SaschaSalamander

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Tag: Jugend

Ash

lo_ash_1.jpgDer Inhalt ist schnell erzählt: Aschenputtel. Malinda Lo wagt in ihrem Buch ASH eine wundervolle und ungewöhnliche Adaption des Cinderella - Märchens. Die Mutter stirbt, der Vater nimmt sich eine neue Frau. Die Stiefmutter und deren Töchter sehen in Aisling, genannt Ash, nur ihre Dienstmagd. Als der Vater stirbt, wird es immer schlimmer. Nur die Zeit im Wald bei dem geheimnisvollen Elf Sidhean gibt ihr Kraft und Hoffnung. Eines Tages sucht der Prinz eine Braut. Je öfter die Stiefmutter und ihre Töchter außer Haus sind, desto mehr findet Aisling Zeit für sich. Dabei lernt sie die königliche Jägerin kennen, begleitet sie auf die Jagden. Und dann trifft sie beim Maskenball zufällig mit dem Prinzen zusammen.

Wie gesagt: wundervoll und ungewöhnlich. Ich bin sehr angetan von dem Buch. Besonders gefällt es mir, dass Aisling (ein Name, der mir sehr zusagt) nicht wie typisch im Märchen dem Prinzen hinterherschmachtet, sondern dass sie ihre eigenen Wege geht. Das Märchen weist zwei Besonderheiten auf, die vom Original abweichen und die einigen Lesern missfallen könnten, anderen Lesern aber direkt aus dem Herzen sprechen:

zum einen ist da die Sache mit den Elfen. Bezaubernd und strahlend rein, aber zugleich auch kalt, so wie Elfen eigentlich ursprünglich sind. In diesem Buch schwingt stets eine Todessehnsucht zwischen den Zeilen. Der Wunsch nach der Vereinigung mit dem Elfenreich, der Wunsch nach Auflösung, nach dem Ende. Nichts mit pinkem Zuckerguss und niedlichem Märchen, vielmehr melancholische Grundstimmung und düsterer Romantik.

Und zum anderen ... hm, Spoiler oder Nichtspoiler? Doch, in diesem Fall schon. Denn viele Leser sind verärgert, dass sie zuvor nicht wussten, was sie erwarten würde. Und andere wie ich hätten das Buch nie angerührt (igitt Prinzessin, bäh Romantik), wenn nicht diese Thematik gewesen wäre. Von daher: sinnvoller Spoiler. Wer das nicht möchte, soll diesen Absatz überspringen:

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SPOILER

Ash verliebt sich in die Jägerin. Mir gefällt es, das Märchen einmal auf diese Weise neu aufzupeppen. Warum sollte Aisling sich in den ollen Prinzen vergucken, wo sie erneut im Käfig lebt, wenn auch golden? Warum nicht die stolze Jägerin, die in ihr mehr sieht als den hübschen Körper, und die auch im Charakter hervorragend zu ihr passt? Sie lieben die Natur, achten das Leben, lieben die alten Märchen.

Dazu kommt, dass hier einmal keine heile Welt ist. Bella und Edward oder Jacob stellvertretend für alle Girls, die hin- und hergerissen sind zwischen Softie und Macho. Hier dagegen glaubt Ash den Elfen zu lieben, doch er ist nur stellvertretend für ihre Sehnsucht, sie liebt nicht ihn sondern was er verheißt. Und als sie die Jägerin trifft, erkennt sie ihr wahres Gefühl. Es gibt kein Heititei, sondern sie bricht bewusst das Herz des Elfen. Die Welt ist kein Ponyhof, und manchmal muss man anderen Personen wehtun. Man kann nicht immer auf die anderen achten. Aisling lernt, dass sie ihren eigenen Weg gehen muss. Und ich mag es, wie das hier umgesetzt wurde.

SPOILER ENDE

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Dazu kommen sehr viele schöne Binnenmärchen. Die Elfenwelt ist sehr schön in das Buch integriert, das Märchen um Aschenputtel wurde ergänzt durch viele weitere Märchen rund um das Thema Elfenwelt. Wie gesagt nicht die niedlichen Flatterelfen, sondern die stolzen, mächtigen und eigenwilligen Elfen, die Menschen für ihre Zwecke missbrauchen und auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind. Diese Märchen verleihen dem Buch einen eigenen Zauber, sorgen für Abwechslung und sind es fast schon wert, in einem eigenen kleinen Buch abgedruckt zu werden. Gerne läse ich mehr Elfenmärchen aus der Feder Malinda Los.

Die Sprache ist sehr malerisch. Trotzdem ist sie in meinen Augen der Schwachpunkt des Buches. Ich fand die Szenen schön geschildert, das Buch sehr malerisch. Aber auch distanziert und kühl, sodass ich keinen wirklichen Bezug zu den Charakteren aufbauen konnte, nicht einmal zu Aisling, Sidhean oder der Jägerin. Es wird sehr viel erklärt, selten dringt man dabei in das Innere der Szene, beobachtet sie lediglich von außen. Gerade, wenn es dann in die Landschaftsbeschreibungen geht oder Aislings Leben mit der Stieffamilie beschrieben wird, ist das oft etwas langatmig. Man hätte das Buch bedenkenlos um 70 bis 100 Seiten kürzen können, obwohl es bereits mit 270 Seiten im Kleinformat eigentlich sowieso schon recht kurz ist. Aber das macht nichts, ein Buch muss nicht lang und künstlich gestreckt sein, um zu gefallen.

Wenn das Buch nicht so distanziert gewesen wäre, und wenn es stellenweise nicht etwas langgezogen gewesen wäre, dann hätte es ohne Zögern sofort den seltenen Weg in mein Regal gefunden. Ich war wie verzaubert während des Lesens, die Idee fand ich wunderschön, und die Romanze zwischen Aisling und Sidhean bzw später zwischen Aisling und der Jägerin gefiel mir sehr. Aber leider hat es mich aufgrund des Erzählstils nur verzaubert, nicht jedoch berührt. Schade, wirklich schade. Aber die Autorin steht nun unter meiner Beobachtung, und ich hoffe auf ein weitere romantische Märchen, in denen die Frauen keine Männer brauchen, um sich selbst zu finden :-)

SaschaSalamander 01.05.2012, 16.27 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL

Schattengesicht

wagner_schattengesicht_1_1.gifDas Buch der Autorin Antje Wagner erschien 2010 bereits im Querverlag Berlin und wird nun von Bloomsbury neu aufgelegt, zwar mit neuem Cover, ansonsten jedoch unverändert und komplett übernommen.

Zum Inhalt ist es schwer, etwas zu sagen. Denn die Geschichte wird rückwärts erzählt. Es beginnt damit, dass der Leser mit Milanas Inhaftierung und ihrem Tatvorwurf konfrontiert wird: Die junge, unscheinbare und stille Frau ist angeklagt des mehrfachen Mordes. Rückblickend wird in einzelnen Episoden geschildert, wie Milana und Polly auf der Flucht versuchen, sich ein neues Leben aufzubauen. Doch wo sie auch sind, endet es in einem tragischen Unglück oder gar Mord. Woran liegt es, dass die Menschen so seltsam auf Polly reagieren? Und warum gerät Milana immer wieder in solch schrecklichen Situationen?


AUFBAU

Auch der Aufbau ist schnell beschrieben: die ersten Seiten sind der Ist-Zustand, die Gegenwart. Dann führt die Autorin die Leser schrittweise in die Vergangenheit. Das erste Ereignis fand zwei Monate vor der Inhaftierung statt, das nächste Kapitel springt bereits eineinhalb Jahre zurück, dann fünf Jahre, und zuletzt sogar elf Jahre bis in die Kindheit der Protagonisten. Das letzte Kapitel spielt 14 Jahre in der Zukunft und ist als Epilog zu verstehen, welcher die Geschichte schließlich abrundet und alle Fäden zusammenführt.


ERZÄHLWEISE, GENRE

Das ist eine sehr schöne Idee. Nicht das erste Buch dieser Art, doch die Idee ist noch angenehm unverbraucht und somit eine Abwechslungs zu den sonst üblichen Erzählstrukturen. Was ebenfalls auffällt: das Buch ist nicht leicht einzuordnen. Für ein Drama ist es beinahe etwas zu nüchtern erzählt. Für einen Thriller fehlt der "Thrill", die Action. Für ein Mystery-Buch fehlen ein paar Fantasyelemente. Ein Krimi ist es nicht, denn die Verbrechen sind zwar von Bedeutung aber nicht Kern der Geschichte und entsprechend unspektaktulär beschrieben. Ich empfinde es als eine Mischung aus Roadmovie und Entwicklungsroman mit psychodramatischen Elementen, aber da wird wohl jeder Leser seine eigene Vorstellung haben, wo er das Buch einordnet, es gibt  sehr viel Raum für Interpretationen. Und genau das gefällt mir daran: ein Buch, das zum Nachdenken anregt statt alles sofort klar auf der Hand zu präsentieren. Ein spannendes Experiment, das hier präsentiert wird.


SPRACHE

Das Besondere an SCHATTENGESICHT ist für mich die Sprache. Schnörkellos, schlicht und absolut klar. Das einzige, was sich abhebt und dann sehr markant daherkommt, sind die Metaphern und Personifikationen. Die Handlung selbst ist egal, doch die Ereignisse, die Gegenstände werden lebendig, entwickeln ein Eigenleben. Auf diese Weise wird ein sehr faszinierendes Bild der Erlebniswelt der Protagonisten entworfen: die Mitmenschen, der Beruf, der Alltag, das alles scheint weit weg, unpersönlich und unwichtig. Nicht einmal die Protagonisten selbst werden charakterisiert sondern bleiben verschwommen und für den Leser nicht einsehbar.

Die Umgebung dagegen wird präzise beschrieben. Das Wetter, die Natur, die Häuser, sogar der Schimmel an den Wänden und die fehlenden Wohnungstüren werden so lebendig, als wären sie die Hauptfigur. >Hier< habe ich einige Beispiele notiert, es entsteht beim Lesen eine dichte Atmosphäre von Todessehnsucht und Bedrohung. Der Leser kann sich nicht sicher fühlen, denn er weiß nicht, ob nicht die nächste Tür erwacht und ihn verschlingt, ob nicht die Pflanzen an den Wänden lebendig werden und ihn umschlingen, ersticken. Nirgends sind Milana und Polly sicher, überall droht Gefahr, und doch ist diese Gefahr faszinierend, fühlt sich Milana davon angezogen, zieht es sie immer wieder zu solchen Menschen, an solche Orte.

Die Kapitelüberschriften lauten z.B. "Mintgrün", "Nummer 13", "Irrtum", "Hitze". Knappe Worte, sofort ein Bild im Kopf, besetzt mit vielen persönlichen Assoziationen und von symbolischem Charakter, somit quasi stellvertretend für den gesamten Stil des Buches.

Durch die Schlichtheit der Sprache gewinnt das Buch eine Anmut und Fragilität, spiegelt sich der Zustand der beiden Hauptfiguren wieder, die verletzlich und ohne aufwändigen Schmuck von einem Ort zum anderen ziehen. "Erotisch" wäre zu weit gegriffen, das Buch ist nicht erotisch, doch der Schreibstil ist es stellenweise: er berührt sanft den Leser, verursacht eine wohlige Gänsehaut, ein Schauern, ein Verlangen nach Mehr. Oft fragte ich mich, wann Milana und Polly sich küssen würden, wann Milana sich in einen Kollegen verlieben würde, weil ich stets das Gefühl habe, es müsste auf den nächsten Seiten nach soviel Prickeln und Anspannung nun eine erotische Szene folgen. Das mag hochtrabend klingen und dem Inhalt des Buches auch nicht angemessen, dennoch war dies eine Empfindung, die mich beim Lesen immer wieder überkam.


FAZIT

SCHATTENGESICHT ist ein Buch, das man schwer beschreiben kann. Man muss es lesen, spüren, erleben, um den ganz besonderen Reiz der Geschichte zu erfahren. Deswegen eine klare Leseempfehlung für alle Bücherfreunde, die gerne zwischen den Zeilen lesen :-)

SaschaSalamander 30.04.2012, 09.29 | (0/0) Kommentare | PL

Die Bestimmung

roth_bestimmung_1.jpgSo, gestern Abend habe ich das Buch beendet, und meine Meinung hat sich nicht allzu sehr gewandelt: an sich ein hervorragendes Buch. Handlungsfäden schön verwoben, das Ende wird am Anfang bereits angekündigt, nichts wird einfach so aus dem Hut gezaubert, sondern alles hat Hand und Fuß. Ich kann eine Fortsetzung kaum erwarten, weil es sich sehr spannend las und ich unbedingt wissen will, wie es weitergeht. Und auch, wenn das Buch stellenweise sehr brutal sein mag, ist die Kernaussage eine Gute, denn die Brutalität wird immer wieder in Frage gestellt, und Selbstlosigkeit wird als wahre Stärke noch vor Wagemut präsentiert. Die Figur, für welche Mädchen am meisten Sympathie empfinden dürften, hegt eine recht gute Einstellung und erkennt, dass Schubladen und Fraktionen immer nur ein Bruchteil sind, und dass die Gesamtheit ein anderes Bild ergibt als das einseitige Denken.

Trotzdem fehlt mir persönlich etwas. Wie ich >hier< schon sagte, komme ich mit der Protagonistin überhaupt nicht klar. Sie befindet sich in einem Lernprozess, den im Rahmen von Pubertät, Schule, Durchsetzungsvermögen jeder Jugendliche machen muss: Lasse ich mich von anderen dirigieren, oder zeige ich meinen eigenen Willen? Und bleibe ich dabei ruhig, oder soll man mich auch laut hören und vielleicht sogar fürchten? Selbstfindung. Ich halte sie durchaus für realistisch, und die Autorin hat das gut dargestellt. Trotzdem blieb das Mädel (und auch die anderen Charaktere um sie herum) mir fern, und ihre Verbissenheit, ihre Sturheit, ihre Härte, das war mir zuviel. Sie wurde für meinen Geschmack zu kalt, ließ sich zusehr von den falschen Idealen ihrer Gruppe beeinflussen.

Was nicht schlimm war, ich beim Lesen aber als schade empfand: sie entwirft eine eigene Welt mit eigenen Regeln und Mustern. Dabei deutet sie zwei oder dreimal Gott an, etwa eine Taufe oder den Ausspruch "Gott sei mit Dir". Ja, wie ist das jetzt - glauben die Fraktionen? Welche glaubt an was, und glauben sie an den monotheistischen, oder haben sie ihre eigene Religion entwickelt? Es wäre nicht schlimm, es auszulassen. Aber wenn man es andeutet, fände ich es gut, etwas besser auszubauen.

Und, was mich von Kapitel zu Kapitel mehr verärgerte: "ich trug ein Shirt, das die Schulter freiließ, als Altruan wäre das nie möglich", "Du bist sehr direkt, Du könntest auch eine Candor sein", "ich aß nur ein wenig Huhn und einen Löffel Bohnen, im Herzen war ich noch immer eine Altruan", "ich ließ mich tätowiren, als Ferox war das normal" ... ARGH! Sehr viel "tell", das "show" blieb dahinter völlig auf der Strecke meiner Ansicht nach. Ich will nicht fünfmal auf jeder Seite erzählt bekommen, welche Fraktion sich wie zu verhalten hat. Ich will es an ihren Taten selbst erkennen. Ich bin ein mündiger Leser und mag es nicht, wenn der Autor mich an die Hand nimmt und mir alles erklärt. Er soll es mir zeigen!

Insgesamt also fand ich es hochspannend und prima konstruiert. Ich kann es gerne weiterempfehlen. Gerne werde ich auch die Fortsetzung lesen. Aber wirklich zufrieden bin ich nicht, diese zwei Mängel (Herumreiten auf den Fraktionen, eine zu erbarmungslose Protagonistin) zogen sich durch das komplette Buch und hielten mich sehr auf Distanz.

SaschaSalamander 14.04.2012, 08.00 | (0/0) Kommentare | PL

Die Bestimmung

roth_bestimmung_1.jpgOb ich eine Rezension zu diesem Buch schreiben werde, weiß ich noch nicht. Wie bei allen anderen Titeln, die derzeit den Markt überschwemmen: es wird einfach zuviel, sie sind auf ihre eigene Weise alle gut, aber nur wenige sind wirklich herausragend.

Ich finde DIE BESTIMMUNG von Veronica Roth bisher um einiges besser als die meisten aktuellen Dystopien (wobei die HUNGER GAMES natürlich weiterhin außer Konkurrenz stehen, da sie den Boom ja erst ausgelöst haben, sie sind nicht vergleichbar mit den Folgebüchern), da die Charaktere und die Welt wirklich gut ausgebaut sind. Ich unterhalte mich nicht nur, sondern es regt mich auch zum Nachdenken an und beschäftigt mich außerhalb des Lesens, drängt sich in meine Gedanken, das ist ein gutes Zeichen.

Trotzdem, es fehlt mir selbst der "gewisse Kick". Ich fiebere nicht so wirklich mit den Protagonisten mit. Was aber daran liegen kann, dass von allen fünf Fraktionen, die zur Wahl standen (das Volk ist in fünf Fraktionen gegliedert, die alle einem Idel folgen, so etwa der Selbstlosigkeit, Freimütigkeit, Furchtlosigkeit, Freundschaft, dem Wissen). Und von all diesen entschied sich die Autorin dafür, die furchtlosen, übermütigen, rauflustigen Ferox für ihre Protagonistin zu wählen. Macht das Buch spannend, ist stimmig. Aber es sind wohl diejenigen, mit denen ich mich am allerwenigsten identifizieren kann. Mutproben, Prügeleien, Tapferkeit vor Vernunft. Und das, was mich reizen würde, wird allgemein sehr negativ dargestellt, sodass ich mich selbst immer als Außenseiter in diesem Buch sehe, der eigentlich nichts dort verloren hat, ich empfinde mich in dem Buch als Eindringling.

Ich kann momentan nicht wirklich trennen, ob ich aus persönlichen Gründen einfach keinerlei Zugang finde, oder ob das am Buch selbst liegt. Wie gesagt, es unterhält mich prima, und ich ärgere mich über jede Minute, die ich nicht lesen kann sondern anderen Tätigkeiten nachgehen muss. Aber ich finde keinen Zugang zu den Charakteren, und ich schüttle mindestens alle drei Seiten mit dem Kopf über das törichte Verhalten der Ferox.

Dazu kommt, dass ich alles etwas sehr schubladenhaft finde. Es ist der Autorin bisher (ich bin bei etwa der Hälfte angekommen) zwar sehr gut gelungen, die Charakteristika der einzelnen Fraktionen sehr schön zu beleuchten, aber ich finde es stellenweise sehr klischeebeladen. Wie in einem Pen and Paper Rollenspiel, in dem jeder zwanghaft versucht, auch nur ja stur seinen Charakter zu erfüllen, ohne Charakter aber immer im Hinblick auf die ihm zugetragenen Eigenschaften. Der Elf bitte immer arrogant und mysteriös, der Zweger stets rauflustig und mutig, und so weiter. Kein Raum für Möglichkeiten. Die sind zwar dadurch gegeben, dass die Protagonistin keiner Fraktion eindeutig angehört und sich der Form halber entscheiden musste, aber trotzdem versucht auch sie immer wieder, sich platt an ihre Fraktion zu halten, und egal was sie tut, niemals heißt es "weil ich gerne möchte", sondern immer nur "weil ich als Selbstlose das gelernt habe" oder "dieses Verhalten wäre eines Wissenden würdig" oder "so diskutieren nur die Freimütigen" und "aber weil ich eine Furchtlose bin, schon immer war". Wie gesagt: ich verachte Schubladen, und deswegen geht mir diese Form des Denkens und Handels, wie es hier im Buch praktiziert wird, gewaltig gegen den Strich. So gut das Buch auch sein mag, das will ich ihm nicht abstreiten.

Für sich betrachtet finde ich es im Rahmen der aktuellen Dystopieschwelle zur Gruppe der besseren Bücher zugehörig, für meinen persönlichen Geschmack sogar eines der besten. Zumindest allgemein betrachtet. Für mich persönlich eher weniger ...

Das Cover ähnelt sehr stark den HUNGER GAMES. So stark, dass es sogar mir auffällt. Mich wundert, dass das keinen Ärger unter den Verlagen gab. Aber egal, es ist hübsch gemacht, und es verkauft sich. Das ist es, was heute zählt. Auch, wenn mich das ein wenig traurig stimmt ...

An diejenigen, die es bereits gelesen haben: falls Ihr selbst nicht die Ferox gewählt hättet - wie geht es Euch mit der Darstellung des Buches? Fühlt Ihr Euch der Protagonistin nahe? Oder wünscht Ihr Euch, dass mehr über "Eure" Fraktion erzählt worden wäre? Fühlt Ihr Euch als Eindringling oder als Teilhaber des Buches?

SaschaSalamander 13.04.2012, 16.06 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL

Starters

price_starters_1.jpgINHALT

Bei einer schlimmen Krankheit gab es nur Gegenmittel für die Jungen und die Alten. Die Starters und die Enders. Die Alten haben die Macht, und sie bestimmen über die Jungen. Viele der Starters müssen ohne Angehörige auf der Straße leben, werden im Heim für Zwangsarbeiten missbraucht. Callie lebt mit ihrem kranken Bruder und einem Freund auf der Straße. Um an Geld für die Behandlung des Bruders zu kommen, verkauft sie ihren Körper an die Body Bank: sie wird zurechtgemacht, und dann wird ihr Bewusstsein "ausgeknipst", ein Ender bemächtigt sich ihres Körpers, kann endlich wieder tun, was ihm als gebrechlichen alten Menschen inzwischen verwehrt ist. Drei Aufträge, die ersten beiden kurz, der dritte soll einen Monat dauern. Doch es geht etwas schief, und Callies Bewusstsein findet den Weg zurück in den Körper, während er eigentlich noch vermietet ist. Und dabei erfährt das Mädchen, dass ihr Körper für eine schreckliche Tat missbraucht werden soll. Sie muss dies unter allen Umständen verhindern!


THEMA

Die Geschichte, die Lissa Price hier gebastelt hat, ist nicht neu. Zwei Seelen in einem Körper. Oder aber ein Geist in einem echten oder künstlichen Mietkörper. Ob nun THE HOST / SEELEN von Stephenie Meyer (mein Favorit des Genres) oder SURROGATES mit Bruce Willis oder DIE INSEL oder Komödien wie SOLO FÜR ZWEI von Steve Martin und einige weitere Titel. Trotzdem, den Körper wie hier direkt zu vermieten, sowie die Geschichte um Starters und Enders in einer dystopischen Gesellschaft, das ist eine nette Umsetzung des Themas, und von daher war ich sehr, sehr gespannt auf das Buch.


CHARAKTERE

zu den Charakteren konnte ich wenig Verbindung aufbauen, sie haben mich nicht sonderlich gerührt. Callie selbst ist ein nettes Mädchen, aber sie hatte mir zu wenige Ecken und Kanten, sie war mir zu flach, als dass ich mehr für sie hätte empfinden können. Sie ist das klassische Mädchen, wie es in diesem Genre üblich ist: durch die äußeren Umstände ist sie nicht fein herausgeputzt, empfindet sich selbst als nichts Besonderes, aber hübsch zurechtgemacht ist sie ein Blickfang, alle drehen sich nach ihr um, und natürlich ist sie auch clever und intelligent, hat einige besondere Talente. Sie muss sich ein bisschen weiterentwickeln. Ebenfalls gern gesehen: ein Junge, den sie liebt und der auf sie wartet, während sie in ihrer Abwesenheit aber einen anderen kennenlernt. Und dann ist da plötzlich ein Dreiergespann. Sie hat niemandem etwas versprochen, aber moralisch ist das natürlich für sie eine Zwickmühle, und auch der Leser muss sich entscheiden zwischen den beiden. Ach, das hat man schon so oft gelesen, es fängt an mich zu langweilen. Es ist nicht schlecht, aber es ist einfach der hundertste Aufguss, das schmeckt irgendwann nicht mehr. Zumindest mir nicht.

Die Nebencharaktere sind sehr oberflächlich gehalten, sogar der kleine Bruder oder der zurückgelassene Freund sind recht farblos. Ich hätte mir besonders gewünscht, dass die Enderin, die sich ihren Körper gemietet hatte und die gedanklich Kontakt zu ihr aufnahm, stärker ausgebaut wird. Schließlich ist sie eine wichtige Schlüsselfigur. Trotzdem bleibt sie immer im Hintergrund, verschwindet in den wichtigsten Momenten und ist dann auch viel zu schnell wieder weg. Etwas für mich sehr Wichtiges (aufgrund der Spoilergefahr kann ich es nicht nennen, sorry) wurde überhaupt nicht näher beleuchtet, sondern einfach nur kurz erwähnt. Ich hätte in die Tischkante beißen können, wie kann man das so unter den Tisch fallen lassen? Vielleicht werden die näheren Umstände im zweiten Band besser beleuchtet, es ist zu hoffen!

Traurig fand ich, dass mich die Schicksale einzelner Figuren wenig bewegt haben. So gibt es ein junges Mädchen, das mir sofort sympathisch war. Aber mehr auch nicht. Denn der Abschied von ihr war so emotionslos gehalten, dass es mich nicht berührte. Ich erinnere mich, wiesehr ich bei TRIBUTE VON PANEM (was leider ein Maßstab ist, da es der Auslöser für diese Dystopie-Welle war. Wenngleich zu Recht, denn diese Reihe ist wirklich etwas Besonderes in ihrer Ausarbeitung und Umsetzung) weinte, als Rue sterben musste, und wiesehr es mich jetzt noch bewegt, wenn ich daran denke. Hier eine ähnliche Szene - gar nichts. Ich dachte "okay, gut, tot, Kollateralschaden, passiert, weiter im Text".

In meinen Augen ist die Charakterausarbeitung eine der großen Schwächen des Buches. Die Frage, die ich mir stelle: wie hätte die Autorin es besser machen können. Aber ich denke, das wäre zuviel für eine Rezension. Deswegen nur so viel: ich hätte mir mehr Substanz gewünscht. Weniger Charaktere, weniger Nebenschauplätze, dafür mehr Charakterdesign. "Show dont tell". Ich hatte sehr oft das Gefühl, dass die Autorin enorm viel erzählt, aber nur sehr, sehr wenig zeigt. Über den Charakter zu erzählen, berührt nicht das Herz des Lesers. Ich will nicht hören "er ist krank". Sondern er muss husten, Blut spucken, vom Treppensteigen erschöpft sein.


AUFBAU, UMSETZUNG

Der Aufbau ist sehr, sehr klassisch, und deswegen ist das Buch auch so erfolgreich, es gefällt, denn es beinhaltet alles, was dazugehört. Die Dreiecksgeschichte, die aufzudeckende Verschwörung, das hässliche Entlein wird zum stolzen Schwan und zur Anführerin einer großen Mission. Außerdem ist die Geschichte äußerst geradlinig. Es gibt kaum Nebenplots und zusätzliche Elemente, nur den Hauptstrang. Dadurch ist das Buch sehr einfach zu lesen, es eignet sich ideal zum Entspannen und für nebenbei. Ist kein Manko, weil ich sowas zwischendurch auch gerne lese, trotzdem wäre ein bisschen Komplexität stellenweise nett gewesen.

Was ich schade finde: es gab sehr viele Logikprobleme. Einige Male musste ich irritiert innehalten und fragte mich, warum das jetzt gerade so geschehen konnte. Warum ein Charakter so und nicht anders reagierte, warum dieser oder jener Umstand besteht und weshalb man ein Problem nicht einfach anders hätte lösen können. Dies hätte nur verhindert werden können, indem die Autorin das dystopische Thema genauer ausbaut. Denn sie deutet die Vorgeschichte der Krankheit sowie das Sterben der Menschen mittleren Alters eher an, auch die bestehende Gesellschaft wird nicht komplett beleuchtet, sondern der Fokus wird auf die armen Starters und reichen Enders gelegt. Dass es auch reiche Jugendliche und vernünftige, nicht korrupte Senioren gibt, das wird hier und da aufgezeigt aber ansonsten eher unter den Teppich gekehrt. Aber das wäre wichtig gewesen. So jedoch wirkt vieles auf mich platt und leblos, sehr klischeebeladen.

Das Ende ist leider komplett offen und wird erst im zweiten Buch geklärt. Das fand ich ärgerlich, denn auch wenn man Mehrteiler schreibt, kann man ja trotzdem die Bücher in sich abschließen. Hier meiner Ansicht nach nicht der Fall.


GESAMTEINDRUCK

Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, es hat mich hervorragend unterhalten, und ich hatte es flink beendet, weil ich es nur schwer aus der Hand legen konnte. Es liest sich sehr flüssig, die Grundidee ist prima, und ich habe mitgefiebert. Für sich alleine betrachtet ist das Buch ganz nett und gelungen. In der breiten Masse der Dystopien allerdings empfinde ich es als eines von vielen. Es reitet auf einer großen Welle. Es gehört zu den besseren Titeln, aber an die Spitze schafft STARTERS es nicht. Ich finde es gut und kann eine klare Leseempfehlung aussprechen, trotz der Schwächen. Es kann nicht immer Kaviar sein, manchmal genügt auch einfach eine gute Unterhaltung. Aber ich empfehle allen, die es lesen möchten: wartet, bis auch der zweite Teil auf dem Markt ist!

SaschaSalamander 07.04.2012, 09.22 | (3/3) Kommentare (RSS) | PL

Painting Marlene

ludwig_marlene_1.jpgINHALT

Nach dem Tod ihres Vaters zieht Marlene in dessen Atelier. Die Bilder sind nicht mehr auffindbar, nur ein Gemälde ist geblieben: Marlenes Portrait. Die junge Frau muss nun ihr Leben alleine regeln, aber es will ihr nicht so recht gelingen. Sie jobbt, ist unentschlossen bezüglich ihres Studienganges, und so lässt sie die Tage an sich vorüberziehen, stets umsorgt von ihrer klammernden Mutter, begleitet von ihren zwei besten Freunden. Doch nicht alles läuft glatt. So fühlt sie sich von ihrem Hausmeister belästigt, und mit ihrem Freund Jasper ist auch nicht alles perfekt. Aber wirklich schlimm wird es, als das Gemälde in ihrer Wohnung plötzlich beginnt, sich stetig zu verändern. Wer ist es, der sich unerlaubt Zutritt zu ihrer Wohnung verschafft und auf diese makabere Weise immer neue Botschaften sendet?


CHARAKTERE, REALISMUS

Die Charaktere in >PAINTING MARLENE< sind recht gut ausgestaltet. Allerdings war mir keiner davon so wirklich sympathisch, und nahezu jedem Beteiligten würde ich zu einer regelmässigen Therapie raten. Aber gut, es gibt keine Regel, dass Protagonisten sympathisch sein müssen, und realistisch waren alle Hauptpersonen, das muss ich der Autorin lassen.

Allen voran die Mutter, welche eine extreme Glucke ist und der ohne ihr Kind scheinbar jeglicher Lebensinhalt zu fehlen scheint. Aber auch Marlene empfand ich nicht gerade als Sympathieträger. Immer wieder dachte ich "Selbstmitleid" und "Drama Queen". Ich konnte nicht wirklich mit ihr mitfühlen, immer wieder dachte ich nur "geschieht ihr recht, hätte sie mal anders reagiert". Jedes kleine Ereignis ihres Lebens wirft sie fast komplett aus der Bahn, ob sie sich nun an der Hand verletzt oder ihren verlorengeglaubten Teddybär wiederfindet. Und immer, wenn ein tragisches Ereignis geschieht, muss sie sofort ihre Mutter anrufen, weil sie nicht alleine bleiben kann und Beistand braucht.

Der lüsterne Hausmeister, der alles kontrollieren muss, ist ebenfalls ein sehr unangenehmer Zeitgenosse. Und dann wären da noch Rike, Georgie und Jasper, über die man gelegentlich auch etwas erfährt, die aber eher am Rand gehalten werden und erst später an Bedeutung gewinnen, das möchte ich jedoch nicht spoilern ;-)

Und dann am Ende, als der Täter bekannt ist, erzählt ein anderer Charakter, wie er ihn im letzten Moment entlarven konnte. Der Grund dafür wirkte auf mich sehr ... ähem ... an den Haaren herbeigezogen, denn dann würden sehr viele Menschen sich verdächtig machen, und wenn allein dies für eine Verdächtigung genügt, dann hätte die Polizei wirklich wenig Arbeit und könnte einfach so jeden mal schnell wegsperren.


ERZÄHLWEISE, AUFBAU

Die erste von vier CDs empfand ich als eher träge, es fiel mir schwer, mich in die Handlung einzufinden. Es dümpelt vor sich hin, es geschieht nicht wirklich etwas, man fragt sich, wann es endlich losgeht. Als es dann losgeht, wird es allerdings recht spannend. Doch, ich habe PAINTING MARLENE nach einiger Zeit sehr gerne gehört und habe jede Möglichkeit genutzt, die Kopfhörer aufzusetzen, weil ich wissen wollte, wie es weitergeht.

Erzählt wird aus drei Sichtweisen: Marlene, ihre Mutter und der Hausmeister. Immer wieder wechselt die Perspektive zwischen den dreien. Der Täter bringt als Ich-Erzähler vereinzelt Passagen ein, in denen er eine weitere Tat ankündigt oder in denen er von seinem Erleben, seiner Vergangenheit erzählt.

Was ich äußerst gelungen finde und was einen großen Reiz des Buches ausmacht: ich ahnte bereits recht früh, wer der Täter ist. Es kamen zwei Personen infrage, erzähltechnisch hätte ich auf jemand anderen getippt, aber die Darstellung der Charaktere in ihren Rollen ließ nur einen Schluss zu. Trotzdem gelingt es Sabine Ludwig hervorragend, den Hörer immer wieder auf eine falsche Fährte zu locken. Die Passagen des Ich-Erzählers fügen sich geschmeidig in den Text ein, sodass der Verdacht quasi auf jeden fällt. In einer Szene kauft die Mutter Blaubeerkuchen, gleich darauf füttert der Ich-Erzähler einen Vogel mit Krümeln dieses Kuchens. Einmal betritt der Hausmeister ihre Wohnung, und im nächsten Absatz erzählt der Täter, wie er in Marlenes Zimmer ist. Man erfährt etwas Wichtiges über George, und schon hört man in der Ich-Form von einem gleichartigen Ereignis. Marlene und Jasper tanzen, im nächsten Moment hört man vom Ich-Erzähler seine Eindrücke über Marlenes Tanz. Auch, wenn man den Täter erahnt, sorgt dieser Stil für Verwirrung, der Hörer ist hin und hergerissen und sucht immer wieder verzweifelt nach Anhaltspunkten für den wahren Schuldigen, hat ihn endlich erfasst und schon entgleitet er.


HÖRBUCH

Tanja Geke ist eine bekannte und großartige Sprecherin, die ich sehr gerne höre. Ich muss zugeben, dass ich sie häufig mit Sandra Schwittau (dt. Stimme von Bart Simpson) verwechsle. Doch Tanja ist ebenso bekannt wie Sandra, sie hat bereits in bekannten Rollen wie Uhura aus Star Trek wie auch unzählige Filme und Serien. Zuviele, diese alle zu benennen, deswegen >an dieser Stelle< ein Link mit einigen ihrer Werke. Sie passt sehr gut als Sprecherin, trägt das Hörbuch mit dem nötigen Ernst und einer gewissen Spannung vor, die den Hörer sofort fesselt.

>Jona Mues< spricht den Ich-Erzähler, und auch er passt sehr gut in den Kontext, wirkt glaubwürdig. Er setzt die Mischung aus Verliebtheit, Wahnsinn und Bedrohung sehr gut um. Für den Leser bleibt der Ich-Erzähler geschlechtslos, der Hörer hat natürlich durch die männliche Stimme einen weiteren Anhaltspunkt über den Täter. Dies ist jedoch nicht störend und leider nicht anders umsetzbar.


FAZIT

PAINTING MARLENE hat seine Schwächen im Aufbau, und die Charaktere sind nicht gerade sympathisch. Aber im Ganzen betrachtet fügt sich alles wunderbar und passt hervorragend zusammen. Nach den ersten etwas mühsamen Tracks wird der Hörer bestens unterhalten und in den Sog der Geschichte gezogen. Ein sehr schönes Jugendbuch, das zu gefallen weiß :-)

SaschaSalamander 24.03.2012, 08.41 | (0/0) Kommentare | PL

Schrödinger, Dr. Linda und eine Leiche im Kühlhaus

Jonas findet seine Mutter tot im Zimmer, sie hat sich umgebracht. Seine kleine Schwester hat demnächst Geburtstag, er möchte ihr die Vorfreude nicht verderben. Außerdem ist der Vater (selbständiger Fleischer, der plötzlich in einem Anfall zum Vegetarier wurde und seitdem unter Wahnvorstellungen leidet) gerade in einer Klinik, also ist Jonas sicher, dass er und seine Schwester im Heim landen, und das möchte er auf jeden Fall verhindern. Also packt er die Mutter ins Kühlhaus des Vaters und setzt alles daran, ihren Tod zu verheimlichen. Aber eine Nachbarin, der Liebhaber der Mutter, ihre Arbeitgeberin, eine Kundin, die Lehrer und auch andere Beteiligte werden langsam hellhörig: irgend etwas scheint seltsam, ist die Mutter wirklich so lange verreist?

Dieses Buch ist sehr eigenwillig und etwas ganz Besonderes. Es ist gelungen und von einem recht tiefgehenden Humor, der sich beim schnellen Hören allerdings nicht so ganz erschließt. Es ist ein Buch, das volle Aufmerksamkeit erfordert und den Leser / Hörer in seinen Bann zieht. Allerdings muss man sich darauf einlassen, gelegentlich auch zwischen den Zeilen lesen und die Situationen auf sich wirken lassen.

>SCHRÖDINGER, DR LINDA UND EINE LEICHE IM KÜHLHAUS< ist im Schreibstil sehr knapp, vieles wirkt skizziert wie der Rohentwurf für ein Buch, scheint es mir. Der Autor verschwendet keine unnötigen Worte für unnötige Ausschmückungen. Dafür stehen die ungewöhnlichen Momente umso besser im Rampenlicht, können umso besser auf den Hörer einwirken. Worte, die mir für diesen Titel in den Sinn kommen: skurill, absurd, grotesk, unkonventionell, makaber. Das Cover wurde hervorragend gewählt, man muss genau hinsehen, um die Einzelheiten zu erkennen, und dann sieht man ein recht seltsames Motiv, schüttelt mit dem Kopf, und dann sieht man noch einmal genau hin. Und so ergeht es beim Lesen / Hören.

Zu Beginn wirkt manches noch etwas zusammenhanglos, und erst nach und nach erschließen sich die Verbindungsstücke zwischen den einzelnen Aktionen. Es ist eine Tragikomödie, gepaart mit einem Coming-of-Age, ja auch einer angedeuteten Romanze. All das passt wunderbar ineinander, wenn man erst einmal die Puzzlestücke sortiert hat.

Der Humor ist recht trocken. Es gibt kaum spezielle Szenen als vielmehr das Geschehen an sich. Ein Junge, der für seine tote Mutter die Briefe im Kummerkasten einer Frauenzeitschrift beantwortet. Ein Mädchen, das Kriegsflugzeuge und Kriegsschiffe aus Modellsätzen basteln will und auf das Flugzeug ein Segel klebt. Der Brief einer besorgten Frau, in dem sich die Urheberin über ihre Nachbarin beschwert, nichtsahnend dass die Kummerkastentante selbst die Frau ist, über die sie lästert. Ein psychisch kranker Vater, der nachts Kühe an seinem Bett stehen sieht. Nein, das sind keine Lachsalven, das ist ein irritiertes Kopfschütteln und ein kleines Schmunzeln, aber dieses dafür recht tiefgründig und langanhaltend.

Ihr merkt, ich rede sehr viel drumherum. Und ich gebe zu, dass es mir auch recht schwer fällt, eine abschließende Rezension zu schreiben. Die Idee ist hervorragend. Der Humor hat mir sehr gefallen. Trotzdem wurde ich zu keiner Stelle so wirklich warm mit Jonas, ich hörte es alles recht unbeteiligt. Ich empfehle den Titel gerne, denn er ist wirklich prima gemacht und hat ein breites Publikum verdient. Aber für mich war es nicht so ganz das Richtige, ich hätte es mir etwas ausführlicher gewünscht, weniger skizzenhaft, dafür etwas mehr persönliche Beteiligung für den Leser, damit dieser sich im Geschehen fühlt statt nur als Beobachter. Es ist eben, wie gesagt, ein sehr spezielles Buch. Einfach reinschnuppern und selbst entscheiden ;-)


SaschaSalamander 21.03.2012, 14.45 | (1/0) Kommentare (RSS) | PL

Tote Mädchen lügen nicht

asher_totemaedchen_1.jpgTOTE MÄDCHEN LÜGEN NICHT. Hannah sagt die Wahrheit, sie hat nichts mehr zu verlieren. Sie will sich selbst töten. Und bevor sie dies tut, nimmt sie 13 Kassetten auf. Auf jeder davon schildert sie eine Etappe, benennt eine einzelne Person. Niemand trägt die Last für ihren Suizid auf seinen Schultern, doch eine Abfolge von Ereignissen und das Zusammenwirken vieler einzelner Faktoren und Personen führte dazu, dass sie sich nun aus dem Leben verabschiedet. Die erste Person erhält diese Kassetten und soll sie nach dem Anhören an den als nächstes genannten versenden. Clay Jensen ist einer von ihnen. Er liebte Hannah, und er versteht nicht, inwiefern sein Verhalten mit ihrem Tod zusammenhängen könnte.

Die Erzählweise des Buches ist ungewöhnlich und erwähnenswert: es gibt zwei Erzählstränge. Das eine ist die wörtliche Rede Hannahs auf den Kassetten, der Leser (bzw der Hörer der Kassetten) wird mit "Du" angesprochen. Das andere ist in normaler Schriftweise der Ich-Erzähler Clay, der zwischendurchden Text Hannahs während des Hörens gedanklich kommentiert und der, wenn er nicht die Kassetten hört, sein aktuelles Handeln beschreibt. Beide Erzählstränge fügen sich perfekt ineinander, sodass man einem ungestörten Lesefluss folgen kann.

Ich fand diese Methode sehr gelungen, denn der Leser fühlt sich durch das "Du" direkt angesprochen, als wäre er selbst ein Teil der Umstände, die Hannah zu ihrer Tat brachten, was ein sehr beklemmendes Gefühl auslöst. Zugleich durch den Ich-Erzähler erhält er einen tiefen Einblick in das Erleben eines der Betroffenen. Clay und den Leser treibt die gleiche Frage voran: was hat er damit zu tun? Warum erhält auch er die Kassetten? Und wie können kleine Neckereien und unbedachte Handlungen dazu führen, dass Hannah sich das Leben nehmen wollte? Immer wieder macht das Mädchen Andeutungen auf das Kommende, und man will endlich wissen, was dahintersteckt.

Dazu die bange Frage: WANN erscheint Clay auf den Kassetten? Je weiter die Handlung voranschreitet, desto mehr Schuld haben die erwähnten Personen auf sich geladen. Doch käme Clay bereits am Anfang, welche Motivation hätte er noch, die anderen Kassetten zu hören, welche Motivation hätte der Leser, das Buch zu beenden? Aber kann dieser sympathische Junge, der so liebenswürdig scheint, wirklich etwas so Schwerwiegendes getan haben?

Während Clay das Tonband hört, wird er zudem von Hannah aufgefordert, die Punkte aufzusuchen, die sie auf einer Landkarte markiert hatte, welche alle Betroffenen vor dem Suizid erhalten haben. Und so wandert Clay durch die Stadt und trifft andere, die bereits vor ihm auf der Kassette erwähnt wurden. Jeder geht anders mit seiner Schuld um, manche tragen schwer daran, andere nehmen ihren Teil daran nicht wahr, laden neue Schuld auf sich und erkennen nicht, was ihr Verhalten bei anderen auslöst.

Der Roman geht unter die Haut, ist sehr realistisch gehalten. Ein Satz, der mir sehr gut gefiel: "Wenn Du jemanden lächerlich machst, bist Du dafür verantwortlich, wie andere sich ihm gegenüber verhalten". Eine wichtige Aussage. Denn Mobbing ist an Schulen keine Seltenheit. Und es beginnt bereits im Kleinen, wo man es noch nicht einmal als Mobbing wahrnehmen würde. Es sind Kleinigkeiten, unbedachte Aussagen, harmlose Späße, die große Wunden reißen können. Auf gewisse Weise muss sich jeder fragen, was er hätte tun können, um Hannahs Selbstmord zu verhindern.

Für die achte und neunte Klasse halte ich das Buch auch sehr gut als Schullektüre geeignet (wobei ich allerdings deutsche Autoren hierfür bevorzuge). Denn es bietet sehr viel Stoff zum Diskutieren. Es fällt mir schwer, hier keine ausufernde Analyse einzelner Szenen, Charaktere und Verhaltensweisen zu erstellen, denn es bietet sich dafür geradezu an. Die Jugendlichen können sich hervorragend in die Handlung einfinden, die Sprache ist flüssig und angenehm. Sogar Lesemuffel werden dieses Buch nur ungern aus der Hand legen. Ideale Voraussetzung zu einem Schulbuch, um sich im Klassenverband über ein wichtiges Thema auseinanderzusetzen.

SaschaSalamander 17.03.2012, 15.28 | (0/0) Kommentare | PL

Rebellen der Ewigkeit

ruebenstrunk_rebellen_1.jpgVORAB

Ich werde keine handlungsrelevanten Spoiler benennen, die Rezension wird also den Lesespass nicht vorwegnehmen. Um allerdings meinen Eindruck der Geschichte zu verdeutlichen, benenne ich einzelne Elemente der Handlung. Ohne den entsprechenden Zusammenhang sind diese irrelevant und verraten nichts Wichtiges. Wer dies aber trotzdem nicht wünscht, für den füge ich ausnahmsweise VORSICHT SPOILER und SPOILER ENDE vor den jeweiligen Absatz.


INHALT

Die Firma Tempus Fugit kauft Lebensjahre, um sie an Dritte zu verkaufen. Arme Menschen können sich auf diese Weise medizinische Versorgung, Ausbildung und andere notwendige Dinge leisten, reiche Menschen verlängern dadurch ihr Leben. Valerie hat gerade 10 Jahre verkauft, als sie bei einem Verkehrsunfall mit der Privatdetektivin Karelia und dem Fahrradkurier Willis im wörtlichen Sinne aufeinanderprallt. Karelia arbeitet für Tempus Fugit und soll ermitteln, wer die Zeitvorräte gestohlen hat. Da sie noch zwei kompetente Mitarbeiter braucht, engagiert sie Valerie und Willis. Die drei recherchieren und stoßen dabei auf die Gruppe REBELLEN DER EWIGKEIT. Angeblich sei die Technik, mit der Tempus Fugit arbeitet, gefährlich und bedrohe die Welt. Doch wem können die drei glauben? Und können sie eine mögliche Zerstörung der Welt aufhalten?


THEMA, GENRE

Romane und Filme rund um das Thema Zeitreisen, Lebenszeit, Paralleluniversum sind keine Seltenheit, und ich mag dieses Thema sehr. Von "Realismus" zu reden, spare ich mir hier, denn selbst Zeitparadoxien und logische Brüche sind in diesem Kontext reine Spekulation und künstlerische Freiheit. Dennoch muss ein solchese Thema natürlich eine gewisse Glaubwürdigkeit transportieren. Ruebenstrunk verwendet für seinen Roman die Quanthenphysik, und er beschreibt den Vorgang sehr einfach und nachvollziehbar. Dadurch ist das Buch inhaltlich auch für sehr junge Leser geeignet, während ältere Leser hier und da einige Male ungläubig das Gesicht verziehen werden und sagen "aber das geht so doch gar nicht".

Ein klares Genre ist nicht abzugrenzen. Ein Jugendroman, das ganz klar. Thematisch bietet es Stoff für einen Wissenschaftsthriller, dafür ist das Thema der Paralleluniversen und der Quantenphysik allerdings nicht ausreichend aufgebaut. Es böte sehr gute Ansätze, doch der Autor legt Wert auf andere Dinge. Thrillerelemente sind enthalten, eingebettet in eine dystopische Zukunft. Durch die Technik liegt auch die Science-Fiction nah. Es ist ein bisschen von allem aber nichts davon komplett. Einerseits ist das eine spannende Mischung: ich mag es sehr, wenn Autoren sich nicht in ein Raster pressen lassen. Auf der anderen Seite wirkt der Roman dadurch stellenweise etwas halbherzig: Für einen Thriller stellenweise zu soft. Für Wissenschaft zu wenig Erklärung derselben. Für eine Dystopie zuwenig Ausarbeitung der zukünftigen Gesellschaft. Für Science-Fiction zuwenig futuristische Technik (von dem Extrapolator natürlich abgesehen).

Auch die genaue Zeit und der Ort, wo die Handlung spielt, lässt der Autor offen. Das stört mich wenig, denn das lässt der Phantasie freien Lauf. Zudem gibt es hier und da kleine Hinweise, die Vermutungen bekräftigen. Aber es ist nicht notwendig für den Verlauf der Geschichte. Dadurch allerdings nimmt sich Ruebenstrunk selbst die Möglichkeit, dem Roman eine gewisse Tiefe zu verleihen, die vor allem ältere Leser sich erhoffen.


CHARAKTERE, ZIELGRUPPE

Wie das Genre ist auch die Zielgruppe nur schwer zu definieren. Ich halte den Roman stellenweise aufgrund der Charaktere und der geradlinigen Handlung sowie der einfachen Erklärung der Technik bereits für Jugendliche ab etwa 13 Jahren geeignet. Dagegen allerdings spricht eine recht grausame Szene gegen Ende (wobei, es ist schlimm, aber ich habe mit gleicher Altersfreigabe schon heftigere Sachen erlebt, man sollte die Jugend nicht unterschätzen) sowie das Alter der Protagonisten, die mit 17 Jahren doch darüberliegen. Das Verhalten der Charaktere allerdings  - in meinen Augen verhalten sich Karelia, Valerie und Willis wenig erwachsen. Der Leser muss das Verhalten eines Charakters nicht gut finden, aber er sollte es anhand der Romanhandlung nachvollziehen können. Hier allerdings gibt es viele Momente, in denen wohl gerade ältere Jugendliche und besonders Erwachsene mit dem Kopf schütteln:

VORSICHT SPOILER ~~~~~ Keine Zitate, da ich nicht das Buch in der Hand hatte sondern das Hörbuch. Daher sinngemäße Erwähungen: "dieser Verräter! Ich werde ihn umbringen" - "das musst Du nicht, er hat bereits die Stadt verlassen und wird nicht mehr zurückkommen, hat er gesagt" - "na gut, das genügt mir". Auch das Verhalten der Detektivin, zwei wildfremde Jugendliche einfach mal so in ihre Arbeit einzuweihen und sie sofort anzuheuern, finde ich seltsam und unreatlistisch. Überhaupt sind alle sehr vertrauensselig. So vertraut ein Rebell sich aufgrund einer kurzen Aussage von Willis sofort diesem an und verrät ein geheimes Treffen. Und Willis vertraut kurz darauf dem Rebell absolut naiv einfach seinen Auftraggeber und den Auftrag an. Überhaupt sind alle Protagonisten in meinen Augen sehr naiv, sie vertrauen sofort fast jedem, der sagt "vertrau mir". Sie erfahren hier etwas und glauben es, dann kommt eine andere Person und sagt ihnen das Gegenteil und schwupps drehen sie das Fähnchen und überlegen nur kurz was nun eigentlich stimmt. Charakterstärke und Willenskraft ist nicht gerade die herausragende Eigenschaft irgendeines Beteiligten. Auch begrüße ich, wenn ein Mensch tierlieb ist, aber wenn man in Lebensgefahr schwebt, ist der Gedanke "ich muss meinen Hamster aus der Wohnung retten" dennoch sehr ungewöhnlich. Dann wäre da noch eine Rebellin, die sich zwar maskiert und anonym im Video auftritt, die aber offensichtliche Merkmale wie ein verkürztes Fingerglied einfach so in die Kamera hält statt einen Handschuh anzuziehen. Und solcherlei Momente gibt es in REBELLEN DER EWIGKEIT leider sehr viele. ~~~~~ SPOILER ENDE

Von daher: viele Entscheidungen mögen jüngere Jugendliche zwischen 12 und 15 nachvollziehen können und gut finden, Menschen mit etwas mehr Lebenserfahrung dagegen weniger. Bei reinen Kinder- oder Jugendbüchern ist das in Ordnung, ich lese sehr gerne Kinderbücher. Aufgrund der Thematik allerdings hat sich der Autor in einen Bereich begeben, wo diese simple Kinderlogik einfach unangemessen scheint. Logikschwächen zum wissenschaftlichen Teil des Buches wie gesagt will ich als künstlerische Freiheit stehenlassen, trotzdem werden diese Dinge älteren Lesern aufstoßen.

Dass der Roman sich deutlich an jüngere Leser richtet, zeigt sich auch an der klaren Trennung von Gut und Böse. Diese sind vom ersten Moment an klar definiert, es gibt auch keine wirklichen Überraschungen. Auch bleiben innere Konflikte und ethische Fragen dabei völlig außen vor, die eventuelle Grauzonen beinhalten könnten. Dadurch fehlt es den Charakteren an einer Tiefe, die ältere Leser einfordern. Auch die Vorhersehbarkeit der Handlung und der Aufbau der Geschichte sind sehr geradlinig und sind unterhaltsam für jüngere Leser, unterfordern aber erfahrene Bücherwürmer:


AUFBAU, UMSETZUNG

REBELLEN DER EWIGKEIT beginnt im Prolog mit einem Verrat, der angedeuteten Vernichtung einer Person, der Aussicht auf die zerstörung der Welt. Wow, was für eine Einleitung, was für ein Versprechen an den Leser! Doch was vielversprechend beginnt, das geht absolut geradlinig, vorhersehbar und erst einmal recht langsam weiter. Karelia, Willis und Valerie werden kurz vorgestellt, treffen aufeinander, sind sich sofort sympathisch, jeder nimmt die Schuld für den Unfall auf sich und bietet sich an natürlich die Folgen dafür zu tragen, und schon arbeiten sie zusammen und werden auch haben auch nach kurzer Zeit schon erste Ermittlungserfolge. Die Ermittlungserfolge sind so offensichtlich, dass der Leser sich fragt, warum Tempus Fugit hierfür eine Privatdetektivin einstellte.

Nach den Ermittlungserfolgen macht man eine der Rebellenführerinnen ausfindig, was zu ersten Komplikationen führt. Trotzdem geht die Handlung geradlinig weiter, auch wenn jetzt immerhin zwei Parteien involviert sind. Bald werden die Protagonisten in die jeweiligen Interessenkonflikte einbezogen, doch noch immer ist es offensichtlich, wer auf welcher Seite steht und was zu tun ist. Im showdown wird es unerwartet brutal, doch danach ist wieder alles so glatt wie zuvor, auf zum Happy End.


HÖRBUCH

Jacob Weigert war mir als Sprecher bisher unbekannt. Er hat hier und da vereinzelt schon Hörbücher eingesprochen, doch keines das ich gehört hatte. Seine Stimme finde ich sehr angenehm. Er variiert nicht in den Tonlagen und Stimmen, doch er verändert ein wenig die Sprachmelodie. Auffällig sind die Unterschiede zwischen den einzelnen gesprochenen Charakteren nicht, aber man kann meistens doch erkennen, wer gerade spricht. Dafür muss man jedoch sehr genau hinhören. Das Buch ist zwar geradlinig aufgebaut, hat aber dennoch einen Spannungsbogen, wo ich es sinnvoll fände, gelegentlich die Stimme zu erheben, das Tempo zu erhöhen, Emotion in die Stimme zu legen. Dies tut der Sprecher nicht, wodurch an sich spannende Momente gelegentlich untergehen und sich nicht vom Rest des Buches abheben.

Wie gesagt, er hat eine angenehme Stimme, ich hörte ihn sehr gerne. Doch für dieses Hörbuch war er in meinen Augen eine eher ungeeignete Wahl. Weigert kann ich mir sehr gut vorstellen für die ruhige Geschichte eines männlichen Ich-Erzählers. An aktuellen Titeln wären dies zum Beispiel Dashners DIE AUSERWÄHLTEN, Poznanskis SAECULUM oder Francescs RETRUM. Für eine auktoriale Erzählweise mit wechselnden Sprechern und vielen actionreichen Momenten allerdings finde ich ihn unpassend, da sowohl Teile der Handlung als auch die Persönlichkeiten der Sprecher eher untergehen. Gerade bei dem sowieso schon eher "glatten" REBELLEN DER EWIGKEIT hätte man durch einen variableren Sprecher sehr viel herausholen können.


GESAMTEINDRUCK

REBELLEN DER EWIGKEIT hinterlässt mich sehr gespalten. Die Handlung ist mustergültig aufgebaut, die Charaktere sind sympathisch. Aber mir fehlt es doch ein wenig an Substanz und Griffigkeit, es ist mir stellenweise alles etwas zu glatt, zu vorhersehbar, die Guten zu gut, die Bösen zu böse, die Handlungsweisen der Protagonisten zu unausgereift. Doch die Geschichte selbst ist sehr gut erdacht, die Idee dahinter auf spannende Weise umgesetzt. Trotz kleiner Schwächen finde ich die Darstellung der Paralleluniversen, der Quantenphysik und des Extrapolators sehr originell und kreativ umgesetzt. Der Schreibstil selbst ist angenehm und flüssig, Ruebenstrunk versteht sein Handwerk. Die ARTHUR-Bücher reizen mich schon lange und werden demnächst sicher von mir verschlungen, ich wurde neugierig auf weitere Titel des Autors.


FAZIT

Erwachsenen und Twens würde ich das Buch nicht empfehlen, da die Vorhersehbarkeit der Geschichte und einige Unstimmigkeiten in Verhalten und Handlung den Lesegenuss deutlich schmälern. Junge Leser allerdings bekommen eine packende Geschichte, in der ein bekanntes Thema auf originelle Weise umgesetzt wurde. Es hört / liest sich sehr spannend, die Charaktere sind sympathisch, und man ist vom ersten Moment gefesselt. Genau richtig, um junge Leseratten für komplexe Themen zu begeistern.

SaschaSalamander 09.03.2012, 09.07 | (0/0) Kommentare | PL

Todesblüten

rylance_todesblueten_1_1.jpgINHALT

Clara und ihre Freundin Melanie wollen gemeinsam Urlaub im Spreewald auf dem Hausboot der Tante machen. Dummerweise muss Melanie ihren Freund Alex mit anschleppen, und der hat auch noch den schweigsamen David im Schlepptau! Clara will keine Spielverderberin sein, auch wenn sie lieber mit Melanie alleine gewesen wäre. Der Urlaub wird immer mehr zur Katastrophe, die Jungs benehmen sich schrecklich. Und dann finden die vier plötzlich auch noch eine Leiche! Clara hatte dieses Mädchen schon einige Male am Bahnhof und in der Nähe des Hausbootes gesehen, hat etwa David etwas damit zu tun? Warum verhält sich der Nachbar auf dem anderen Boot so seltsam? Und wer ist dieser verrückte Taucher, der sie alle zu beobachten scheint?


CHARAS

Die Charaktere finde ich für einen Jugendroman sehr realistisch und gut ausgebaut. Erzählt wird aus der Ich-Perspektive Claras, die jedoch auch die anderen Protagonisten und Nebencharaktere sehr gut darstellt. Da sie etwas frustriert ist von der gegenwärtigen Situation, ist sie eher stille Beobachterin, sodass der Leser durch sie einen guten Blick auf das gesamte Umfeld erhält. Über das Privatleben, den Schulalltag, die Vergangenheit der vier Jugendlichen erfährt man nichts, das ist auch nicht relevant. Dafür ist das geschilderte Verhalten sehr eindrücklich und verdeutlicht sehr schön die jeweilige Gesinnung, macht schnell klar, wer sympathisch ist und wer nicht. Je nach bisherigen Erfahrungen wird da jeder Leser wohl auch schnell seine eigene Schlüsse ziehen, was ich sehr angenehm finde. Das Buch lässt in vielen Dingen einen gewissen Spielraum eine gewisse Interpretation frei, z.B. der Umgang zwischen Alex und Melanie, der sehr konfliktreich ist und Stoff für viele weiterführenden Diskussionen bietet. Der Leser findet sehr schnell den Zugang zu Clara und fühlt mit ihr.


GENRE, AUFBAU

Das Buch ist eindeutig ein Jugendkrimi. Trotzdem liegt die Betonung angenehmerweise stärker auf Jugend als auf Krimi. Der Fall wird nicht aufgebauscht, es wird kein unnötiges Blut vergossen, es wird keine Gewalt zelebriert. Nach dem Fund der Leiche gibt es keine endlosen Berichte über Polizeiarbeit, Verhöre oder Ermittlungen. Sondern die Teenager können zurück auf das Boot, sie wollen ihren Urlaub beenden. Und der Mord hängt stets über ihnen, vergiftet das Zusammensein und lässt Claras Angst stetig wachsen.

Die Spannung steigert sich kontinuierlich: es beginnt mit dem schlichten Frust über die ungewollten Gäste. Dann beginnt sich Clara über das Verhalten des aggressiven Alex und des schweigsamen David zu ärgern. Dann die Leiche. Und immer mehr Beobachtungen lassen den Leser die Gefahr erahnen, in der die Mädchen schweben. Seltsame Personen, ungewöhnliche Beobachtungen, geheimnisvolle Hinweise, gruslige Funde. Selbst harmlose Dinge scheinen plötzlich eine Bedrohung zu werden und lassen den Leser angespannt die Luft anhalten. Stetig kleine Ereignisse treiben die Handlung voran, sodass man das Buch nicht mehr weglegen möchte. Bis hin zum Showdown, an dem sich endlich alles aufklärt.


REGIONALES

Der Roman spielt im Spreewald. Ich war noch nie dort und kenne die Region nicht. Aber TODESBLÜTEN macht definitiv Lust auf Urlaub! Zu gerne wäre ich mit auf dem Hausboot, würde die Landschaft erleben, die kleinen Kanäle entlangpaddeln und einfach einmal abschalten vom Alltag. Aber auch die unschönen Seiten werden angesprochen: die Mückenplage, und zum Baden ist es wirklich nicht geeignet bei all den Grünpflanzen, der Umweltverschmutzung und dem morastigen Wasser ... trotzdem, jetzt hab ich "Fern"weh ;-)


SPRACHE

Die Sprache ist Jugendlichen entsprechend gehalten. Nicht anbiedernd lässig, aber doch vereinzelte Worte und Formulierungen, die man in regulärer Schriftsprache nicht findet, die jedoch klar der Sprache Claras entspringen. Zum Beispiel "die Sonne knallt herunter" oder "wir waren klitschnass", "die beiden waren nicht gut drauf" oder "Melanie hatte unbedingt mitgewollt". Das ist nicht falsch aber eben keine gehobene Sprache. Es liest sich sehr flüssig, so als würde Clara ihre Geschichte persönlich erzählen. Ich kann mir vorstellen, dass das gerade in einem Hörbuch sehr gut ankäme, z.B. vorgetragen von Marie Bierstedt oder Laure Maire.

In der wörtlichen Rede ist diese den entsprechenden Charakteren angepasst. Leon der Schriftsteller hat natürlich eine andere Sprache als der genervte Nachbar. Oder gar als Alex, der stolz darauf ist, keine Bücher zu lesen. Auch tauchen gelegentlich typische Alltagsfehler auf wie etwa "das Handy von dem Typen", was in der entsprechenden Situation der wörtlichen Rede prima ist. Ich mag es, wenn ohne künstlichen Dialekt oder aufgesetztes Pseudo-Cool die Sprache in Dialogen auf eine Weise realistisch gehalten ist, als würde man tatsächlich einem echten Gespräch lauschen.


FAZIT

TODESBLÜTEN ist ein spannender Krimi, der sich vor allem an Jugendliche richtet. Eine Teenie-Clique, ein gefährliches Abenteuer und Urlaubsfeeling. Das ideale Buch, um dem Alltag zu entfliehen: man möchte direkt in das Buch schlüpfen und Clara Gesellschaft leisten. 

SaschaSalamander 05.03.2012, 09.17 | (0/0) Kommentare | PL

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