So, nun bin ich beinahe zu Ende mit INFERNO von Dan Brown. Ich wusste, dass ich mich ärgern würde, meine Zeit damit verschwendet zu haben. Aber mir war auch klar, dass ich nicht würde ruhig schlafen können, wenn ich mich nicht selbst davon überzeugt hätte.
Über den Autor oder den Inhalt werde ich gar nichts weiter tippen, die Rezension sollen andere schreiben. Ich notiere hier einfach mal meine Gedanken, damit ich mich später daran erinnere. Und falls es jemanden von Euch interessiert, wie ich das Buch fand. Vielleicht auch zur Mahnung, dass ich beim nächsten Titel endlich vernünftig sein sollte, gleich zu etwas anderem zu greifen ...
Was man dem Autor zugute halten muss ist, dass er es sehr gut versteht, eine spannende Geschichte zu erzählen. Seine Story hat sehr viel historischen, literarischen und sonstigen kulturellen Background, den er sehr schön einwebt. Er macht neugierig, selbst zu recherchieren. Seine Reise führt in Orient und Okzident, man erfährt über Liszt, Vergil, Dante, Michelangelo, man bereit die verschiedensten Orte der großen Städte. Tooooooll *staun*. Und damit es nicht nur ein langweiliges Sachbuch ist, das seine Recherche widergibt, packt er ein wenig Story dazu. Nice, gute Idee.
Allerdings ruht er sich auf dem Erfolg der Vorgänger aus. Das Buch ist im Grunde identisch zu den anderen Titeln. Gleiches Strickmuster, immer das gleiche Prinzip. Beim ersten Buch konnte ich über viele Schwächen hinwegsehen, weil es irgendwie trotzdem unterhalten hat und triviale Literatur mit anspruchsvollen Inhalten gekonnt verwoben hat, warum nicht. Aber zum vierten Mal in Folge muss nicht sein. Irgendwann erwarte ich schon etwas mehr Eigeninitiative und Kreatitivät von einem Autoren.
Die Charaktere: Reißbrett, Schablone, Baukasten. Und nicht mal wirklich sympathisch, da viel zu künstlich. Ihnen fehlt die Tiefe. Indem man ein, zwei oder drei Eigenschaften herauspickt und dadurch Tiefe zu suggerieren versucht, hat man zwar das Lehrbuch verfolgt ("Hat Ihr Charakter vor etwas Angst? Wie wirkt sich das im Alltag aus? Und gab es womöglich ein Ereignis seiner Kindheit, welches das ausgelöst hat?"), dies aber viel zu plump umgesetzt.
Das Storytelling erinnerte mich stellenweise an Mangas: die erscheinen in Japan nicht wie hier in einem Büchlein, sondern meist in wöchentlichen Zeitschriften. Deswegen gibt es Zeichner, die zu Beginn jedes Kapitels (also jede Woche) kurz einen kleinen Überblick über das vorherige Geschehen und die Personen geben. So kam es mir hier auch vor. Immer wieder werden bestimmte Dinge betont und angemerkt, so als hält der Autor seine Leser für erinnerungsbeschränkt. Tja, nicht jeder hat so ein gutes fotografisches Gedächtnis wie der Prota, aber das heißt noch lange nicht, dass wir doof sind. Hätte man alle Wiederholungen (Suche und finde, Mickymausuhr, Dantes Nase und Kappe, den Abstieg und die Umkehr der Schwerkraft, Shakespeare, das geniale Gehirn der Prota, ihre tolle Schauspielfähigkeit, ständige Wiederholung von Namen und Ortsbezeichnungen, usw) weggelassen, hätte man das Buch gut um ein Viertel kürzen können.
Und dann natürlich das Infodumping. Ich finde es bewundernswert, wenn jemand soviel Mühe in sein Werk steckt und dann eigene Ideen erschafft, wie Dan Brown das macht. Eine grandiose Leistung! Und die würdige ich, allein deswegen habe ich das Buch genossen. Aber die Leser damit totzuschlagen und zu zeigen "guck mal, was ich alles weiß" ist lächerlich. Lieber Sachbücher a la "das Buch zum Buch" oder "Das Geheimnis hinter Dantes Göttlicher Komödie", damit interessierte Leser sich weiterhin informieren können. Dürften sich mit diesem Autor als Zugpferd gut verkaufen. Aber wenn die Helden endlich am Ziel ihrer Reise sind, wenn es nur noch um Minuten geht, wenn jeden Moment die Welt untergehen könnte - und der Autor dann mehrere Tracks lang erstmal nur davon berichtet, wie es in dem Gebäude aussieht, welche historischen Persönlichkeiten dort schon waren, wie es damals genutzt wurde und was heute nun dort zu finden ist, was dann auch noch den ans ich bedeutungslosen Führer der Truppe plötzlich bewegt - dann ist die Dringlichkeit der Situation einfach nicht mehr glaubwürdig. Da muss man kein Kritiker sein um zu wissen, dass der Autor über das Ziel hinausgeschossen ist mit seiner Selbstbeweihräucherung ...
Naja, selbst schuld. Niemand hat mich gezwungen, es zu hören. Ich wusste, was mich erwartet. Und ich werde es auch beim nächsten schlechten Titel wieder wissen. Und vermutlich trotzdem so doof sein, ihn wieder zu hören. Als hätte ich mich nicht selbst gewarnt ;-)
Und, mal ganz ehrlich - die Verkaufszahlen beweisen, dass der Erfolg etwas anderes spricht. Denn inzwischen kennt man den Autoren, weiß um seine Schwächen. Und trotzdem liest man es. Irgendwas hat er also, dass man trotzdem gefesselt ist. Dass man es trotzdem liest. Keine Ahnung, was es ist, aber es scheint zu wirken ... und wenn ich der Autor wäre, würde mir das genügen. Ich vermute, Herr Brown hat ausgesorgt, und ich wette, jeder Autor anspruchsvoller aber erfolgloser Bücher würde ohne mit der Wimper zu zucken sofort ohne Zögern mit ihm tauschen ...