SaschaSalamander

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Die Verratenen

Ria ist Teil eines Systems in den Sphären, und sie ist gut, gehört zu den Besten, ihre Zukunft sieht positiv aus. Doch dann belauscht sie ein Gespräch, in welchem jemand sie und ihren besten Freund sowie einige weiteren Studenten der Verschwörung bezichtigt und sie zu töten plant. Und dann wird plötzlich all ihnen das Privileg zuteil, den Anführer persönlich zu treffen. Doch Ria ist klar, dass das ein Trick ist, um sie alle zu töten. Sie fliehen und verlassen das System, treffen auf einen primitiven Clan und müssen erfahren, dass alles, was sie bisher für wahr und richtig hielten, eine große Lüge war. Und dann erfährt sie, dass einer unter ihnen ein Verräter sein soll. Wem soll sie nun trauen, wie soll es weitergehen?

Dystopien gibt es derzeit wie Sand am Meer. Von Trilogien ganz zu schweigen. Als es neu war, habe ich mich daraufgestürzt, inzwischen verdrehe ich genervt die Augen und sehe mir meistens nicht einmal mehr an, worum es überhaupt geht. Dies hier war eine Ausnahme, denn von der Autorin Poznanski habe ich bisher nur beste Unterhaltung gelesen: >EREBOS<, >SAECULUM<, >FÜNF<. Mit der Dystopie DIE VERRATENEN wagt sie sich in ein für sie neues Genre, und ich war neugierig auf die Umsetzung. 

Offen gesagt hatte ich wenig Hoffnung, einfach weil die Titel sich alle zusehr ähneln, und weil meistens noch irgendeine Romanze dazugepackt wird, am besten noch das Dilemma dass die Prota sich zwischen zweien entscheiden muss, alles rappelvoll mit wilder Action, die Welt eher Mittel zum Zweck der Story als wirklich gut ausgefeilt. Aber es gibt gelegentlich Ausnahmen, und Poznanski zählt definitiv dazu. Der Roman gehört zu den wenigen, die tatsächlich mit eigenen Ideen aufwarten können und mir gezeigt hat, warum ich dieses Genre damals so gerne gelesen habe. (Wie gesagt: "eigene" Ideen. Neu sind sie nicht unbedingt, dazu ist die Jugenddystopie inzwischen zu breitgetreten. Aber etwas Neues habe ich auch nicht erwartet).

Die Handlung wird erzählt aus der Sicht Rias. Der Leser / Hörer weiß nur, was auch sie weiß, sodass viele Fragen ungeklärt bleiben. Mag sein, dass manche vielleicht den Verräter ahnten, ich jedoch kam nicht darauf. Denn Ria ist recht intelligent, und dies spiegelt sich in dem Buch wieder, ihre Gedankengänge sind vernünftig und in sich schlüssig, sie beobachtet ihre Welt sehr aufmerksam, trotzdem bleibt Ihr manches verborgen. Mir war sie sehr sympathisch, ich konnte mich hervorragend in sie hineinversetzen. Dem Erzählstil entsprechend werden die anderen Charaktere aus ihrer Sicht beschrieben, sodass sie weniger intensiv dargestellt werden können. Dennoch bekommen auch sie jeweils Eigenheiten, Persönlichkeitsmerkmale, man kann sie sehr gut unterscheiden und weiß immer sofort, wen man vor sich hat, trotz der vielen Charaktere kam es für mich niemals zu Verwechslungen (was ungewöhnlich ist, bin echt gut darin, Namen ständig durcheinanderzubringen). 

Es gelingt Poznanski, die zukünftige Welt ausführlich zu beschreiben. Erklärungen erspart sie dem Leser, dafür beschreibt sie die Dinge wie nebenbei so geschickt, dass sich aus der Handlung und dem Verhalten bereits der Sinn ergibt und die Dinge sich von selbst erklären. Sie hat sich vor dem Schreiben wohl ein sehr gutes Konzept erdacht, sah die Sphäre und die Clans sehr genau vor sich und gibt dies nun durch Ria an uns weiter. Manche Fragen bleiben ungeklärt, allerdings scheint mir dies keine Lücke zu sein sondern wird vermutlich in den späteren Bänden erklärt. 

Ebenfalls gelungen finde ich, dass die Handlung nicht mit effekthascherischer Action vollgepackt ist. Wer DIE VERRATENEN liest, sollte auf jeden Fall ein wenig Geduld mitbringen. Es geschieht sehr viel, die Handlung ist dicht, dennoch verläuft es insgesamt eher ruhig, die Handlung entwickelt sich Schritt für Schritt, explizite Höhepunkte gibt es nicht wirklich, selbst tragische oder inhaltlich actionreiche Momente werden ruhig und behutsam erzählt. Langweilig wird es dabei dennoch nicht, denn die Beschreibung des Lebens im Clan, die Kontakte der Jugendlichen untereinander, Rias ausführliche Gedankengänge, all das vermittelt ein spannendes Bild und lässt den Leser inniger und vor allem nachhaltiger mitempfinden.

Julia Nachtmann als Sprecherin ist zwar bekannt, ich selbst kann mich jedoch nicht erinnern, schon etwas von ihr gehört zu haben. Es war meine erste bewusste Begegnung mit ihr. Anfangs fiel es mir recht schwer, denn sie spricht sehr still, zwar nicht monoton aber mit wenig Auf- und Ab, wenig Emotion. Ich weiß nicht, ob es dem zu lesenden Text geschuldet war oder ob dies ihr natürlicher Stil ist. Es passt sehr gut zusammen, allerdings führt das gelegentlich doch dazu, dass man sich als Hörer gelegentlich in Gedanken verliert, vom Buch abdriftet. Es gelingt ihr nur schwer, den Hörer "zurückzuholen" mit ihrer Stimme. Doch, wie gesagt, sie passt sehr gut zur Person der Ria, und ihr Vortrag ist abgesehen von ein paar fehlenden Melodien angenehm. In den wenigen Szenen, die doch von Aufregung, Gefahr oder starker Emotion geprägt waren, hätte ich mir dennoch etwas mehr Beteiligung gewünscht.

Ich freue mich schon sehr auf den zweiten Band und bin gespannt, wie es für Ria und ihre Freunde weitergehen wird. Die Ausgangssituation hat sich nun grundlegend geändert, wodurch es ermöglicht wird, mit den bisherigen Charakteren ein in seiner Art völlig neues Buch zu schreiben, das den Leser mit anderen Konflikten konfrontiert als der erste Band. Also keine billige Fortsetzung der Verkaufszahlen wegen, sondern tatsächlich eine in mehreren Etappen zu erzählende Geschichte. Ich hoffe, dass der zweite Band mich ebenso fesseln wird wie der erste. Aber bei Poznanski habe ich da wenig Bedenken ;-)

SaschaSalamander 28.08.2013, 08.39 | (0/0) Kommentare | PL

Alice vs Wunderland

Bevor in den nächsten Tagen die Rezension folgt, hier schon ein paar erste Zitate. Voller Wortwitz, Sprachspiel, Hintersinn und herrlich schräger Logik :-)

Ronny versuchte, seinem Lächeln etwas mehr Mundwinkel zu geben. (S. 7)

Nach dem Verschwinden ihrer Tochter hatte Mrs Liddel sich, bevor sie den Tisch deckte, zwei Sherry lang Sorgen gemacht. (S. 25)

Dahinter fand sie nun in einem wohl irgendwie hochherrschaftlichen Zimmer die Herzogin. Die war vor allem daran zu erkennen, dass sie so aussah, wie Herzoginnen es gewöhnlich tun. Nämlich außerordentlich aristokrös. In ihrem Arm [...] eine dicke rote Katze mit Brille, von hochherzoglicher Hand halbherzig gekrault. (S. 46 f)

"Dort, wo ich herkomme, was die Gegend um Cheshire ist, wo vor allem Anwälte wohnen, kennt man sich aus mit Verträgen". - "Und warum grinst Du die ganze Zeit?" - "Na, eben WEIL ich mich mit Verträgen auskenne". (S. 61)

"Möchten das Fräulein vielleicht ein Glas Wein?" [...] "Aber hier ist doch gar kein Wein" - "Hier ist ja auch kein Platz. Aber Du hast ihn Dir ja trotzdem genommen. Also schenk Dir ruhig ein Glas Wein ein." (S. 65)

"Den wievielten haben wir heute eigentlich?" [...] "Wenn Du es genau wissen willst, es ist der Tag, an dem mein Freund mich verlassen hat." - "Oh, schon? Na, da kannst Du mal sehen, da geht meine Uhr doch tatsächlich zwei Tage nach". (S. 67)

aus: Christian von Aster: Alice vs Wunderland; Edition Unbuch 2013



SaschaSalamander 27.08.2013, 14.29 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL

Bento von DTAiko für mich

Diesmal habe ich haufenweise Bilder hochgeladen, die alle mit Brot sind. Bin nicht so der Brot-Fan, aber manchmal habe ich trotzdem Appettit. Und weil Brot sich ja optimal anbietet, es in den unterschiedlichsten Varianten zu präsentieren (hauptsache nicht normal, keine Stulle, die mag ich nicht), gibt es die nächsten Tage nun haufenweise Brotbentos :-)

Heute fange ich an mit einem Bento, das DTAiko für mich gezaubert hat. Sein allererstes Bento, das er jemals gemacht hat. Und ich finde, es ist wirklich hübsch geworden. Brot mit Brunch und Kräutern. Dazu Spieße mit Tomate, Gurke und Käse. 

Es wird doppelt so gut schmecken wie die, die ich sonst mache. Bin richtig happy, das erste Mal, dass nicht ich für andere gewerkelt habe sondern jemand für mich :-)


SaschaSalamander 27.08.2013, 08.42 | (0/0) Kommentare | PL

Nashville oder das Wolfsspiel

Svenja studiert Medizin in Tübingen. Beim Einzug in ihre neue Wohnung findet sie einen Jungen im Küchenschrank. Er macht einen Kopfstand, ist stumm und verhält sich sehr ungewöhnlich, bekommt gelegentlich Panikattacken und verschwindet nachts heimlich. Aber er bleibt erst einmal bei Svenja wohnen, sie gibt ihm nach dem Aufdruck auf seinem Shirt den Namen Nashville. Bald findet man in der Stadt eine Tote, sie war obdachlos, und Nashville scheint sie zu kennen. Er kennt auch weitere Obdachlose in der Stadt, und weitere Tote werden folgen ... 

Ich möchte nicht zuviel über den Inhalt verraten. Da das Gewicht sehr stark auf Atmosphäre und Erzählweise liegt und die Handlung nur ein Teil des Ganzen ist, würde alles Weitere zu weit vorgreifen. Allerdings denke ich, dass die Handlung dennoch relativ vorhersehbar ist, für erfahrene Leser bieten sich wenige Überraschungen. Doch die sind es auch nicht, auf die es hier ankommt. 

Worauf es bei Antonia Michaelis ankommt, das ist die Melancholie, die in ihren Worten schwingt. Das ist die dichte Atmosphäre, die man beim Lesen empfindet, nur selten kann ich so tief in die Welt eines Buches abtauchen wie bei ihr. Die Sätze sind kurz und prägnant, kein Wort für den Inhalt zuviel. Dafür umso verschwenderischer in der Beschreibung von Gefühlen, Farben, Stimmungen, Gedanken und Eindrücken. Man verliert sich in einem kunterbunten Gewirr aus Gedankenfetzen, bis man selbst ein Teil der Gedankenwelt Svenjas und ihrer Freunde ist. 

Was bei Michaelis sonst ungesagt ist, spricht sie hier ganz deutlich aus: "auf dem Kopf", "verkehrt herum" und "zwischen den Zeilen". Das sind Begriffe, die sie immer wieder in verschiedenen Situationen verwendet, und diese Begriffe beschreiben einen Großteil ihrer Werke besser, als jeder Kritiker dies jemals tun könnte. Daher möchte ich mir weitere Erklärungen hierzu auch sparen ;-)

Ich mag es, wie die Autorin Spannung erzeugt, obwohl nur wenig passiert. Langsam, gemütlich und ruhig erzählend liest man von Mord, Obdachlosigkeit, Panikattacken. Aber auch von unerfüllbaren Idealen, zerplatzten Träumen, fremdgesteuerte Lebensplanung und Hilflosigkeit. Alle Themen werden sensibel geschildert, und es wird nachvollziehbar, wie auch völlig normale Menschen plötzlich obdachlos unter der Brücke schlafen, es könnte vielleicht jedem von uns passieren. Trotz der Dramatik ist das Buch auf seine Weise bunt, lebensfroh und sympathisch, ebenso wie die Charaktere, die sich immer wieder aufraffen und trotz der Widrigkeiten ihren Weg gehen. 

Charakterbeschreibungen sind eine große Stärke der Autorin. Oft lese ich, dass ihre Figuren unrealistisch seien, aber dem möchte ich widersprechen. Ja, sie verhalten sich ungewöhnlich, und ja sie handeln anders als viele Menschen es tun würden. Aber ich denke, sie handeln so, dass vor allem introvertierte Menschen sich sehr stark darin wiederfinden werden. Das unsinnige Handeln spiegelt die Unsinnigkeit des Lebens. Was man gerne tun würde widerspricht dem, was man eigentlich tun sollte, und um beidem gerecht zu werden, tun die Charaktere dann etwas ganz anderes, das am Ende als unbrauchbarer Anpassungsversuch scheitert. Genau das macht die Protagonisten für mich so sympathisch. Den Zugfütterer, den Idealisten, den Chaoten, den Jungen "zwischen den Zeilen", die perfekte Tochter, die Frau mit der Gitarre, den italienische Kater und all die anderen Originale. Sie sind mir ans Herz gewachsen wir es Romanfiguren sonst nur selten gelingt ... 

Da die Charaktere oft falsch (aber auch nachvollziehbar) handeln, stellen sich sehr viele moralischen und ethischen Fragen, die den Leser zum Nachdenken animieren. Oft habe ich mich gefragt, wie ich handeln würde, und ich fand keine Antwort. Es gibt Dinge, auf die gibt es keine Antwort. Und eine der wichtigsten Fragen des Buches lautet: "Was ist wichtiger - individuelle Freiheit oder eine Chance, am Leben zu bleiben?". Hand aufs Herz - was würdest Du antworten?

NASHVILLE ODER DAS WOLFSSPIEL wird angepriesen als Thriller. Gut, es geht auch um Morde und deren Aufklärung, und es gibt vereinzelt düstere Momente. Trotzdem möchte ich das Buch nur ungern als Thriller bezeichnen. Michaelis bewegt sich gerne außerhalb jeglicher Schubladen und Grenzen, sie schreibt Bücher fernab des definierbaren Mainstreams, daher ist es auch nicht möglich, es irgendwo konkret einzusortieren. Für den Handel leider ein Ding der Unmöglichkeit. Für die Leser aber hoffentlich ein Anreiz, so richtig neugierig zu werden ;-)

Zum Abschluss kann ich nur sagen, NASHVILLE hat mich begeistert. Obwohl es ein sehr ernstes Buch ist, fühlte ich mich nach dem Lesen froh, hoffnungsvoll. Ein Buch für alle, die gerne verkehrt herum denken, die Realität auf den Kopf stellen und zwischen den Zeilen lesen ...


SaschaSalamander 26.08.2013, 08.39 | (0/0) Kommentare | PL

Statistik KW 34

GELESEN / GEHÖRT
1 - Nashville (A Michaelis)
1 - Porterville 11 - Der Hudson-Code (R Weber)
2 - Die Verratenen (U Poznanski)
2 - Eine tuwinisische Geschichte (G Tschinag)
2 - Homosexualität bei den Simpsons (E i h Panhuis) 
2 - Geschichten, die der Seele gut tun (J Kornfield, C Feldmann)
3 - Wir beide (M Morinaga)


GESEHEN
1 - Dr Who Movie
1 - Heute weiß es jeder
2 - Dr Who Staffel Staffel 3
2 - Sponge Bob Staffel 1
2 - Twin Peaks Staffel 2


NEUZUGÄNGE
Die Simpsons Staffel 11
Wolfsgarten (A Michaelis)
Geschichte machen (S Fry)
Eat the Rich (DVD)
Kapuzenmann (K-P Wolf)
1 - Porterville 11 - Der Hudson-Code (R Weber)
Lady Bedfort 66 - die Providence-Verschwörung (Hörplanet)
Lady Bedfort 67 - Die verschl Kammer (Hörplanet)


ANMERKUNGEN:
1 - komplett
2 - teilweise
3 - abgebrochen

SaschaSalamander 25.08.2013, 21.04 | (0/0) Kommentare | PL

Nylon 01 - Gewagtes Spiel

Und wieder ein Werk von Nora Schwarz. Während der >LESSONS IN LACK< begegnete ich ihr zum ersten Mal, traf sie bei >STERBEN DER BILDER< wieder. Mit diesen beiden Werken beweist sie ihre Flexibilität in verschiedenen Genres, und obwohl sie unterschiedlicher kaum sein konnten, hatten sie mich beide beeindruckt. Umso mehr freute ich mich nun auf die angekündigten Novellen: NYLON, Teil 1-6, wie sie nacheinander nun erscheinen. In kurzen Geschichten erzählt sie hierbei von der Faszination dieses ganz besonderen Beinkleides. Diese Novellen liegen der Autorin besonders am Herzen, denn sie selbst liebt Nylons, und diese sinnlichen Momente in all ihrer Leidenschaft möchte sie nun mit den Lesern teilen.

Die erste Geschichte spielt im Deutschland der Nachkriegszeit: Greta wird bei einer Razzia auf dem Schwarzmarkt festgenommen. Der Polizist, der ihr bei der Vernehmung gegenübersteht, stellt eine ungewöhnliche Bedingung, um sie nicht zu verraten und dadurch ihre Arbeit und ihr unbescholtenes Leben zu gefährden. Wie weit ist Greta bereit für ihre teuer erkauften Strümpfe zu gehen?

Tja, und nun habe ich ein Problem: all meine Notizen hinsichtlich Sprache, Aufbau, Erotik, Charaktere und Umsetzung würden ausgeschrieben beinahe so ausführlich werden wie die Geschichte selbst. So wenige Seiten Story, und so randvoll mit Eindrücken und Erlebnissen. Ich werde mir viele meiner Gedanken aufheben müssen für die anderen Teile der Reihe. Und es wird nicht leicht, mich hier kurzzufassen und die wesentlichen Punkte herauszuarbeiten ;-)

Vorab ist zu erwähnen: wenn ich ein Buch bewusst genieße, dann tue ich dies gerne im Lesesessel, dazu Essen und Getränk. Je nach Buch kann das alles mögliche sein, von Gummibärchen über gesalzene Nüsse, von heißem Kakao über Tee oder Irish Coffee. Aber ein Talisker und hauchfeine Schokolade, das gibt es nur für sehr wenige ausgewählte Titel. So auch hier, anders konnte ich mir den Genuss der Novelle nicht vorstellen, und ich wurde nicht enttäuscht.

Bereits in der ersten Szene beweist die Autorin ihr Fingerspitzengefühl für die Gratwanderung zwischen anmutiger, literarischer Sprache und einfach zu lesenden Texten. Der Leser wird sofort mitten in das Geschehen gezogen. Ohne speziell Dinge hervorzuheben, macht sie in Nebensätzen die damalige Zeit und ihre Gegebenheiten lebendig, die Recherche fließt wie selbstverständlich in den Text ein. Zichorien-Papier zum Schminken, keine Klingel um Strom zu sparen, Türen verheizen mangels Brennholz und viele weiteren kleinen Dinge lassen mich in die Geschichte tauchen und alles um mich herum vergessen.

Das Setting ist sehr schön gewählt: ein Mörder soll gefasst werden, und Greta rückt mit ihren Schwarzmarktaktivitäten in das Visier des Ermittlers. Obwohl der Hintergrund so atmosphärisch dicht gewebt ist, bleibt dies dennoch Mittel zum Zweck der Begegnung (nichtsdestotrotz ein wunderbares Mittel, auf das man keinesfalls verzichten darf, wird die Erotik durch das Setting und die Umgebung doch immens angefacht). Daher empfand ich das etwas abrupte Ende nicht als enttäuschend, sondern vielmehr als Möglichkeit, meine Phantasie weiter auf Reisen zu schicken und mir vorzustellen, wie die beiden nun gemeinsam auf die Jagd gehen werden.

GEWAGTES SPIEL ist ein astreines Kammerspiel zwischen Greta und dem Polizisten. Das ist besonders riskant, da alles Augenmerk auf den Protagonisten liegt und jeder kleine Ausrutscher sofort bemerkt würde. Doch alles ist stimmig, fügt sich wie Zahnräder perfekt ineinander. Besonders erwähnenswert: trotz der wenigen Seiten gelingt es Nora Schwarz, die beiden eine eindrucksvolle Entwicklung durchlaufen zu lassen, die glaubwürdig und vor allem nachvollziehbar beinahe wie von selbst verläuft.

Was mir an dem erotischen Aspekt hier besonders gut gefällt: die Grenzen zwischen den Rollen verschwimmen. Ist es anfangs noch der Polizist, der die Fäden in der Hand hält, übernimmt die Frau immer mehr die Führung. Er bestimmt die Regeln, er hat ihre Zukunft in der Hand, er bestimmt das Spiel. Doch sie weiß ihn zu führen, seine Lust zu wecken und das Tier in ihm zu reizen, seine Kontrolle ins Wanken zu bringen. Wer hat hier wen in seiner Kontrolle, wer ist Top, wer ist Sub, oder ist das am Ende nicht sogar völlig egal? Ist es nicht die Leidenschaft, die zählt, das Verlangen nach Nylon, Anmut und Ästhetik? Die Lust auf ein wenig Abwechslung und Schönheit in einer grauen, kalten, lieblosen Zeit der Ruinen, des Mangels im Angesicht des Verlustes und der erlittenen Gewalt?

Auch die Faszination Nylon wird hier sehr explizit ausgelebt. Ich gebe zu, dass ich erstaunt war, wie gut sich dieses Thema einbinden lässt, nicht nur mit wenigen Sätzen sondern als Hauptbestandteil einer eigenen Geschichte. Und umso mehr bin ich gespannt, was sie nun in den anderen fünf Novellen mit uns teilen wird, kann es kaum erwarten und würde am liebsten sofort weiterlesen! Doch wie Whiskey und Schokolade sind diese Geschichten nichts, das man gedankenlos verschlingt, sondern schlückchenweise, blockweise genießt. Also werde ich mich ein wenig gedulden, bevor es weitergeht, den besonderen Moment umso intensiver auskosten.

Was die Sprache betrifft, gibt ja immer wieder einmal Bücher, in denen ich einzelne Sätze zitieren möchte. Diese Bücher fallen meistens unter die Kategorie "Literatur" (wobei ich diesen Begriff nicht mag, da er abwertend gegenüber der oft großartigen und kunstvollen Belletristik konnotiert wird). Und hier hatte ich oftmals das Bedürnis, Passagen hervorzuheben, laut zu lesen, sie zusammen mit dem herben Whisky und der zartbitteren Schokolade auf der Zunge zergehen zu lassen. Wenn ich wieder einmal verärgert lesen muss, dass moderne Erotik "keine Literatur" sei, dann zücke ich den Kindle und zitiere Nora Schwarz!

Bleibt nur noch zu sagen, dass GEWAGTES SPIEL ein gelungener Einstieg in die Reihe ist. Sosehr, wie der erste Teil mich begeisterte, habe ich fast ein wenig Angst, dass es besser gar nicht werden kann. Aber so, wie ich Nora Schwarz kenne, hat sie wohl noch einiges zu bieten, und ich verlasse mich ganz auf ihre Erzählkunst ;-)


SaschaSalamander 23.08.2013, 08.44 | (0/0) Kommentare | PL

Lexikon des bürokratischen Wahnsinns

Kürzlich las ich >MIT EINEM BEIN IM KNAST<. Nette Lektüre, unterhaltsam, aber in manchen Punkten leider auch etwas enttäuschend, da zuviel Selbstdarstellung und zu wenig sachliche Fakten. Ich hatte mir einfach etwas anderes davon versprochen. Dann stieß ich kürzlich auf DAS LEXIKON DES BÜROKRATISCHEN WAHNSINNS. Und das hielt dann auch, was der Klappentext versprach und was ich eigentlich von dem anderen Buch erwartet hatte. 

Das Buch schildert alphabetisch sortiert verschiedene Vorschriften und Gesetze, deren unzähligen Bestimmungen ziemlich wirre Blüten treiben. Doch der Autor ist realistisch: würden alle in Frieden leben und sich nicht an Kleinigkeiten stören, dann gäbe es auch kein Gesetz, welches vorschreibt wann ein Hund wie laut bellen darf und wie viele cm der Baum des Nachbarn über den Gartenzaun ragen darf. Doch da es sowohl im Privatleben wie auch in der Wirtschaft und im Handel immer wieder zu Streiteren kommt, gibt es die seltsamsten und vor allem kompliziertesten Verordnungen. 

Je nachdem, wo der Leser beruflich und privat anzutreffen ist, hatte er bereits mit einigen der geschilderten Situationen zu tun. So kann ich zum Beispiel nur den Kopf schütteln über den Bologna-Prozess, welcher das Studium international vereinfachen soll, im Grunde aber nur national zu Nachteilen und Verwirrung führt. Auch die Arbeitslosenstatistik ist ein ziemlich trauriger Punkt. Künstlersozialabgabe, da kann man nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen!

Eltern werden schon mit dem Kinderausweis zu kämpfen gehabt haben, wie soll man für ein Baby ein biometrisches Foto anfertigen oder eine feste Größe eintragen? Und seid Ihr auch schon durch die Läden geflitzt und habt seit Umstellung auf Stromsparlampen verzweifelt nach einer passenden Glühbirne gesucht? Ärgert Ihr Euch auch stets aufs Neue über die Zeitumstellung? 

Mit einfachen Worten gelingt es dem Autor, komplizierte Gesetze so zu beschreiben, dass all der Wahnsinn begreiflich wird. Man möchte nur noch weinen, schreien und sagen "werdet endlich vernünftig!". Aber immerhin, jetzt weiß ich wenigstens, warum bei Medikamenten für Männer Hinweise auf die Stillzeit zu finden sind und bei Medikamenten für Babies erwähnt wird, dass sie keine schweren Maschinen führen dürfen. Auch weiß ich jetzt, warum die Gurken im Handel noch immer gerade sind, obwohl sie eigentlich wieder gebogen sein dürften. Und warum es wichtig ist, dass die Bundeswehr sich um den Sonnenschutz ihrer Soldaten kümmert.

Ein Buch, das mir sehr gefallen hat und das ich absolut empfehlen kann: schnell und gut verständlich zu lesen, klar in einzelne Kapitel geglieder und ideal für einen kurzen Happen zwischendurch. Kein Buch zur Abschaffung der Bürokratie. Aber perfekt, um für ein wenig mehr Einfachheit im Behördenschungel zu plädieren. Schade nur, dass die Personen, die das Buch wohl am meisten betrifft, es nicht lesen werden ;-)

SaschaSalamander 22.08.2013, 08.44 | (0/0) Kommentare | PL

Nashville

Ach, ein Buch von Antonia Michaelis ist jedes Mal ein Genuss für alle Sinne. Nicht nur inhaltlich spannend, sondern auch sprachlich etwas Besonderes. Ich mag ihren lyrischen Umgang mit der Sprache, das Symbolische und Geheimnisvolle. Ein paar Sätze aus dem aktuellen Titel NASHVILLE gefällig? ;-) 

(leider ohne Angabe von Seitenzahlen, da ich das Ebook lese. Das Buch ist erschienen im Oetinger Verlag 2013)

- Die Schatten des ordentlichen schwäbischen Mobiliars wichen verschreckt zurück, als Svenja ihre Kräuterdosen neben den Herd [...] stellte.

- Sie öffnete die Tür des großen, alten Küchenschrankes. Im Küchenschrank stand ein Kind auf dem Kopf und sah sie von unten herauf an.

- [Das Kind] kroch ein wenig in sich selbst hinein, hörte jedoch nicht auf, sie anzustarren.

- Ihre Großmutter hatte immer gewusst, was zu tun war [...]. Und dann hatte sie eines Tages gewusst, dass es Zeit war zu sterben, und hatte sich hingelegt und das getan.

- Eine kohlrabischwarze Wolkenwand. Das gibt ein ordentliches Gewitter. Meine Mutter hat mal ein Kohlrabi über die ganzen Sommerferien im Kühlschrank liegen lassen, während wir verreist waren. Ich weiß, wovon ich rede. 

- Sie hatte den Blick einer melancholischen Nacktschnecke.

- Ich lasse meine Wäsche von meinen Großeltern waschen, denen mit dem schrägen Garten. Meine Großmutter setzt sich immer auf die Maschine und schreibt Tagebuch. Durch das Rütteln schreibt der Stift völlig eigene Sätze; die Bedeutung versteht sie erst oft nach Jahren.

- Der Nachmittag ging, der Abend kam. Meistens geschah es in dieser Reihenfolge.

SaschaSalamander 21.08.2013, 09.11 | (0/0) Kommentare | PL

Bento - in der Box und auf dem Teller

Heute mal ein Vergleich, wie das, was sonst in der Box ist, mengenmäßig auf dem Teller aussieht. Ich habe hier die >Unit Colors< verwendet. Die Box hat drei Fächer, jedes einzelne ist recht schmal. Mir gefällt diese Box, weil sie sehr dekorativ aussieht, und weil das Essen sich sehr schön in Kohlenhydrate, Grünzeug und Proteine einteilen lässt. Außerdem passt sie, schmal und hoch, wie sie ist, perfekt in die Handtasche. Nachteil ist im Gegenzug natürlich, dass man wenig mit zusätzlichem Dekomaterial arbeiten kann, weil sie so schmal ist, mir fällt das immer etwas schwerer. 

Ich habe sie hier recht ordentlich gepackt, auch wenn ich nicht "gestopft" habe. Die Nudeln hatten viel Luft dazwischen, und das >Tamagoyaki< (ein speziell zubereiteter Pfannkuchen) ließ seitlich auch noch einigen Platz, den ich nicht komplett füllen konnte. Auch die Tomaten und Gurken haben den Platz nicht komplett gefüllt. Es hätte also einiges mehr hineingepasst, wenn ich es darauf angelegt hätte.

 

Die Box fasst 650 ml, ist also mittlere Größe. Für kurze Tage habe ich kleinere (um die 350 bis 400 ml), für laaaange Tage größere (rund 1 Liter). Wenn man das Essen also lose hineinsteckt, dann kann man mit 650 ml gut eine Mittagsmahlzeit füllen. Hier mal die Füllung auf dem Teller (zwei Tomaten hatte ich schon gemopst zuvor). 



Ich finde, das ist eine gute Portion für Mittag. Wenn man 10 Stunden unterwegs ist, ist das natürlich etwas wenig. Aber wenn man schon gefrühstückt hat und nachmittags wieder nach Hause kommt, dann finde ich das gut ausreichend :-)

Allerdings lege ich das Essen normalerweise nicht auf den Teller, das war für das Foto eine Ausnahme. Normalerweise futtere ich direkt aus der Box ...

SaschaSalamander 21.08.2013, 09.07 | (0/0) Kommentare | PL

Trailer zu Nashville

Weil ich aktuell gerade NASHVILLE von Antonia Michaelis lese, hier der Trailer. Ich finde, er stimmt sehr gut auf das Buch ein :-)

SaschaSalamander 20.08.2013, 17.30 | (0/0) Kommentare | PL

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