeder für sich und doch zeitgleich zusammen. Auch die Kameraführung, die Bilder. Die Bilder sind ein Genuss: die Landschaft, die Gesichter, die Drehorte.

Es stimmt einfach alles. Sogar die Musik. Sie fällt nicht störend auf, sie drängt sich auch nicht brachial in den Vordergrund. Lautstärke und Musik sind perfekt abgestimmt (passiert selten in Filmen, normalerweise habe ich immer die Fernbedienung der Lautsprecher in der Hand, wenn ich einen Film sehe), und der Soundtrack ist es wert einzeln gehört zu werden. Sogar einen fiktiven Musiker haben sie gebracht und einen Song von ihm gespielt, der wirklich klasse ist! ;-)

Wäre es kein urbayerischer Dialekt, könnte man den Film glatt für eine britische Komödie halten. Der Humor kommt sehr derb daher, sehr bayerisch. Als Franke (irgendwie ja auch Bayer) kann ich leider nicht sagen, ob man selbst Bayer sein muss, um den Film zu verstehen, Lokalkolorit ist auf jeden Fall drin, und die Mentalität des kleinen Dorfes kommt schon sehr gut zur Geltung. Die DVD gibt es auch mit hochdeutschen Untertiteln, die sind für alle Nicht-Bayern unbedingt zu empfehlen!

Achtung allerdings, wer den Film kaufen möchte! Die DVD ist nur in reinen Playern abspielbar, nicht jedoch auf dem Laptop oder PC (Mac soll angeblich funktionieren). Für seltene Anlässe haben wir einen DVD-Player, aber ich gucke meine Filme in der Regel auf dem Laptop, von daher werde ich mir den Film vermutlich nicht kaufen, denn den Beamer / Player nutze ich normalerweise (außer wenn wie hier erforderlich) nur für unterhaltsame Filmabende mit Freunden, nicht jedoch alleine. Schade, denn wenn ein Film es verdient hätte, bei mir im Regal zu stehen, dann dieser! Doch diese Mentalität bestraft die ehrlichen Käufer, das mag ich nicht unterstützen :(

SaschaSalamander 29.09.2011, 21.02 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL

Off Road Kids

himekawa_offRoad_1.jpgDrei Monate her, die Rezension ist also noch gar nicht so alt. Ein Manga, den ich Euch auf jeden Fall vorstellen möchte, weil ich gut finde, wie man dieses ernste Thema auch jüngeren Kindern näherbringen kann.

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Koichis Vater ist Arzt und kündigt seinen Job, um nun als Arzt im Ausland tätig zu sein. Er fliegt auf die Philippinen und bietet seinem Sohn an, ihn zu begleiten. Koichi ist begeistert, hofft er doch auf einen gemütlichen Urlaub, wo er für ein paar Wochen nicht zur Schule muss! Statt dessen landet er in den Elendsvierteln und erleidet einen Kulturschock. Er will nach Hause und erträgt es nicht, all das Leid mit anzusehen. Doch als begeisterter Fußballspieler freundet er sich mit einem der Straßenjungs an und lernt nun mehr über ihr Leben, ihre Träume, ihre Ziele.

Akira Himekawa, der unter anderem auch einzelne Spiele der kultigen Zelda-Reihe als Manga umgesetzt hat, nahm mit diesem Manga ein Projekt an, in dem es um Straßenkinder gehen sollte. Der Autor reiste in verschiedene Länder, arbeitete zusammen mit "Kinder ohne Grenzen" und setzten sich intensiv mit diesem ernsten Thema auseinander. Und es gelang ihm hervorragend, es auch für Kinder packend umzusetzen.

Drei zusammenhängende Geschichten. Die erste und längste spielt auf den Philippinen und erzählt von einer Kinderbande, die auf dem Friedhof nächtigt und tagsüber auf der Müllhalde gebrauchte Gegenstände sammelt und verkauft, um sich ein minimales Grundeinkommen zu sichern. Das harte Leben dieser Kinder wird sehr berührend dargestellt, und am Ende hatte ich sogar Tränen in den Augen. Denn Schicksalsschläge und menschliche Dramen werden hier zwar kindgerecht umgesetzt, doch es ändert nichts an der Tragik und Trauer.

Die zweite Geschichte erzählt von einem kleinen Jungen in Vietnam, der als Schuhputzer seinen Lebensunterhalt verdient und sich in ein Mädchen verliebt, dem er ein ganz besonderes Geschenk machen möchte. Diese Geschichte ist etwas kürzer und zwar sehr bewegend, fesselt jedoch nicht ganz so stark wie die erste. Denn hier ist die Hauptfigur ein Straßenkind, und sich in dieses hineinzuversetzen fällt natürlich schwerer als in einen typischen Jungen der fünften Klasse, wie Koichi es in der ersten Geschichte ist.

Die letzte Gschichte spielt in Afghanistan und zeigt das Leben eines Kindersoldaten auf. Sie ist recht kurz, dennoch sehr ergreifend.

Zu den einzelnen Ländern gibt es jeweils eine Extraseite, welche das Land kurz beschreibt hinsichtlich Größe, Einwohnerzahl, Klima und andere Faktoren. Ich finde das sehr hilfreich und interessant, und im Kontext des Mangas wird Kindern auf diese Weise nebenbei Wissen vermittelt, ohne dass man mahnend den Zeigefinger heben oder sie mit trockenen Fakten langweilen würde.

Dem Autor gelingt es, ein sehr ernstes Thema auch für Kinder sehr gut zu beschreiben. Er erzählt keine künstliche Happy-End-Story, sondern schildert das dramatische Leben auf der Straße. Ich finde es eine gelungene Umsetzung, die ich absolut empfehlen kann. Die Geschichte ist packend, die Handlung wird pädagogisch sinnvoll erklärt, und auch über die betreffenden Länder gibt es (nicht nur für Kinder, sondern auch für erwachsene Leser) eine Menge zu lernen.

SaschaSalamander 21.09.2011, 15.27 | (0/0) Kommentare | PL

Secret Passions

minden_secret_1.JPGDas neueste Buch aus der Feder von Inka Loreen Minden heißt "Secret Passions" und ist wieder ein Gay Historical. Diesmal spielt es um 1850 und handelt - abgesehen von einer Liebesgeschichte zwischen zwei Männern natürlich - von einem Lord, der erpresst wird sowie von einem brutalen Serienmörder, der nachts in London sein Unwesen treibt. Ein schönes Setting, das von Jack the Ripper inspiriert sein könnte, mit dieser Geschichte jedoch rein gar nichts zu tun hat. Dafür ein Schauplatz mit jeder Menge viktorianischem Flair, "very British", genau mein Ding.


INHALT

Derek lebte als Kind auf der Straße, bis ein Inspektor ihn unter seine Fittiche nahm. Nun ermittelt er tagsüber beim Scotland Yard bezüglich des Maskenmörders, seine Nächte verbringt er gerne in einem angesehen Herrenclub, der hinter seiner Fassade ein Treffpunkt für homosexuelle Männer ist. Dort begegnet ihm ein junger Mann, zu dem er sich hingezogen fühlt.

Simon ist ein Lord aus reichem Hause, der erpresst und bedroht wird und Hilfe von Polizeiseite anfordert. Doch nachts wagt er seine ersten Schritten in den Herrenclub, streng darauf bedacht, seine Identität zu wahren. Er trifft auf einen geheimnisvollen Mann, der ihn sofort in seinen Bann zieht.

Am nächsten Tag trifft Derek auf Simons Anwesen an, um ihm zukünftig Personenschutz zu gewähren und in der Erpressung zu ermitteln. Noch wissen die beiden nicht, wer der Gegenüber im Herrenclub war, und wieder entsteht zwischen ihnen ein Band der Zuneigung, das sie sich als angesehene Männer der Gesellschaft jedoch nicht anmerken lassen dürfen. In der Zwischenzeit geschehen weitere Morde, und nur Derek weiß, dass die Opfer allesamt Besucher des Clubs waren ...

Mmh, ein Genuss! Die Autorin hat sich wieder viele neue Ideen einfallen lassen, um ihren Lesern spannende Unterhaltung darzubieten :-)


EROTIK

Klar, Liebe ist Liebe, wie soll man das immer wieder neu verpacken. Man kann das Rad nicht ständig neu erfinden. Trotzdem gelingt es Inka, jedes Mal neue Möglichkeiten auszureizen. Mal bringt sie softe SM Elemente ein, ein andermal ist es eher reiner Sex, dieses Mal darf sich der Leser auf Tantra und fantasievolle, sanfte Berührungen mit und ohne Hilfsmittel freuen. Dennoch ist es keineswegs nur "kuschlig", sondern die Männer lassen sich gehen, und einmal wird Derek von seinen Emotionen gepackt und geht sogar fast zu weit. Von den bisher gelesenen Büchern von ihr fand ich persönlich dieses hier am intensivsten, konnte ich die Verbindung zwischen den beiden Protagonisten am besten spüren.

Dies liegt vor allem daran, wie gut sich die Geschichte entwickelt und wie gut die Anziehung zwischen beiden erklärt und auch in die Handlung verpackt wird. Zu Beginn musste ich noch etwas schmunzeln, weil ich es recht typisch fand: klar, man trägt eine Maske, und schon wird man nicht erkannt! Andererseits, es ist dunkel, und Inka beschreibt nachvollziehbar, wie man wirklich nur Schemen erkennt, nicht einmal die Augen des Gegenüber richtig sehen kann. Da ist es dann verzeihlich und sogar verständlich, wenn sie sich anfangs nicht erkennen ;-)

Außerdem beweist Inka, dass Dominanz keine Macht sein muss, keine lauten Befehle, sondern dass es auch leise geschehen kann, alleine durch Gesten und Handlungen. Man spürt als Leser regelrecht die machtvolle Ausstrahlung Dereks, ohne dass er ein Wort sagen muss. Die Perspektive wechselt sehr oft zwischen den zwei Protagonisten, sodass der Leser sich recht gut in beide hineinversetzen kann.


HANDLUNG, HISTORISCHER ASPEKT

Die Handlung besteht aus den zwei Hauptsträngen der Erpressung und des Maskenmörders. Ob dies ein und derselbe Täter oder zwei verschiedene Aspekte sind, ist eine Frage, die der Leser sich bis kurz vor Ende stellen wird und welche die Spannung des Buches aufrecht erhält. Neben diesen beiden Themen gibt es noch viele kleine Nebenplots, von denen manche im Laufe des Buches eine große Bedeutung erhalten werden und andere nur so nebenbei laufen aber doch alle zum Ende aufgelöst werden. So gibt es zum Beispiel das seltsame Verhalten von James (Simons langjähriger Freund), die schwer in eine Heirat zu vermittelnde Schwester, der getötete Mr. Tipps, den Tod von Simons Familie durch einen ungeklärten Brand, eine ehemalige Verlobte und deren neuer Ehegatte, Dereks geheimnisvolle Vergangenheit, Simons Bruder Benjamin, ein anonymer Brief für Simon mit der Adresse des Herrenclubs, Dereks Freunde aus Kindertagen, ein Schuss aus dem Hinterhalt. Und natürlich das Problem, dass Derek zu Beginn seiner Ermittlungen von Simons Identität im Herrenclub erfährt und nun vor der komplizierten Situation steht, dass er Privatleben und Arbeit trennen muss ...

Etwas, das die Sache besonders spannend macht: durch die wechselnde Perspektive erfährt der Leser beide Seiten und hat dadurch immer ein bisschen mehr Ahnung als die Akteure. Während Simon noch rätselt, was seine Schwester wohl vor ihm verbergen mag, hat Derek dies bereits in Erfahrung gebracht. Das lässt den Leser verschmitzt lächeln, ohne ihm jedoch die Spannung vorwegzunehmen. Denn die Hauptthemen bleiben ungeklärt, und alles, was man aktuell erfährt, könnte bereits ein neuer Hinweis sein. Obwohl man aufgrund des Genres und der Autorin weiß, dass das Buch ein Happy End haben wird, bangt man in jeder gefahrvollen Situation auf deren Ausgang.

Für einen normalen Roman ist das Buch mit rund 280 Seiten nicht gerade dick, aber doch ist sehr viel Handlung hineingepackt. Inka gelingt es, sehr viel Geschehen in nur ganz wenige Worte zu packen. Sie vermittelt dem Leser klare Bilder, sodass sich die Atmosphäre dicht und lebendig anfühlt. Die Regel "Show, don´t tell" ist etwas, das sie meisterhaft beherrscht: sie vermeidet unnötige Worte, indem sie anhand von Gesten und Gedanken wie nebenbei komplexe Zusammenhänge darstellt.

Aufgrund der gerafften Handlung, der vielen Nebenplots und sehr vielen Personen muss man schon recht genau lesen, um den Überblick zu wahren, was ich für das Genre Erotik als großes Kompliment sehe und wohl der beste Beweis ist, dass Erotik und Handlung sehr wohl Hand in Hand gehen können. Ich gebe zu, dass ich anfangs etwas zu gierig auf die Story war und daher ein, zwei Hinweise überlesen habe, auf die später wieder Bezug genommen wurde. Vielleicht hätte ich mit diesen Hinweise schon etwas früher erahnen können, wer hinter der Erpressung und den Morden steckt, vielleicht hätte Inka mich dennoch in die Irre geführt. Auf jeden Fall webt sie sehr geschickt die Morde und die Erotik ineinander, sodass die Grenzen oft verschwimmen.

Auch die Zeit des alten England wird realistisch und detailliert geschildert. Wie oben erwähnt, benötigt sie dafür keine Handlung, sondern es gibt viele kleine Andeutungen, die alles lebendig werden lassen. Eingestreute Hinweise auf die neuen Automobile, auf das Ritual des Duellierens, die Versiegelung von Briefen, solche Kleinigkeiten verleihen der Story Flair und gefühlte Tiefe. Die Wortwahl trägt ihren Teil dazu bei, indem sie von Peelern, Blaustrümpfen, dem "Ton" und anderen Dingen erzählt, die damals übliche Begriffe waren. Für mich bot das einigen Anlass, selbst einmal bei Wikipedia und anderen Quellen nachzuforschen, ob das damals wirklich so war, was hinter der Bezeichnung steckte und wie manche Dinge gehandhabt wurden im Altag.

Die Autorin hat am Ende des Buches sogar ein Nachwort geschrieben, in welchem sie dieses Mal auf die Recherche eingeht und beschreibt, wie sie großen Wert auf detailgetreue Beschreibung einzelner Dinge Wert legte und bis zu letzt immer wieder ihren Text infrage stellte und nachprüfte, ob dies damals wirklich so war (z.B. auf welche Weise Wunden versorgt wurden). Dies bezieht sich sogar bis hin zu Redewendungen, die heute üblich sind aber in der damaligen Zeit nicht existierten und somit störende Anachronismen für den kundigen Leser darstellen würden.

Die Sprache ist in den erotischen Szenen wie ihre bisherigen Bücher, daher diesmal keine ausführliche Beschreibung, sondern eine kurze Erwähnung: Inka schreibt flüssig, sodass man nicht über allzu blumenreiche oder vulgäre Begriffe stößt. Sexualität ist etwas Natürliches, und so wird es auch geschildert, die Szenen sind anregend und gefühlvoll.

Was mich sehr freut: Inka liegen die Protagonisten all ihrer Bücher am Herz, sie haben ein Eigenleben, und so bekommen sie gelegentlich auch Cameo-Auftritte in anderen Titeln. In SECRET PASSIONS dürfen sich die Leser freuen, dem Adligen und seinem Stallburschen aus TEMPTATIONS zu begenen ;-)


FAZIT

Wieder einmal hat die Autorin sich selbst übertroffen. Von Buch zu Buch wird ihr Stil besser, werden die Protagonisten ein Stück lebendiger, wird die Handlung bildlicher, der Sex heißer. SECRET PASSIONS ist ein hervorragender historischer Krimi mit jeder Menge Erotik. Für Neueinsteiger von Inka eine absolute Empfehlung, für Fans ein Muss!

SaschaSalamander 19.09.2011, 09.20 | (0/0) Kommentare | PL

Detektei Sonderberg und Co

Aus dem Hause Zaubermond erschien im März eine neue Hörspielreihe, auf die ich vor ein paar Tagen aufmerksam wurde: DETEKTEI SONDERBERG UND CO. Wie die Reihe sich entwickelt und wie es weitergeht, darüber kann ich noch nichts erzählen, aber die erste Folge machte einen hervorragenden Eindruck, daher möchte ich sie Euch nicht vorenthalten. Auch der Hörspielverlag Zaubermond ist nicht unbekannt, wenn es um Hörspielveröffentlichungen geht, stammen aus diesem Hause doch auch Dorian Hunter, Professor Zamorra, Macabros und andere bekannte Serien.

Offen gesagt war ich im ersten Moment irritiert, als ich die CD in den Händen hielt, denn sie unterscheidet sich doch sehr stark von dem, was ich sonst höre. Das Cover sind jeweils hübsche Zeichnungen, weniger spektakulär als vielmehr beschaulich, hübsch anzusehen, unterschiedliche Landschaften mit zwei Menschen davor, passend zur Zeit, in welcher die Handlung angesiedelt ist: Düsseldorf im Jahre 1885. Und hier wurde ich skeptisch. Ich bin offen für alles, ob nun Zombies, Thriller, Sci-Fi, Dämonen, Landhauskrimi, viktorianisch, gegenwärtig, dystopisch, britisch, amerikanisch, deutsch, schwedisch oder was auch immer. Aber Düsseldorf im Jahre 1885, Zeit der Industrialisierung? Ob das genügend Hintergrund für ein packendes Hörspiel liefern kann?

Kann es! Ein sehr ungewöhnlicher Krimi, der sich überraschend positiv aus der Masse abhebt. Aber zuerst einmal zur Handlung:

Dr. Friedrich Sonderberg hat ein ungewöhnliches Hobby, er sammelt Schmetterlinge. Und er ermittelt gerne. Im Schlosshof des Jägerhofes findet er eine Mädchenleiche, und seine Neugier ist geweckt, teils weil er nicht an einen Unfall glaubt, teils wegen der bei der Leiche befindlichen Seidenraupen, die an diesem Ort eigentlich nicht vorkommen dürften. Bald soll auf dem Schloss Jägerhof eine große Feier stattfinden, eine Verlobung steht an, doch die Ermittlungen sind Dr. Sonderberg wichtiger. Gemeinsam mit seiner Dienstbotin Minnie Cogner macht er sich daran, den Fall zu lösen.

Durchaus sehr ungewöhnlich, aber äußerst angenehm, und ich freue mich auf die Fortsetzungen, vier Folgen gibt es bereits. Keine Action, keine Verfolgungsjagd, keine lauten Effekte, keine Schreie, kein "in letzter Sekunde", keine Todesgefahr. Dafür saubere Recherche der beiden Protagonisten, intelligente und wohldurchdachte Dialoge, eine clevere Geschichte und ein interessanter Hintergrund. Gemütlich wird die Handlung von den Charakteren getragen, die Geräusche sind fast schon idyllisch stellenweise (Vogelgezwitscher etc), auch die Nebengeräusche wie Teller, Schritte, raschelnde Kleidung, Kutschen, schwirrende Bienen etc sehr passend, sodass man sie kaum mitbekommt.Die Musik ist still und vermittelt ein sehr gutes Gefühl für die Szenerie, stellenweise meinte ich nahezu einen Film vor mir zu sehen in all seinen Details.

Gespannt bin ich in den späteren Folgen auf weitere Methoden des Dr. Denn damals gab es natürlich noch keine Handies, DNA-Analysen und andere modernen Möglichkeiten, sodass er sich auf sein Allgemeinwissen, seine Kombinationsngabe verlassen muss und damals so moderne Ideen wie etwa Pulver zur Feststellung eines Fingerabdruckes anwendet und zu verbessern versucht.

Die Nebencharaktere wurden sehr gut ausgearbeitet, die Protagonisten sind beide durchweg sympathisch. Dr. Sonderberg ist mal kein schrulliger Kauz sondern einfach ein normaler Mann, der gerne ermittelt, ich bin gespannt, wie weit man seinen Charakter in den weiteren Folgen ausbauen wird. Und Minnie ist wirklich klasse, eine gewitzte Dienstbotin, die für ihre Zeit bereits sehr emanzipiert ist und sich doch schicklich der Gesellschaft einfügt, da sie auf diese Weise am meisten erreichen kann, auch wenn sie dafür manchmal in die Trickkiste greifen muss. Sie ist selbstbewusst und markant, die Stimme dazu wurde perfekt gewählt: Regina Lemnitz, die man neben vielen anderen bekannten Rollen vor allem als Whoopie Goldberg im Ohr hat, womit man gleich die pfiffige, gezwungen angepasste und dahinter doch rebellische, kreative Person assoziiert, die sie auch hier darstellen soll.

Weitere Stimmen, die meinen Googlerecherchen zufolge als SChauspieler und Sprecherrecht bekannt sein dürften, über die ich persönlich jedoch nichts sagen kann, da ich sie selbst noch nicht allzu oft gehört habe, sind unter anderem Andreas Mannkopff, Douglas Welbat, Eckart Dux, Dagmar Dreke, Jan-Gregor Kremp und andere, die ihre Sache alle sehr gut gemacht haben. Man hört, dass sie vom Fach sind und schon oft vor dem Mikrofon gestanden haben, alles klingt sehr natürlich.

Eine Reihe, die ich auch Leuten empfehlen kann, die bisher wenig Hörspielerfahrung haben und dieses Medium eher für seichte Unterhaltung oder gar Kinderkram halten. DETEKTEI SONDERBERG UND CO hat die Qualität eines Krimis, den man sich am Sonntagabend gemütlich zum Ausklang des Wochenendes ansieht. Unterhaltsam, spannend und niveauvoll. Hoffentlich wird Zaubermond noch viele weitere Folgen dieser Serie produzieren.


SaschaSalamander 13.09.2011, 08.11 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL

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