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Blogeinträge (Tag-sortiert)
Tag: Erfahrungen
Der Hund, die Krähe, das Om und ich
Unabhängig vom Modetrend wurde ich vor wenigen Wochen auf Yoga aufmerksam, und wenn man das Wort erst einmal bewusst wahrnimmt, stellt man fest, dass es derzeit ja eine richtige Yoga-SCHWEMME gibt. Und da ist Frau Fröhlich natürlich mittendrin dabei. Ich mag ihre Art zu schreiben, auch wenn ich ihren Ansichten (nicht in diesem Buch speziell, sondern allgemein) nicht immer zustimme. Ich habe dieses Mal das Hörbuch gehört. Ihre Stimme, naja, daran muss ich mich immer erst eine halbe CD lang gewöhnen, dann ging es ;-)
Was mir gefällt ist, dass es zwar ein Modethema aufgreift, dieses aber fernab von allen Modetrends aufgreift. Die DVDs sind normalerweise supertoll, die Vorturner superschlank, und man erzählt immer nur von den tollen Aspekten. Hier schreibt die Autorin im Gegenzug davon, wie sie anfangs keine Lust hatte. Was sie daran störte. Welche Vorurteile sie hatte. Welche Probleme es ihr bereitete, welche Übungen sie nicht konnte. Und auch, was ihr dann daran gefiel, warum sie weitermachte und weshalb sie nun begeistert ist.
Einen Großteil ihrer Erfahrung teile ich. Und ich finde es gut, dass Yoga entmystifiziert wird. Nicht mehr nur als Allheilmittel dargestellt, nicht mehr psychedelisch verklärt mit Räucherstäbchen und Chanten (Singen). Es zeigt ganz klar, dass auch völlig normale, unsportliche und unspirituelle Menschen es als Sport für sich nutzen können.
Sie erzählt auch von ungewöhnlichen Arten wie Lachyoga, Gesichtsyoga, Nacktyoga oder Shibari-Yoga, über spirituelle Aspekte und andere Sportarten. Natürlich bringt sie ihre eigene Meinung ein. Während ich einiges ähnlich empfinde und laut lachen musste über ihre Darstellung, so habe ich mich in einem anderen Fall über die oberflächliche und unsachliche Art geärgert. Und ich grinste über mich selbst: als ich zustimmte, fand ich ihre Art witzig und ansprechend. Als ich eine andere Meinung hatte, da fand ich genau die gleiche Art auf einmal nicht mehr lustig. Da sie aber niemals verletzend wird oder andere Menschen und Einstellungen abwertet, sei es ihr gestattet, hier und da mit einem Augenzwinkern zu lästern. Man muss als Leser und Mensch lernen, andere Meinungen stehenzulassen ;-)
insgesamt fand ich das Hörbuch sehr witzig, es hat mich unterhalten und mir gezeigt, dass ich mit manchen Erfahrungen nicht alleine bin. Es tut gut, neben all den perfekten Yogis auch einmal jemanden zu sehen, der meiner Lebenswelt näher ist udn Schwächen teilt, in denen ich mich wiederfinden kann ...
SaschaSalamander 14.02.2012, 14.05 | (3/3) Kommentare (RSS) | PL
Ein mittelschönes Leben
Kinder stellen Fragen, die Erwachsenen durch den Kopf gehen, die sie aber nicht zu fragen wagen ob ihrer Scham. Dies sind existenzielle Fragen wie etwa "was machst Du, wenn Du krank wirst" oder "weiß Deine Familie, dass Du auf der Straße lebst", aber auch so scheinbar banale und doch erstaunlich wichtige Fragen wie "wo gehst Du denn aufs Klo", "gewöhnt man sich an das Leben auf der Straße" oder "feierst Du Weihnachten". Ich fand die Offenheit der Kinder sehr angenehm. Und ebenso fand ich es mutig und spannend, wie direkt die drei auf die Fragen eingingen. Erwachsene fragen nach Schuld und Verantwortung, daher fand ich es schön, dass man hier die Kinder zu Wort kommen ließ, welche das Augenmerk auf andere Dinge richteten.
Was die Betroffenen aus ihrer jeweiligen Sicht schilderten, fasst der Erzähler noch einmal zusammen, beschreibt beispielsweise die Vernetzung von Einrichtungen wie Straßenambulanz, Obdachlosenunterkünften, Wärmestuben, der Tafel oder dem Straßenmagazin. Sehr schön finde ich auch, dass es drei Gesprächspartner sind, zwei Männer und eine Frau. Dadurch zeigt sich auch, dass es nicht immer klare Antworten gibt und jeder die Situation anders einschätzt. Auf die Frage, ob auch Kinder auf der Straße leben, weichen zwei Antworten sehr stark voneinander ab. Ich denke, das liegt zum einen ander Definition "Kinder" (ich vermute, die Frau dachte eher an Jugendliche, während der Mann eher an Kinder im Alter der Fragesteller vor sich sah), und zum anderen ist Obdachlosigkeit ein schwer zu erfassendes Thema, das sich auch einer exakten Statistik entzieht.
Obdachlosigkeit ist gerade in Großstädten ein wichtiges Thema. Täglich läuft man an den Menschen vorbei, beachtet sie nicht, weicht ihrem Blick aus. Kauft vielleicht mal ein Magazin oder wirft ein paar Cent in den Pappbecher. Aber dann ist das Thema wieder vergessen, dem Alltag gewichen. Beruflich habe ich sehr oft mit den Folgen der Obdachlosigkeit zu tun, und erst letzte Woche habe ich ein Wohnheim aufgesucht, um Kontakte zu knüpfen und mehr über die Hintergründe zu erfahren. Dabei wurde mir bewusst, wie wenig ich trotz der Nähe zu diesem Thema eigentlich darüber weiß, und wie wichtig es vor allem auch ist, nicht die Augen zu verschließen und darauf aufmerksam zu machen.
Produziert für Kinder, ist dieses Hörbuch dennoch auch für Erwachsene geeignet. Denn wie gesagt: Erwachsene wüssten auch gerne, ob ein Obdachloser Weihnachten feiert, aber sie wagen es nicht zu fragen, da andere Dinge wichtiger scheinen. Hier kann man allerhand über das Leben auf der Straße erfahren, aus einem ganz anderen Blickwinkel. Und für Kinder ist die CD sehr gut geeignet, mit offenen Augen durch die Stadt zu gehen, vielleicht sogar selbst aktiv zu werden. "Was können wir tun" war eine sehr bewegende Frage. Und mancher Erwachsene wird ob der Antworten wohl schlucken und gute Vorsätze fassen. Möge es nicht nur bei den Vorsätzen bleiben!
SaschaSalamander 10.02.2012, 09.02 | (0/0) Kommentare | PL
7 Stunden im April
Eine Inhaltsangabe des Buches kann ich nicht geben, da es kein Roman ist, sondern eine lose Sammlung an Gedanken, Erinnerungen und Meinungen. Daher möchte ich kurz beschreiben, worum es in dem Buch geht:
ANGABEN PERSON, INHALT DES BUCHES
Susanne Preusker arbeitete bis zum April 2009 als Psychologin in der JVA Straubing, bis sie von einem ihrer Klienten als Geisel genommen und mehrere Stunden missbraucht und bedroht wurde. Ihr bis dahin gelebtes altes Leben gab es nicht mehr, und die Frau, welche in 10 Tagen bereits ihre Hochzeit geplant hatte, stand vor einer komplett neuen Situation. In dem Buch 7 STUNDEN IM APRIL - MEINE GESCHICHTE VOM ÜBERLEBEN erzählt sie nun offen über die Zeit danach. In kurzen Kapiteln von jeweils rund 3 Seiten bringt sie verschiedene Themen und Gedanken zur Sprache. So erzählt sie zum Beispiel, wie eine Panikattacke sich anfühlt und in welchen vermeintlich normalen Situationen diese sie überfällt. Sie berichtet von ihren Gesprächen bei der neuen Therapeutin. Der Leser lernt ihren Ehemann, ihren Sohn kennen und erfährt, welche Auswirkungen die Geiselnahme im Nachhinein auch auf das Familienleben und die Wahrnehmung der Angehörigen hatte. Preusker lässt uns teilhaben an Treffen und Gesprächen mit Freunden, sie berichtet von einem Kontakt mit einer anderen Betroffenen. 7 Stunden sind eine vermeintlich kurze Zeit, und doch kann so viel passieren, können diese wenigen Stunden das Leben vieler Menschen komplett umkrempeln. Die alte Frau Bergmann, wie sie vor ihrer Hochzeit noch hieß, gibt es nicht mehr, nun gibt es nur noch Frau Preusker. Frau Bergmann war Psychologin. Frau Preusker ist eine Frau, die derzeit nicht mehr im Vollzug arbeitet und sich in einem neuen Leben zurechtfinden musste.
Da das Buch aus dem neuen Leben handelt (dieser Begriff des alten und neuen Lebens tauchen sehr oft im Buch auf), erfährt der Leser nichts über die fachliche Seite der Tat. Warum der Täter sie jahrelang belügen konnte, wie sie zum Thema Resozialisierung von Straftätern steht, mit welchen Gefühlen sie damals ihre Arbeit verrichtete, zu all diesen Dingen erfährt der Leser nichts. Das ist auch nicht notwendig, denn dies ist nicht das Ziel der Autorin.
Ihr Ziel ist es, anderen Menschen Mut zu machen. Sie sagt "Wenn es mir mit diesen Geschichten gelingen sollte, nur einem Menschen, der sich in einem ungewollten Leben wiederfindet, Mut zum Überleben zu machen, hat es sich gelohnt". Und im Vorwort schreibt sie "Ich werde jetzt also anfangen, meine Geschichte zu erzählen, ohne genau zu wissen, wie. Mir ist unklar und auch völlig egal, welchem literarischen Genre diese Geschichte zugeordnet werden kann. Mir ist egal, wie lange sie dauert. Mir ist eigentlich auch egal, ob sie jemals verlegt wird. Wichtig ist nur, dass ich anfange." Ihr ist es wichtig, dass ein Opfer sich nicht der Gesellschaft zuliebe verstecken muss, sondern sie will aufrütteln.
SPRACHE, STIL
Ursprünglich hatte ich geplant, das Buch an einem Stück zu lesen. Bei gerade einmal 160 Seiten kein Problem. Dachte ich. Aber ich habe es dann doch auf mehrere Tage ausgedehnt und nur einige wenige Geschichten am Stück gelesen. Manchmal ist es nicht einfach, dem Buch zu folgen, denn die Autorin spricht stellenweise bestimmte Personen an, sodass der Leser als Außenseiter die tiefgreifendere Aussage eher erahnt denn tatsächlich begreift. Dies ist jedoch kein Manko, da auch das, was man ohne Hintergrundwissen verstehen kann, sehr interessant zu lesen ist.
Sie schreibt in sehr kurzen Sätzen, welche ihre Gedankenfetzen hervorragend widerspiegeln. Manchmal schweift sie auch vom Thema ab, plaudert von scheinbaren Banalitäten, bevor sich deren Sinn bald darauf ergibt und aufzeigt, warum gerade dies für die Autorin von solch großer Bedeutung ist. Die Bedeutung einer Sache verschiebt sich, wenn jemand aus dem alten Leben geworfen wurde, dies macht sie dem Leser deutlich klar. Eine alltägliche Situation - in einer Menschenmasse angerempelt zu werden, eine Flasche Öl im Supermarkt zu kaufen - kann zu einer Bedrohung werden und in völlig neuem Licht erscheinen.
Ihre Texte enthalten häufig innere Monologe oder auch Dialoge mit anderen Personen, jedoch schreibt sie diese meist ohne Anführungszeichen. Eben Gedankenfetzen, in denen sie die Gespräche für sich wiederholt. Kein Dialog, sondern ein Gedanke über einen Dialog. Dies ist ungewöhnlich und hemmt zwar nicht den Lesefluss, sorgt jedoch dafür, dass man das Buch sehr genau lesen muss und dadurch tief in ihre Gedankenwelt hineingezogen wird, sich sehr gut in sie hineinversetzen kann.
FAZIT
Es gibt Dinge, die wird ein Mensch ohne entsprechende Vorerfahrung wohl niemals begreifen: das Gefühl einer Panikattacke. Die heftigsten Widersprüche zwischen Verstand und Gefühl. Die Reaktionen der Angehörigen. Aber Frau Preusker beschreibt dies alles sehr eindringlich, sodass man dies sehr gut nachvollziehen kann. Sie weckt Verständnis für Betroffene und dere Situation.
Betroffene Personen werden sich in diesem Buch wiederfinden. Natürlich erlebt jeder sein eigenes Trauma, geht anders damit um, reagiert auf andere Reize, doch vieles ist auch sehr typisch. Dieses Buch zeigt allen Frauen, die unter ähnlichen Problemen leiden, dass sie nicht alleine sind. Es macht Mut, dem neuen Leben selbstbewusst entgegenzutreten. Es zeigt der Öffentlichkeit: wir sind Opfer, und dafür müssen wir uns nicht schämen.
Mit ihrem Buch hat die Autorin einen großen Schritt gewagt, ich wünsche Ihr alles Gute für die weitere Zukunft in ihrem neuen Leben. Und ich danke ihr für dieses Buch.
SaschaSalamander 13.10.2011, 15.34 | (0/0) Kommentare | PL
Darf ich meine Oma selbst verbrennen
Mit GETATTEN, BESTATTER veröffentlichte der Autor des erfolgreichen >Bestatterweblogs< im Dezember 2009 sein erster Buch. Wie auch schon in seinem Blog erzählte er unterschiedlichste Begebenheiten aus dem Alltag eines Bestatters, ich habe es damals begeistert gelesen und habe auch sonst nur allerbeste Rückmeldung bekommen. Er scheint eine "Marktlücke" entdeckt zu haben, oder besser gesagt, eine "Bedürfnislücke". Sterben ist ein Tabuthema. Jeder Mensch ist mehrfach in seinem Leben damit konfrontiert, wenn Angehörige oder Freunde von uns gehen. Doch es wird außer zu diesem Anlass kaum darüber gesprochen. Unzählige Mythen haben sich entwickelt, viele Fragen bleiben offen, und an wen kann man sich wenden in seiner Unsicherheit?
INHALT, AUFBAU
Peter Wilhelm schreibt nicht nur von seinen Klienten, von den Toten, von seinen Kollegen, seiner Familie, der Praktikantin und anderen Lebenden und Toten, sondern er geht auch auf seine Blogleser ein. Er beantwortet Fragen teils auch öffentlich, wenn sie von allgemeinem Interesse sind. In GESTATTEN BESTATTER erzählte er eher aus dem Alltag, ließ die Leser an vielen humorvollen, skurrilen, bewegenden oder schockierenden Momenten seines Berufslebens teilhaben.
In DARF ICH MEINE OMA SELBST VERBRENNEN hat er das Buch in drei Teile gegliedert:
Zuerst beantwortet er Fragen von Lesern, mal humorvoll, mal ernst. Im zweiten Teil lässt er den Leser an erzählenswerten Telefongesprächen teilhaben, die er mit Angehören führte. Abschließend gibt er vereinzelte Dialoge wieder, an denen er teilhatte oder deren Zeuge er wurde, während Angehörige über die Bestattung diskutierten. Das Ganze natürlich ein wenig "dramaturgisch aufgearbeitet", sodass er den Sinn und Inhalt widergibt ohne jedoch einen Kunden erkenntlich bloßzustellen.
SCHREIBSTIL, INFOTAINMENT
Es tut gut, dass der Autor so offen und vor allem unbefangen über dieses Thema spricht. Zwischen all den skurrilen Momenten gibt es sehr viele ernsthafte Fragen, sodass zwischen dem Humor und der Tragik des Buches auch sehr viel Wissen vermittelt wird. Seien es Mythen wie die wachsenden Haare des Verstorbenen oder das tödliche Leichengift, oder seien es auch wichtige Belange wie etwa die Besonderheiten einer Seebestattung, die Frage ob man Angehörige selbst unter die Erde bringen darf, welche Unterlagen beim Amt alles vorgelegt werden müssen, welchen Sinn eine Sterbeversicherung erfüllt, ob und wie man im Voraus seine eigene Beerdigung planen kann, und viele Dinge mehr. Dabei besteht ein Kapitel aus einer Frage und einer entsprechenden Antwort. Manchmal kann dies über mehrere Seiten gehen, meist jedoch ist es sehr kurz auf einer halben Seite beschrieben. Gerade deswegen lässt man sich leit verleiten, wenigstens schnell noch die nächste Episode zu lesen, und auf einmal hat man das Buch beendet, obwohl man vermeintlich gerade erst begonnen hat. Und das, obwohl es um ein solch vermeintlich langweiliges Thema wie die Arbeit eines Bestatters geht.
Als Bestatter hat der Autor gelernt, Menschen mit Respekt zu behandeln, und dies merkt man dem Buch an. Es ist spannend zu lesen, welche Gedanken die Menschen beschäftigen, wenn es um das Thema Tod geht. So stellt sich jemand die Frage, ob er ein amputiertes Bein bestatten lassen darf, ein anderer wüsste gerne, ob man das geliebte Haustier mit beerdigen darf (das sowieso krank ist und eingeschläfert werden müsste). Auch ist es "nett" zu erfahren, wie dringend die Sterbefälle sind und wie wenig dringend sie plötzlich werden, wenn der Zeitpunkt der Abholung sich mit der Sportschau überschneiden würde. Dringend wird es dagegen allerdings tatsächlich, wenn in einer Stunde Schlüsselübergabe an den Nachmieter stattfinden soll und der Tote noch in der Wohnung liegt. Und doch bleibt Peter Wilhelm stets gesetzt und würdevoll, sogar wenn die Witwe auf das unpassende Deckchen im Farbton "Rosa Luxemburg" besteht oder eine antiallergene Sargausstattung gewünscht wird.
Das Buch ist keinen einzigen Moment spröde oder trocken, niemals wird der Zeigefinger erhoben (wenngleich man die persönliche Meinung des Autoren deutlich heraushört, doch diese ist sympathisch und nachvollziehbar, selbst wenn er manchmal ironisch wird). Es ist schwer zu beschreiben, wie unglaublich fesselnd er sein Buch geschrieben hat. Die ernsthaften Themen sind zu lang, als dass ich sie in die Rezi einbinde, deswegen in aller Kürze meine zwei Favoriten unter den vermutlich wenig ernstgemeinten Anfragen:
S. 83
Frage: Ein Mann kommt zu Ihnen und will seine Schwester beerdigen lassen, also jetzt die Frau von seinem Bruder. Geht das in einem Reihengrab, oder müssen die Feuerbestattung nehmen?
Antwort: Ja.
S. 33
Frage: Mal eine besondere Frage, die mich und meinen Freund sehr beschäftigt. Hast Du schon mal einen Sarg mit einem Vampir beerdigt? Bitte antworten, ist kein Spaß!!!
Antwort: Vampire bekommen immer ein Urnenbegräbnis, weil durch das Kellerfenster Sonnenlicht in unseren Behandlungsraum fällt und die Vampire dabei stets zu Staub und Asche zerfallen. Ist wirklich so, ist kein Spaß!!!
FAZIT
Sterben ist ein ernstes Thema, aber noch nie wurde es humorvoller und sinnreicher aufbearbeitet als von Peter Wilhelm. Ein ideales Buch, ob nun als Geschenk oder für sich selbst, ob für die gesellige Runde oder auch gemütlich alleine auf dem Sofa. Infotainment, wie es besser nicht sein könnte.
SaschaSalamander 06.10.2011, 09.02 | (0/0) Kommentare | PL
Sieben Stunden im April
Ein halbes Jahr, nachdem ich meinen Job angetreten hatte, hörte ich in den Nachrichten von einer Geiselnahme in der >JVA Straubing<. Ich war erschrocken und entsetzt, und es gab an diesem Tag kein anderes Thema auf Arbeit, ich habe am Computer alle Newsfeeds abgegrast, Radio gehört und gehofft und gebangt. Ich habe die JVA bereits bei einer Führung besichtigt, hatte also eine recht deutliche Vorstellung davon, was gerade vor sich ging. Viele meiner Kollegen kennen >Frau Preusker< persönlich, sodass man natürlich auch privat bangt und hofft.
Die Autorin ist Psychologin, sie arbeitet in der SothA, der "sozialtherapeutischen Abteilung" unter anderem mit Sexualstraftätern. Sie arbeitet mit den Tätern, kennt die Opfer aus den Erzählungen des Täters und aus den Akten. Ihr Arbeitsfeld ist das "danach" des Täters, die Frage nach dem "wie kann er sich resozialisieren" und dem "ist Resozialisierung oder Therapie überhaupt möglich", wohl alles recht theoretisch. Und nun wird sie selbst zum Opfer eines Mannes, den sie eine lange Zeit behandelt und betreut hat. Was mag in ihr vorgegangen sein? Ich bin mir sicher, dass egal was sie sich vorgestellt hatte (denn Gedanken, wie es dem Opfer ging, hatte sie sich bestimmt oft gemacht), es komplett anders war. Es gibt Dinge, die kann man nicht begreifen, außer man hat sie selbst erlebt. Eine Erfahrung, die kein Mensch jemals machen möchte: Geisel zu sein, vergewaltigt zu werden, mit dem Tod bedroht werden.
Beruflich hat das sehr viel ausgelöst, die Diskussion ging weiter: "ist SothA überhaupt sinnvoll" und "was kann man tun, um die Sicherheit zu verstärken" und "wie sollte man mit Sexualstraftätern umgehen". Ich habe mir sehr viele Gedanken über diese Themen gemacht, und natürlich hat es auch Auswirkungen auf das eigene Handeln. Ich kann nicht sagen, dass die Angst gestiegen ist, denn man denkt immer "mir kann sowas ja nie passieren", aber die Vorsicht ist gewachsen, und das ist gut, denn wie man sieht, kann es sehr wohl passieren, gerade dann, wenn man nicht damit rechnet.
Frau Preusker war oft im TV zu sehen, war hier und da in Talkshows, und wannimmer ich davon erfuhr, habe ich mir dies natürlich angesehen. Ich finde es gut, dass sie sich nicht versteckt, sondern den Weg in die Öffentlichkeit wagt. Schon einige negative Stimmen habe ich darüber gehört: "na toll, Psychologin will sie sein, und dann passiert ihr sowas, da sieht man mal, was die Psychologen taugen" und "klar, jetzt auch noch Geld damit scheffeln, manche Leuten kriegen wohl nie genug" oder "und, passiert ist trotzdem nix, man lässt die Leute trotzdem wieder frei laufen" (erst recht, weil aktuell wieder ein Sexualstraftäter auf freien Fuß kam, nachdem es wohl einige Pannen im Vollzugsplan gab und er keine Therapie angeboten bekam, das heizt die Gemüter natürlich so richtig an).
Aber, wie gesagt: ich finde es gut, dass sie in die Öffentlichkeit geht. Denn Opfer werden sehr schnell zu Tätern abgestempelt: "selber Schuld, was gibt sie sich auch mit solchen Leuten ab" oder "jaja, therapieren will sie, aber hat wohl nicht geklappt, das hätte ich ihr vorher sagen können" oder "warum hat sie sich denn nicht gewehrt". Opfer finden sehr wenig Hilfe, und wer sich mit Opferpsychologie befasst erfährt, dass für Opfer die Presse weit geringer ist als für das Täter. Und WENN mal eine Presse da ist (z.B. Kampschulte oder die Töchter von Fritzl oder kürzlich hier in Bayern), dann merkt man, wie sehr schnell verurteilt wird, dass die Leute sich doch hätten wehren können.
NEIN, NEIN und nochmals NEIN. Ein Opfer ist ein Opfer, und dafür muss die Öffentlichkeit geschult werden. Keine Frau ist schuld, wenn sie vergewaltigt wird. Hinterher kann man immer schön daherreden, VORHER hätte gehandelt werden müssen. Und wenn Frauen wie Susanne Preusker an die Öfentlichkeit gehen, dann mag es viele geben, die lästern. Aber es gibt auch sehr viele Menschen, denen ihr Mut Kraft gibt zum Weiterleben. Frauen, die erfahren "da ist jemand wie ich, und sie hat es geschafft, also kann auch ich es schaffen". Außerdem rüttelt Frau Preusker auf, sie regt zum Diskutieren an. Auch, wenn die Stimmen oft gegen sie sein mögen, auch negative Publicity ist Publicity und sorgt dafür, dass das Thema immer wieder diskutiert wird, und das ist gut.
Was ich von dem Buch erwarte? Das Buch hat den Untertitel MEINE GESCHICHTE VOM ÜBERLEBEN. Ich erwarte also keine psychologische Analyse (was viele dem Buch negativ ankreiden: die Autorin hätte als Psychologin doch bitteschön eine Abhandlung über das Thema Sozialtherapie schreiben sollen), und ich erwarte auch keine detailgetreue Beschreibung der sieben Stunden der Geiselnahme. Sondern ich erwarte, dass sie erzählt, wie es ihr währenddessen aber vor allem danach ging. Wie sie es geschafft hat, dieses Thema zu bewältigen. Wie sie ihren Alltag meistert. Wie und wodurch sie womöglich getriggert wird und welche Langzeitfolgen das Geschehen bei ihr ausgelöst hat. Wie sie gelernt hat damit zu leben.
Noch habe ich erst wenig Seiten gelesen, aber schon einiges überblättert und scheine in dem Buch genau das zu finden, was ich darin lesen möchte. Ich habe nun ein wenig Zeit und freue mich schon sehr darauf, es am Stück zu lesen. Es ist ein Buch, das ich nicht lange verteilen sondern recht zeitnah lesen möchte, damit der Gesamteindruck auf mich wirken kann. Und ich freue mich, es Euch danach umgehend vorzustellen!
SaschaSalamander 04.10.2011, 09.23 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL
Lessons in Lack
>Die Autorin< schildert ihre Erfahrungen als "Jungdomina Lady Elvira" im Studio Medea, Baden Würtemberg. Sie hat gerade ihr Studium begonnen und möchte gerne etwas dazuverdienen. Ihrer Neigung entsprechend entschließt sie sich für die Arbeit in einem SM-Studio. Dort entwickelt sie sich von einer Studentin hin zur selbstbewussten jungen Frau, die ihren Weg kennt.
Sie erzählt über die verschiedenen Aspekte ihrer Arbeit, der Vereinbarkeit von Studium und Studio. Der Leser erhält Einblicke in den Alltag einer Domina, lernt die unterschiedlichen Charaktere und Vorstellungen der Mitarbeiter kennen. So verschieden die Wünsche der Kunden sind, so unterscheiden sich auch die Vorgehensweisen der einzelnen Kolleginnen. Und vor allem geht es sehr, sehr menschlich zu, denn auch eine Herrin ist noch immer eine Frau. Dieses Buch kratzt gewaltig am Lack dessen, was der Alltagsmann sich unter einer stets dominanten, unberührbaren Herrin vorstellt, und doch poliert es das Image dieses Gewerbes liebevoll auf.
Ich weiß nun nicht so recht, wo ich anfangen soll, und vielleicht wirkt meine Rezension diesmal ein wenig chaotisch. Aber das ist in Ordnung, denn auch das Buch ist kein geradliniger Verlauf, sondern es schildert verschiedene Abschnitte, die nicht unbedingt immer zusammenhängen müssen sondern einfach nur punktuell ein Thema behandeln. Das gefällt mir, denn so kann man auch ohne Zusammenhang das Buch an jeder Stelle aufschlagen, daraus lesen, vorlesen, sich amüsieren, man wird es danach nicht mehr weglegen. Immer wieder einmal, wenn ich laut lachte oder aufjaulte, (sosehr litt ich mit den Beteiligten mit, nicht vor Schmerz sondern ob der obskuren Situationen), wollte mein Freund wissen, was los sei, ich las ein paar Seiten vor, und wir lachten gemeinsam.
Bei Nora Schwarz sitzt jedes Wort, jede Metapher. Originelle Beschreibungen machen die Situationen so plastisch, als wäre man live dabei. Oft verzog ich qualvoll das Gesicht oder guckte ebenso überrumpelt wie Jungdomina Elvira in diesem Moment. Ungläubigkeit, Staunen, Fassungslosigkeit, Wut, Hilflosigkeit, der Leser wird durch die gesamte Palette an Emotionen geführt und erleidet diese am eigenen Leib, während die Autorin von ihren Erfahrungen erzählt.
Da wäre etwa die erste Probesession mit einer älteren Herrin, die in tiefstem Schwäbisch ihre Anweisungen gibt und von Dominanz eine ganz andere Vorstellung hat als Elvira. Das erste Arbeiten alleine mit der unglücklichen Trans-Nummer von "Rudi" in seinen RosenkohlStiefeln. Das Outing vor den Eltern und ihrer Freundin. Ein ungewöhnliches Arbeiten mit einem Senioren berührte mich sehr, denn eine Domina ist oft auch Psychologin und Krankenschwester. Besonders witzig gelungen ist ein Rollenspiel, in das Lady Elvira ungefragt einfach ohne Ankündigung hineingeworfen wurde. Auch die Vorführung der Chefin, wie eine perfekte Domina sich benehmen müsse, war sehr eindrucksvoll, zeigte sie doch wieder sehr deutlich, wie weit die Wünsche und Vorstellungen manchmal auseinander liegen.
Was mich ein wenig störte ist, dass die Autorin sehr oft abschätzig von Gästen, Kollegen und Chefin redet. Andererseits mit einem solch umwerfenden Charme und so überspitzt, dass man doch den Respekt vor der Verletzlichkeit und den Sehnsüchten ihrer Gäste erkennen kann. Zudem stellt sie sich auch selbst dem Feuer ihrer Kritik. Mitten in einer Session wölbt sich der Busen über das Korsett, springt Ihr ein Knopf von der Bluse, wird sie überrumpelt von dem dreisten Verhalten eines Gastes, muss sie sich das Lachen verkneifen oder begeht Fehler, die eben passieren, wenn Menschen am Werk sind. Das gefällt mir, zeigt es doch, dass eine Herrin nicht immer perfekt sein muss und auch eine Domina ihr Handwerk schrittweise lernt und selbst nach vielen Jahren danebenliegen kann. Der Leser kann sich einige Male angesprochen fühlen und wird sich hier und da in seiner Einstellung oder seinem Verhalten wiederentdecken.
Inwieweit nun alles realistisch ist, ob und wie Namen verändert wurden und welche der Szenen "dramaturgisch verändert" wurden, das weiß nur die Autorin allein (ich hatte jetzt auch nicht das Bedürfnis zu googeln, wozu?). Aber es ist mir egal, denn ob nun 100 % real oder nicht, ich habe mich hervorragend unterhalten, das Buch wandert in mein Regal, und ich bin sicher, es ist sehr viel Wahres zwischen diesen Buchdeckeln zu finden.
Ein paar Beispiele ihres Schreibstils gefällig? ;-)
Ich war nicht ernsthaft entsetzt über das, was sie mir gerade erzählt hatte. Dennoch fühlten meine Ohren durch diese wertvollen Ratschläge irgendwie gewaltsam entjungfert an. (S. 74)
Die schenkellangen Stiefel waren nämlich so grün, als wollten sie mich an meinen Kindheitsekel vor Rosenkohl erinnern. Das geradzu quietschende Grün, das da seine Beine einhüllte, führte auch nur bei kurzem Hingucken einen derart heftigen Pigmentkrieg mit den pinken Wänden von Studio zwei, dass meine Netzhaut aufjaulte. (S. 75)
Ihre Stimme ätzte kleine Löcher in die schwarze Lacktapete der Wände. (S. 191)
Von ihr würde ich so wenig über weibliche Dominanz lernen wie von SpongeBob. (S. 198)
Die Schmetterlinge, die gerade noch meine Mageninnenwände mit ihrem Geflatter gestreichelt hatten, sanken nun ohnmächtig nach unten an den tiefsten Punkt meines Magens. (S. 336)
Ein erotisches Buch (prickelnd, spritzig, heiß etc) darf man nicht erwarten. Ebensowenig eine Lebensbeichte im Stil der Belle de Jour oder Fucking Berlin. Auch nicht das Erfolgsrezept einer bekannten Domina wie Princess Spider. Dafür aber einen unterhaltsamer Ausflug hinter die Kulissen eines SM-Studios. Ich empfehle das Buch allen, die das Thema Sexualität nicht ganz so ernst nehmen und auch über sich selbst lachen können :-)
SaschaSalamander 08.06.2011, 09.34 | (0/0) Kommentare | PL
Don´t worry, be German
NICHTS GEGEN ENGLÄNDER, UNTER DEUTSCHEN BETTEN und NOTHING FOR UNGOOD haben mich aus jeweils ähnlichen Gründen ziemlich genervt: weil voreingenommen eine Kultur schlecht gemacht wurde unter dem Deckmäntelchen des Beobachtens. Aber ich habe keine Lust, ständig zu lesen, wie gemein die Deutschen sind, wie dämlich die Engländer doch sind und wie unhöflich unsere Kultur ist und überhaupt Schließlich gibt es nicht "den" Deutschen oder "den Ami", sondern eine Kultur ist einfach ein Mischmasch aus allen, die darin leben, und da ist es unfair, alles über einen Kamm zu scheren und schlechtzumachen. Diese Bücher waren alle drei vielmehr Jammern als Beschreiben, und alle drei habe ich am Ende nur noch überflogen und dann weggelegt.
Da finde ich dagegen DON´T WORRY, BE GERMAN von John Doyle gerade sehr angenehm und auch witzig, das hat mir gefallen. Stellenweise zwar ein wenig klischeehaft, aber ich wollte ja auch kein Sachbuch, sondern einen persönlichen Erfahrungsbericht. Und klar, da schreibt der Autor natürlich davon, was er erwartet hatte und was er dann erhielt.
Ich finde es schön, dass er weder Amerika noch Deutschland als das bessere Land darstellt. Er arbeitet einfach die Unterschiede heraus und beschreibt, was ihm schwerfiel, als er damals hier nach Deutschland kam. Aber auch, wie er sich sosehr dran gewöhnte, dass er dann in Amerika Dinge vermisste oder anders machte als dort üblich. Er beschreibt, was ihm hier und dort besser gefällt, ohne dabei die andere Variante schlechter zu machen, arbeitet mit spitzer Feder Vor- und Nachteile eines Verhaltens heraus, sodass man am Ende nur sagen kann, dass beide Länder toll sind.
Eines von vielen Beispielen: er beschreibt, wie er anfangs erstaunt war, dass in deutschen Restaurants die Bedienung so viel langsamer ist als in Amerika. Dass man auf sich aufmerksam machen muss, wenn man zahlen will. Dass man manchmal ewig zu hocken scheint. Grade, wenn man es gewohnt ist, in Amerika zügig bedient zu werden und alles schnellschnell zu machen beim Essen. Das hat ihn sehr gestört, aber irgendwann hat er gemerkt, dass es auch mal toll ist, stundenlang mit nur einem Getränk im Café zu hocken und zu genießen, ohne wie in Amerika für den nächsten Kunden rausgeworfen zu werden. Und dass es schön ist, wenn man einfach gemütlich essen und plaudern kann, in Ruhe und ohne Hektik. Klar ist es lästig, wenn man zahlen will und keiner kommt. Aber es ist auch schön, wenn man nicht quasi schon rausdirigiert wird, wenn man bereits den letzten Happen auf die Gabel nimmt.
Nur ein Moment von vielen, aber das gefällt mir eben an diesem Buch. Dieser Kompromiss. "Hey, alles hat Vorteile und Nachteile". Und auch die unausgesprochene Essenz "sieh es doch positiv, statt Dich darüber zu ärgern". Er schafft es auch sehr gut, kleine Mängel anzusprechen und genau mit dem Finger in der Wunde zu wühlen, aber ohne dabei zu verletzen oder anzuprangern. Etwa die Sache mit dem "Du" oder allgemein einer laxen Begegnung ist schon ganz schön kompliziert mit ihren unausgesprochenen Regeln in Deutschland. Aber er beklagt sich nicht und wettert nicht. Sondern er schildert einfach seine viele Fettnäpfen, als er sich bei der Schwiegermutter zu locker vorstellte, als er den Nachbarn nach langer Zeit glaubte endlich mit "Tagchen" statt "guten Tag" begrüßen zu dürfen. Und dann erzählt er, wie Menschen, die sich seit 10 Jahren kennen und im selben Büro arbeiten nun auf einmal sich die Hand schütteln und zunicken, beschließen sich zu duzen und sich gegenseitig mir ihren Vornamen vorstellen, als hätten sie 10 Jahre zuvor nicht gewusst, wie der andere überhaupt mit Vorname heißt. Ja, da musste ich laut lachen, das ist schon schräg, wenn man das mal von außen betrachtet, er hat absolut recht! Aber es ist nicht schlimm. Sondern es ist lustig. Erst recht mit seinem Schreibstil, der mich unzählige Male zum Lachen brachte. Allein die Vergleiche zwischen der First Lady aus Amerika und dem "First Man" in Deutschland, oder die Beschreibung des First Dog! Ich habe herzlich gelacht! Ein Gute-Laune-Bauch mit vielen Aha-Effekten, bei dem man sich oft genug selbst ertappt.
Nachdem ich mit den ganzen anderen Titeln fast schon befürchtet hatte, kein passendes Buch mehr zu finden, hat dieses mir dann die Hoffnung gegeben, weiterhin in diesem Genre zu lesen. Es gefiel mir so gut, dass mein Freund wieder ständig dran glauben musste, weil ich ihm irgendeine Passage vorlesen musste. Wenn er nicht sowieso von sich aus fragte, warum ich schon wieder so lache. Es gab dann auch sehr viele interessanten Diskussionen, nachdem wir gemeinsam gelacht hatten, denn es steckt recht viel Wahrheit in diesem Buch, und bei einigen heiklen Themen hatten wir recht interessante Gesprächsthemen.
Wer also gerne einen cleveren und doch witzigen, sympathischen Blick auf die Schrullen und Eigenheiten der Deutschen haben möchte, der sollte die anderen Titel liegenlassen und auf jeden Fall zu John Doyle greifen.
SaschaSalamander 25.04.2011, 09.42 | (0/0) Kommentare | PL
Abgründe
Eine Inhaltsangabe im klassischen Sinne kann man hier nicht geben, es ist ja kein Roman. Aber eine Umschreibung ist möglich: er schreibt im Vorwort, wie die Sieben Todsünden der Bibel sehr mit den Mordmerkmalen (Heimtücke, Habgier, Wollust u.a.) der heutigen Gesetze ähneln. Er schreibt nun in verschiedenen Kapiteln über einzelne Mordmerkmale. Jedem Kapitel widmet er entweder einen Fall (wenn es um einen konkreten Mordfall geht) oder mehrere Beispiele (wenn er einzelne Aspekte darlegen möchte).
Er sagt schon zu Beginn, dass er die psychologische Seite weglassen will, er ist schließlich kein Psychologe. Über diese Seite der Hintergründe muss man also andere Bücher lesen, wenn einen das interessiert. Und auch die juristischen Aspekte klammert er aus. Hier und da schreibt er zwar seine Meinung (wenn er über einige Möglichkeiten und Grenzen der Gesetzgebung frustriert ist), aber auch dies ist nicht Teil des Buches.
Ihm geht es um den Fall an sich. Er schildert meist, wie ein Fall ablief. Dann wird erzählt, wie er zu den Ermittlungen hinzugezogen wurde und wie er schrittweise dem Täter näherkam. Mal ein akribisches Detektivspiel aus endlosen Zeugenbefragungen, mal war der Täter bekannt aber nicht geständig, mal Kommissar Zufall. Es ist spannend, auch aus dieser Sicht zu erfahren, wie ein solches Verbrechen behandelt wird und welche Maßnahmen erforderlich sind zur Verurteilung.
Dieses Buch hat seine Stärken und Schwächen. Eine Schwäche liegt darin, dass man klar merkt, dass er eben kein professioneller Autor ist. Manchmal hat er einen Schreibstil, der doch sehr umgangssprachlich ist. Aber es passt in diesem Fall, denn es ist ja ein Erfahrungsbericht. Würde er gestelzt schreiben oder sich verbiegen, wäre es nicht mehr sein Buch, wären es nicht mehr seine Erfahrungen. Eine weitere Schwäche finde ich die eher unklare Struktur. Die Kapitel sind klar überschrieben, dennoch gibt es auch hier eine Inkonsistenz, etwa "morden Frauen anders als Männer" ist zwar sehr interessant, aber eben kein Mordmerkmal. Ich hätte dann entweder allgemeine Überschriften genommen oder aber wäre klar in der Linie geblieben (der Lektor sah das anders, ist also nur meine persönliche Meinung). Und bei den Fällen hätte ich es schön gefunden, ebenfalls eine Art klare Linie zu haben. Aber mal schreibt er erst vom Fall, ein andermal erst von dem Täter, das nächste Mal gibt es gar keinen Fall. Macht das Buch abwechslungsreich, aber auch etwas unstet und chaotisch.
Was mir etwas aufstieß war das Kapitel über das Thema "Perversion". Das, was er schreibt, war wirklich sehr heftig, ohne Zweifel. Aber es ging nicht um Morde. Sondern zuerst beschrieb er nur einen Fall, wo man einen Verdacht auf Kannibalismus aus sexuellen Motiven hatte, der sich dann aber einfach nur als Kontaktanzeige herausstellte von zwei Leuten, die zwar sehr heftig aber dennoch konsensuell miteinander agieren, ohne dass es illegal wäre. Danach beschreibt er ein paar Perversionen und Unfälle. Aber eben keine Morde. Dieses Kapitel kommt mir eher vor, als hätte er sich Luft machen wollen, was für seiner Ansicht nach abartige Dinge er schon alles gesehen hat (ob nun nicht strafbare Sodomie oder heftigste Praktiken im SM-Bereich). Passt überhaupt nicht ins Buch, und er wird hier auch sehr unprofessionell. In den anderen Kapiteln schreibt er fachlich aus der Sicht des Ermittlers, hier schreibt er rein als Mensch, welchen Ekel und Abscheu er für dieses Tun empfindet (was er beim brutalen Mord teilweise nicht tat, sondern immer wieder seine Professionalität ins Licht rückte. Sind ungewöhnliche konsensuelle Praktiken abartiger als brutaler Mord?!?).
Ansonsten jedoch gefiel mir dieses Buch sehr, sehr gut. Grade, WEIL es sehr menschlich war in Bezug auf die Mordfälle. Ermittler sind Menschen, keine Maschinen, und sie machen Fehler (dazu steht er und schreibt einige Male auch, dass er hier hätte anders reagieren müssen oder dass er sich hatte überrumpeln lassen oder zu weit ging und fast ein Diszizplinarverfahren bekommen hätte). Sie haben Gefühle, wenn sie einem Mörder gegenüberstehen. Und der vermeintlich süße Triumph weicht dann am Ende einer bitteren Schwere. Auch, wenn er sieht, wie seine harte Arbeit an der Justiz abprallt, welche einen Gewalttäter laufen lassen muss, weil die Beweise fehlen. Oder wenn jemand entlassen werden muss (Sicherheitsverwahrung war bei Jugendlichen damals nicht möglich), von dem man ahnt, dass es zu früh ist, und der kurz darauf tatsächlich erneut eine Straftat begeht.
Dieses Buch liest sich sehr flüssig, die Fälle machen betroffen. Ein wenig Sensationsgier mag bei manchem Leser mitschwingen, aber ganz klar ist dies nicht das Ziel des Buches. Sondern es zeigt dem Leser, welche Gründe einen Menschen zu Mördern machen können, welche verschiedenen Arten von Tätern es gibt und wie ein Ermittler dann mit diesen Erfahrungen bei seiner Arbeit umgeht. Sehr zu empfehlen für alle, die sich gerne mit diesen Themen befassen :-)
SaschaSalamander 18.04.2011, 09.26 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL
Unter deutschen Betten
Ich hatte eigentlich mit einer Satire gerechnet. Statt dessen klingt es teilweise sehr gehässig (Satire entlarvt und kann auch böse sein, jedoch auf andere Weise), dann wird sehr viel gejammert. Einerseits erzählt die Autorin immer wieder, dass sie stolz darauf ist und sie Putzfrauen alle mehr Respekt verdient hätten, andererseits hackt sie ziemlich böse auf ihren Arbeitgebern herum, redet sehr respektlos über andere und zeigt sich selbst von einer Seite, die nicht wirklich sympathisch ist.
Klar tut sie mir leid in dem, was sie teilweise erlebt hat, trotzdem ist das Buch eher eine Jammertirade auf die bösen Deutschen, welche sich einbilden, junge Polinnen für einen Hungerlohn als Putzsklavin zu missbrauchen und sich dann auch noch einbilden können, sexuelle Dienste zu bekommen und keinerlei Höflichkeit walten lassen zu müssen im Umgang miteinander. Aber so, wie es eben solche und solche Putzfrauen gibt, so gibt es eben auch solche und solche Arbeitgeber.
Zudem hatte ich eigentlich ein witziges Buch erwartet, in dem eine Putzfrau aus ihrem Alltag erzählt und ein paar Dinge "enthüllt". Dass man statt dessen die halbe Biographie der Autorin zu lesen bekommt, macht es nicht wirklich spannender. Eine junge Frau, die Träume hatte, hier nach Deutschland kam und dann böse enttäuscht wurde. Während die Polen so warmherzig und voller Gastfreundschaft sind, sind die Deutschen ziemlich kaltherzig.
Es kommen beim Lesen dieses Buches immer wieder Gedanken in mir auf, die ich hier nicht aussprechen werde. Aber ich schätze, Euch werden beim Lesen dieser Zeilen hier ähnliche Dinge durch den Kopf gegangen sein gerade.
Warum ich trotzdem überfliege und einzelne Kapitel bis zum Ende lesen werde? Der Schreibstil ist angenehm einfach zu lesen. Und, wie gesagt, hier und da sind dann doch ein paar witzige Texte eingestreut, die das halten, was das Buch im Ganzen ursprünglich versprochen hatte. Schade. Es HÄTTE ein gutes Buch werden KÖNNEN.
SaschaSalamander 12.03.2011, 22.14 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL
Föhn mich nicht zu
Wenn ich mich bei den Rezis so umsehe (spoilern kann man hier nicht viel, also habe ich es gewagt), scheint vielen entgangen zu sein, dass es sich bei diesem Buch um eine Satire handelt. Zugegeben, der Übergang von der pointierten Darstellung der Realität hin zum Übertreiben ist manchmal nur schwer ersichtlich, aber der gesunde Menschenverstand hilft da enorm weiter.
Das Buch tut mir unglaublich gut, ich lache sehr viel, lese meinem Freund daraus vor. Eigentlich sollte man nicht lachen, denn die Realität ist leider zu traurig, aber Herr Serin hat das eben einfach treffend karikiert. Ich habe selbst schon vor solchen Klassen gestanden (gut, nicht gerade in Neukölln oder Kreuzberg, aber meine Schüler ohne jeglichen Abschluss auf eine Ausbildung vorzubereiten hat sich wohl in vielen Dingen ähnlich angefühlt). Und ich erkenne so manches wieder, das er schreibt.
Ja, unser Schulsystem krankt sehr. Aber man kann es nicht alleine auf die Lehrer schieben oder auf die mangelnde Erziehung durch die Eltern oder auf das Verhalten der Schüler oder auf die schlechten Lehrprläne oder ähnliche Dinge. Sondern es spielen viele Aspekte eine Rolle, und sehr schnell gerät man da in eine Spirale. Ich finde, das hat er hier super dargestellt: mit jeder Menge Humor (gerne auch auf seine eigenen Kosten), kritisch und doch ohne Zeigefinger.
SaschaSalamander 10.03.2011, 08.59 | (0/0) Kommentare | PL
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