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Tag: Drama
Wie ein Stein in mir
An sich lese ich Bücher dieses Genres nicht gerne. Auch ohne, dass ein persönliches Schicksal mit dem dritten Reich verknüpft ist, finde ich das Thema sehr belastend. Ich lese da eher Fachbücher oder besuche Ausstellungen. Filme und Bücher, die in dieser Zeit spielen, finde ich schrecklich. Aber deswegen verschließe ich natürlich dennoch nicht die Augen und greife hier und da zu. In diesem Fall deshalb, weil ich die Person des Janusz Korczak schon immer sehr interessant fand. Auch lese ich gerne Bücher um Kinderschicksale, zum Beispiel von Torey L Hayden. Dieses Buch vereint mehrere Themen: das Schicksal eines traumatisierten Kindes, die Zeit des dritten Reiches 1942, die Pädagogik des Janusz Korczak. Ein Jugendbuch, aber aus genau diesen Gründen dennoch harte Kost, oh ja!
Die Rezension wurde sehr lang, denn in Rezensionen verarbeite ich gelegentlich auch Leseeindrücke. Dies ist hier der Fall: WIE EIN STEIN IN MIR ist ein Buch, das verarbeitet werden muss. Wem das zuviel ist, der kann gerne auf meine >Kurzfassung bei Amazon< zurückgreifen ;-)
INHALT
Esther ist 13 Jahre alt, als sie in das Waisenhaus Dom Sierot des Janusz Korczak gebracht wird. Was sie zuvor erlebte, ließ sie verstummen, kein Wort vermag sie mehr zu sprechen. Der Arzt, die Schwestern und die Kinder nehmen Esther herzlich in ihrer Mitte auf. Schritt für Schritt gewinnt Esther Vertrauen, lernt ihre Vergangenheit aufzuarbeiten und sich in der Gruppe zu integrieren. Doch während im Dom Sierot die Welt Wärme und Liebe verspricht, tobt draußen der Krieg, und auch vor den Kindern wird er nicht innehalten ...
KEIN SPOILER
Ich habe lange überlegt, ob ich spoilern soll oder nicht. Aber ich empfinde es nicht als Spoiler. Denn, mal ehrlich: das Buch spielt im dritten Reich und handelt von realen Personen. Gut, Korczak ist vielen vielleicht nicht so bekannt wie meinetwegen Anne Frank oder andere Menschen, die im KZ verstarben. Dennoch ist er ein bedeutender Pädagoge, Autor sowie Namensgeber vieler Schulen und Straßen. Deswegen sehe ich es nicht als Spoiler, wenn ich im Laufe der Rezension Andeutungen über das schreckliche Ende des Buches mache. Ich spoilere auch nicht, wenn ich sage, dass ANNE FRANK am Ende stirbt oder dass in SCHINDLERS LISTE viele Juden den Tod finden. Und ebenso ist es hier bei WIE EIN STEIN IN MIR. Wer das Buch liest, der sollte wissen, was ihn erwartet. Ich habe das Tagebuch des Dr. Korczak noch nicht gelesen, daher weiß ich nicht, ob das Mädchen Esther eine fiktive Figur aus der Feder der Autorin Vandewijer ist, oder ob sie tatsächlich in seinen Aufzeichnungen vorkommt und das Buch somit eine dramatische Aufarbeitung der realen Ereignisse ist. Doch Esther hin oder her - das Buch behandelt reale Ereignisse und ist somit ein Stück Geschichte. Und Geschichte kann man nicht spoilern ;-)
CHARAKTERE
Die Charaktere des Buches berührten mein Herz. Obwohl alles aus Sicht Esthers geschrieben ist, werden sie doch sehr greifbar und lebendig. Der "alte Doktor" erzählt hier und da aus seiner Vergangenheit, berichtet was ihn bewegt und beschäftigt. Doch er ist mit Ausnahme von Esther die einzige Figur, über deren Leben man etwas erfährt. Der Leser erhält ein sehr gutes Bild über seine Pädagogik, seine Einstellung, seine Liebe zu den Kindern. Die Kinder des Waisenhauses werden nur von außen geschildert und bleiben somit im Hintergrund aber keineswegs blass. Sie alle erhalten Persönlichkeit, Vorlieben, sehr schnell kann der Leser sie alle auseinanderhalten. Den kleinen Geigenspieler, der Gärtner, die quirlige Plaudertasche, den in Esther verliebten Jungen und all die anderen Waisen. Der Leser erlebt sie so innig, dass sie während der Lektüre quasi zu Freunden werden. Und je mehr man sie lieb gewinnt, desto schwerer fällt es, umzublättern, desto größer wird der Kloß im Hals, wenn man sich dem Ende nähert.
AUFBAU
Das Buch besteht aus drei sich abwechselnden Einheiten: eine leere Seite mit einem Zitat von Korczak. Diesen entnimmt man Gedanken über Pädagogik, Kinder oder seine Einstellung zum Leben. Die Zitate sind sehr gut passend zum Buch gewählt. Dann gibt es Aus der Ich-Perspektive das Erleben von Esther. Sie beschreibt ihren Alltag, das Erleben der Umwelt, das Handeln der anderen. Hierin erfährt der Leser viel über das Leben im Heim sowie nach und nach immer mehr über die drohende Gefahr des Krieges. Und dann gibt es Esthers Tagebucheinträge. In diesen schreibt sie das täglich Erlebte aus ihrer Innensicht, hier schreibt sie ihre Gefühle und Gedanken nieder, die im Alltag keinen Platz finden. Die Kapitel sind in der Regel 2 bis 10 Seiten.
Die Bedrohung im Hintergrund ist stetig präsent. Korczak schützt die Kinder, sogut es ihm möglich ist, er hält die Welt von ihnen fern, vermittelt ihnen Liebe und Geborgenheit. Doch durch Esthers frühere Erlebnisse und durch einzelne Aktionen mit der Außenwelt (Verkauf von Büchern, ein Kind kommt zu spät nach Hause und erzählt von seiner Flucht vor den Kontrollen) erfährt der Leser immer wieder kurze, schreckliche Einzelheiten über das Voranschreiten des Krieges.
Anfangs interessiert es den Leser brennend, was nun mit Esther geschehen ist. Das ist ja schließlich eines der Hauptthemen des Buches. Doch je mehr die Handlung voranschreitet, desto unwichtiger wird es. Es ist egal, denn alle haben Schlimmes erlebt. Was nun immer mehr zählt, das ist wie es weitergeht. Obwohl man das Ende kennt, hofft man doch, dass die Kinder diesem Schicksal entgehen können. Es zählt nicht mehr, was Ester damals wiederfahren ist. Es ist nur wichtig, dass sie sich in die Gruppe eingliedert, Freunde findet, dass sie sich wohl fühlt, dass sie wieder Vertrauen fassen kann, dass sie die Schrecken ihrer Vergangenheit ablegt. Und je glücklicher sie wird, desto schrecklicher wird das Buch zu lesen, denn man weiß, dass ihr Glück nicht von Dauer sein wird. Das Buch endet vermeintlich glücklich, denn es ist aus Sicht von Esther erzählt. Der Doktor will die Kinder vor dem Schicksal schützen, und die Kleinen ahnen nicht, was ihnen droht. Und so erlebt Esther den schönsten Tag seit langer Zeit, hat endlich gefunden, was sie suchte, und sie geht strahlend in eine neue Zukunft. Es zerreißt dem Leser das Herz, die glückliche Wahrnehmung des Kindes gegenüber der grausamen Realität zu sehen ...
SPRACHE
Die Sprache ist schlicht gehalten und passt sehr gut zur Person der Esther. Kurze Sätze, selten ein Komma, der Satzbau sehr einfach. Oft nur Gedankenfetzen, die sich dem Leser zeigen. Doch trotz der knappen Worte vermag es die Autorin (bzw zugleich der Übersetzer), die Welt in melodische Bilder zu verpacken.
Ein Beispiel für die Gedankenfetzen: "Ich sammle die Fetzen. Wie die Glieder einer Kette will ich sie aneinanderreihen. Ich darf diese Kette nicht verlieren. Der Junge zieht mich weiter. Am Arm, ungeduldig. Ich sehe mich selbst gehen. Meine Seele hoch in der Luft. Ich weiß nicht, ob mein Körper atmet. Das Haus hier. Welches Haus? Spielende Kinder." Diese knappen Worte lesen sich sehr flüssig, es dauert nur drei bis vier Seiten, bis man sich daran gewöhnt hat.
Auffällig in der Beschreibung der Außenwelt Esthers ist auch die Form der Dialoge: nicht wie sonst üblich mit "sagte" oder "erklärte" und anderen Verben des Sprechens. Sondern der Satz wird in Anführungszeichen quasi hingeworfen, und in Klammern steht dahinter der Name der sprechenden Person. Dies verdeutlicht sehr schön, wie Esther Sätze hört und sie im Nachhinein, verlangsamt noch immer durch ihren Schock, einzelnen Personen zuordnet. Die Aussage. Die Person. Alles andere ist unnötiger Ballast für das Mädchen.
Obwohl das Buch durch viel freies Papier (ein Kapitel beginnt auf einer neuen Seite, die Zitate stehen auf einer eigenen Seite), eine angenehme Schriftgroße und die einfachen Sätze sehr schnell gelesen sein könnte, brauchte ich erstaunlich lange für meine Verhältnisse. Der schwer verdauliche Inhalt führt dazu, dass man es nicht überfliegen möchte. Man sollte sich also Zeit und Muse nehmen für dieses Buch.
JUDEN, DRITTES REICH
Immer wieder blitzen Momente des Krieges in die Welt der Kinder. Und auch das Thema Judentum ist stets präsent. So besuchen der Doktor und Esther eine Beerdigung. Auch soll Esther einen Aufsatz schreiben über die Stimme der Steine, wo sie über die Steine auf den Friedhöfen sinniert. Später wird ihr ein Aufsatz über die 36 Gerechten zugeteilt, und im Waisenhaus laufen die Vorbereitungen für das Versöhnungsfest Jom Kippur. In der Gruppe der Kinder ist zudem auch ein Junge, der gerne Witze erzählt von Moschje, dem Rabbi, seiner Religion. Doch abgesehen von solchen Momenten geht es in diesem Buch vordergründig nur um Ester, die Kinder und Korczak. Doch im Hinterkopf des Lesers schwebt das Wissen um das Ende wie ein Damoklesschwert über jeder Seite, über jedem glücklichen Moment.
JANUSZ KORCZAK
Er wurde in WIE EIN STEIN IN MIR wunderbar eingefangen. In vielen herzlichen Situationen erfährt der Leser von seiner Pädagogik. Wie er zuhört, wie er die Kinder behandelt. Das Buch ist kein Lehrstück, kein Sachbuch. Doch zwischen den Zeilen erfährt man sehr viel über das Leben der Kinder im Heim: es gibt eine eigene Zeitung, ja sogar ein Kindergericht. Nicht nur die Erzieher verhängen Strafen über das Fehlverhalten. Sondern die Kinder leben in einer Art eigenem kleinen Staat mit eigener Hirarchie und einem Rechtssystem. Es ist bewegend, mit wieviel Verantwortung und kindlicher Weisheit sie an ihre Aufgabe herangehen.
Neben Esther ist er die einzige Figur, die klar beschrieben ist und von der man mehr erfährt. Ich halte dieses Buch für sehr gut geeignet als Schullektüre: es werden sehr viele Werte vermittelt, es ist höchst pädagogisch und behandelt eine wichtige Zeit unserer Geschichte. Während aber Bücher wie zum Beispiel DER HERR DER FLIEGEN die schlechte Seite der Menschen zeigen und die Verderbtheit von Kindern darlegen, zeigt WIE EIN STEIN IN MIR, wozu Kinder fähig sind, wenn man sie als Erwachsener mit Liebe führt und ihnen hilft, ihre innewohnenden Kräfte zu erkennen und auszuleben.
Über den "alten Doktor" als Person (wie er von den Medien damals genannt wurde und wie er auch einmal im Buch genannt wird) erfährt man in kleinen Brocken viele interessanten Dinge. Etwa über sein Buch KÖNIG MACIUS, seine Tätigkeit als Arzt im Krieg, seine Radioauftritte. Dies ist nicht Hauptbestandteil des Buches, macht interessierte Leser aber sehr neugierig auf mehr von diesem fasziniernden Mann.
FAZIT
Eine bewegende Geschichte, ein ergreifendes Schicksal, ein ungewöhnlicher aber wundervoller Schreibstil: WIE EIN STEIN IN MIR ist eines der seltenen Bücher, das ich uneingeschränkt für alle Leser empfehlen kann.
SaschaSalamander 22.02.2012, 09.34 | (0/0) Kommentare | PL
Shortbus
Eine klassische Handlung im eigentlichen Sinne gibt es nicht. Protagonistin ist die Paartherapeutin Sofia, die selbst noch niemals einen Orgasmus erlebt hat. Im Club "Shortbus" trifft sie auf weitere Hauptcharaktere. Etwa ein schwules Paar, von denen einer polygam ist und der andere Suizidgedanken hegt. Eine Domina auf der Suche nach Heim und Herd. Der trannssexuelle Leiter des Clubs. Ein Voyeur, der dem schwulen Pärchen gegenüber wohnt. Und einige weiteren interessanten Personen, die man im Laufe des Filmes kennenlernt. Sie treffen sich im Club, tauschen sich über ihre Erfahrungen beim Orgasmus und während des Sex aus, leben ihre Lust und tragen ihr inneres Leid täglich mit sich. Es geht weniger um die Handlung, auch nicht um den (ausgiebig gezeigten) Sex, vielmehr um die Charaktere, ihre Wünsche und Sehnsüchte. Und die Darstellung von Sexualität als etwas Alltäglichem.
CHARAKTERE
Die Protagonisten sind sympathisch, skurrill und ungewöhnlich. Das Ungewöhnliche daran ist, dass sie auf ihre Weise absolut normal sind. Sie sehen normal aus, der Film wurde "normal" gedreht, so als hätte man beliebige sexuell aufgeschlossene Personen von der Straße genommen, um einen Film zu drehen. Das gefällt mir, da es keine Superheroes, aber auch keine klassischen Antihelden sind. Sondern ganz normale Menschen. Es bleibt für den Zuschauer sehr viel Raum zur freien Interpretation. Wir haben während des Filmes viel diskutiert, auch kurz pausiert, um mögliche Bedeutungen einzelner Szenen zu hinterfragen. Die Vergangenheit, die Motive, die tatsächlichen Gefühle und Gedanken bleiben dem Zuschauer fern. Es wird zwar über Sex geredet, doch die wahren Gefühle dahinter sind vor der Kamera verborgen. Sehr viel Handlung ergibt sich aus Kameraführung, Blicken, Gesichtern und schweigend vollführten Aktionen.
SEXUALITÄT
Hier wird sehr offen und freizügig alles gezeigt. Dass der Film ab 18 sein muss, ist unbestritten. Man sieht deutlich Geschlechtsteile, bereits zu Beginn des Films werden die Protagonisten in sehr expliziten Szenen gezeigt, sowohl alleine als auch zu mehreren. Hierbei wird bereits klar, dass es weniger um den Sex als solchen geht, als vielmehr um die kunstvoll inszenierte szenische Darstellung durch die Filmemacher. Musik, Bild, Schnitt, alles geht Hand in Hand und vermittelt ein sehr geschmackvolles Bild.
Wer es gerne "normal" möchte, wird den Film schnell ausschalten. Es gab nicht eine "normale" Szene in diesem Film (bis auf ein Paar zu Beginn, und selbst hier waren die Positionen sehr kreativ und sportlich). Hier gibt es Homosexuelle, Transsexuelle, Gewerbliche. Senioren und Jungspunde. Menschen, die es liebend und innig wollen, andere die Schmerz und Demütigung wollen. Paare in geschlossenen Beziehungen ebenso wie polyamouröse Bindungen. Und alle streben sie nur nach einem: zu sich selbst zu finden und Zufriedenheit zu erfahren, jeder auf seine Weise. Nichts davon wird pervertiert oder abgewertet, alles hat seine Berechtigung, der Film zeigt eine pralle Vielfalt, ohne dabei anrüchig zu werden.
Erstaunlich ist, dass der Film eindeutig dem Genre Porno zugeordnet werden müsste, weil sehr deutlich alles gezeigt wird, sogar die Vereinigung von Geschlechtsteilen sowie genitale Nahaufnahmen. Trotzdem ist er weder erregend noch empfunden pornographisch, weil in diesem Fall die Darstellung nicht dem sexuellen Kontext dient sondern allein dem Aufzeigen der Geschichte, die ohne große Worte auskommt und sich dafür sehr intensiver Bilder bedient. Auch ist die Handlung nicht geschönt oder wie in Pornos üblich bis ins Unrealistische übersteigert, sondern sehr realitätsnah gehalten. Etwa der Dreier, bei dem die Männer anfangen mitten während des Sex herumzualbern und am Ende lachend beisammenliegen. Die hilflosen Versuche, durch eigenhändige Stimulation einen Orgasmus zu erlangen und doch immer wieder zu versagen. Das schnöde Abreagieren, die leidenschaftliche Lust, alles findet einen Platz in diesem Film, solange es realistisch bleibt und keine Hochglanz-Kopfkinos bedienen soll.
AUSSAGE
In diesen Film darf jeder hineininterpretieren, was er möchte. Der eine wird sich an den kreativen Bildern erfreuen, vielleicht sogar erregen (auch wenn das sicher nicht die Intention des Filmes ist). Andere mögen sich mit einer der Protagonisten identifizieren, sich auf diese Weise verstanden fühlen, mitleiden. Ein anderer freut sich über das lockere Ambiente des Clubs, die Freizügigkeit der Charaktere untereinander. Andere mögen sich animiert sehen, über Sinn, Unsinn und Relevanz von Sexualität zu philosophieren. Was der Film vor allem zeigen möchte: Sexualität alleine macht nicht glücklich. Aber sie ist ein wichtiger Teil unseres Lebens. Jeder darf leben und lieben, wie er das möchte, muss seinen eigenen Weg dafür finden.
FAZIT
SHORTBUS ist ein zutiefst menschlicher und bewegender Film, der in der Darstellung von unterschiedlichen Sexualpräferenzen kein Blatt "vor die Linse" nimmt. Angesiedelt zwischen Tragikomödie, Erotik und Charakterstudie ist dieser Film ein kleines Meisterwerk des Independent. Ein Film zum Lachen, Weinen und Nachdenken ...
SaschaSalamander 09.01.2012, 09.09 | (0/0) Kommentare | PL
Sieben Minuten nach Mitternacht
Normalerweise habe ich beim Lesen eines Buches bereits Gedanken im Kopf, was ich in die Rezension schreiben möchte. Dieses Mal nicht, ich fühle mich leer. Das Buch hat mich komplett eingenommen, sodass ich an nichts anderes denken konnte währenddessen. Und ich weiß auch nicht wirklich, wie ich das, was ich nun fühle, in Worte fassen soll. Manchmal fällt es so unendlich schwer, seinen Gedanken Gestalt zu verleihen. Es gibt Dinge, die man selbst erleben muss, weil andere sie nicht erzählen können. Und doch hat der Autor in diesem Buch es geschafft, unaussprechliche Gefühle in klare, kindgerechte Worte zu packen. Ich ziehe meinen Hut vor dieser Meisterleistung und möchte SIEBEN MINUTEN AN MITTERNACHT als ein ganz besonderes Buch für Leser aller Altersklassen empfehlen.
Die letzten beiden Kapitel dieses Buches musste ich mehrfach unterbrechen. Ich musste sosehr weinen, dass der Text vor meinen Augen verschwamm, und ich hätte gerne laut aufgeschrien über die Ungerechtigkeit, und zugleich fühlte ich mich so erleichtert und frei, als zum Schluss endlich die Wahrheit ausgesprochen wurde und das Buch zwar kein glückliches aber ein erlösendes Ende fand.
VORGESCHICHTE DES BUCHES
Patrick Ness ist Literaturkritiker beim GUARDIAN. Siobhan Dowd war Redakteurin und freischaffende Autorin, sie verstarb 2007 an Krebs. Zuvor erarbeitete sie das Exposé des vorliegenden Buches, doch sie kam nicht mehr zu ihrer Ausarbeitung. Dies hat Patrick Ness für sie übernommen, er erzählt im Vorwort die bewegende Geschichte dieses Buches.
INHALT
Conor hat jede Nacht einen schrecklichen Albträum. Und um 00.07 kommt das Monster, er fürchtet sich. Bis er sieht, dass das Monster nach Mitternacht gar nicht das Wesen aus seinem Albtraum ist. Das Monster macht ihm keine Angst, denn er hat schon viel schlimmere Dinge gesehen, und so beginnt eine seltsame Freundschaft zwischen den beiden. Bald beginnt das Monster Conor drei Geschichten zu erzählen. Der Junge versteht den Inhalt der Geschichten nicht, und die vierte Geschichte soll er erzählen, denn in ihr steckt die Wahrheit. Der Grund, warum das Monster ihn jede Nacht besucht. Doch vor dieser Wahrheit hat Conor Angst:
Conors Mutter leidet an Krebs, sie hat die Hoffnung nicht aufgegeben, doch bald wird sie sterben. In der Schule wird der Junge deswegen gemieden, die Lehrer fassen ihn mit Samthandschuhen an, er wird von Mitschülern gemobbt, seiner Freundin kann nicht verzeihen, dass sie damals den anderen von der Krankheit seiner Mutter erzählte. Er ist alleine, sein Vater ist in Amerika, und seine Großmutter mag er nicht. Das Monster ist gekommen, um ihm zu helfen. Aber helfen wobei? Kann es seine Mutter gesund machen? WOBEI das Monster ihm helfen will, erfährt Conor erst am Schluss, als er endlich in der letzten Geschichte die Wahrheit aussprechen muss.
ERZÄHLSTIL
Die Geschichte ist in sehr schlichten, kindgerechten Worten erzählt. Kurze Sätze, die umso eindringlicher auf den Leser wirken. Keine Fremdwörter, keine komplizierten Formulierungen. Dafür ein umso intensiverer Text, dessen Inhalt sich gerade jüngeren Lesern nicht unbedingt sofort erschließt. Aber das ist in Ordnung, denn auch Conor gibt zu, dass er die Geschichten nicht versteht. Erst am Ende erschließt sich die komplette Bedeutung, als der Leser Conors Albtraum erfährt. Und dieser ist weit schlimmer als das Mobbing, als der nahende Tod, als die mitleidigen Blicke der Lehrer.
Gerade, weil dieses Buch so schlicht geschrieben ist, berührt es so tief. Der Leser, gleichwelcher Altersklasse, kann sich problemlos in Conor hineinversetzen, spürt mit ihm die Hilflosigkeit, die Wut, die Angst. Und noch ein starkes Gefühl, welches ich nicht verraten möchte, weil es erst am Ende zur Sprache kommt. Es hängt unausgesprochen über dem ganzen Buch, der Leser spürt es, will es jedoch ebenso wie der Junge nicht wahrhaben, weil die Wahrheit so schmerzlich ist und weil es ein Tabuthema innerhalb des Themas sterbende Angehörige ist.
BILDER
Die Bilder empfinde ich persönlich als sehr beängstigend aber dennoch kindgerecht, da sie sehr von der jeweiligen Interpretation abhängig sind. Dürre Äste, dunkle Wälder, ein riesiger Baum-Mann, zerstörte Ruinen einer Kirche, alles in Schwarz, Weiß und Grau. Bilder, die direkt aus Conors Albtraum zu kommen scheinen. Keine klar umrissenen Konturen sondern Silhouetten, Schemen, bedrohliche Klauen, die aus der Dunkelheit nach dem Leser greifen. Sie passen sehr gut zu dem entsprechenden Text und unterstreichen die Kernaussage der jeweiligen Kapitel, vermitteln eine sehr gute Atmosphäre.
Manche Bilder sind auf einer kompletten Doppelseite vertreten, andere Bilder sind um den Text herum gemalt, der Text in die Zeichnung integriert, verwoben zu einer Gesamtheit, die Geschichte in einen passenden Rahmen setzend.
PÄDAGOGISCHER ASPEKT
Es ist harter Tobak, auf jeden Fall. Und manch einer wird sagen "das kann man einem Kind nicht zumuten". Kann man nicht? Man kann. Denn einem Kind wird es auch zugemutet, dass die Mutter stirbt, das ist tägliche Realität. Und es ist wichtig, dass Kinder sich mit solchen Themen auseinandersetzen. Conor litt in dem Buch vor allem darunter, dass die Lehrer nur mitleidig wegblickten, dass die Eltern ihm das wahre Ausmaß der Krankheit verschwiegen, dass die Großmutter ihn nicht für seine bösen Taten bestrafte. Und so wie Conor geht es vielen Kindern, die doch eigentlich darüber reden möchten. Die begreifen wollen, was geschieht. Die ihre Gefühle nicht aussprechen können, wenn die Erwachsenen um sie herum die Wahrheit leugnen. Und die Gefühle sind nicht schön, sie sind urgewaltig, glühend und mächtig, so wie das Monster. Kinder brauchen einen Erwachsenen, der sie an die Hand nimmt, der mit ihnen über Schuld, Verantwortung, Trauer, Angst, Wut, Zorn, Hass, Hilflosigkeit redet. Sie müssen erfahren, dass diese Gefühle gestattet sind, und dieses Buch kann ihnen dabei helfen, endlich über das Unaussprechliche zu reden, wofür die Erwachsenen keine Worte haben.
Allerdings sollte man gerade jüngere Kinder nicht alleine mit diesem Monster lassen. Es werden sehr viele Fragen hervorbrechen, und nicht auf alles wird es eine Antwort geben. Die Geschichten sind stellenweise verwirrend, und es wäre vielleicht sogar gut, wenn der Vorleser das Buch zuvor selbst gelesen hat, um den Inhalt der Geschichten im Gesamtkontext zu begreifen und dem Kind Fragen zu beantworten, die erst im späteren Verlauf der Handlung erklärt werden.
FAZIT
Dem Autor ist es gelungen, unaussprechliche Gefühle in greifbare Worte zu verpacken. Siobhans Geschichte, Patricks Umsetzung, das wurde zu einem ganz besonderen Buch, das ich nie wieder vergessen werde ...
SaschaSalamander 17.10.2011, 09.16 | (0/0) Kommentare | PL
Ich darf nicht schlafen
Eine 47jährige Frau wacht täglich aufs Neue auf und hält sich für ein jüngeres Selbst, begreift nicht wie ihr auf einmal eine gereifte Frau gegenüberstehen kann. Täglich erfährt sie von ihrem Ehemann, der ihr völlig fremd ist, dass sie an Amnesie leidet. Und dann ist da noch der Psychiater, der ihr ohne das Wissen des Mannes täglich zu helfen versucht, ihr Gedächtnis wiederzufinden.
Doch, hat was. Ist kein Novum, kennt man aus MEMENTO, und auch sonst gibt es hier und da mal wieder Bücher, in denen jemand seine Identität sucht. Meist tatsächlich ein Thriller, hier aber wie gesagt bisher zumindest ein Drama. Wirkt weniger bedrohlich als vielmehr traurig und mit einem melancholischen Unterton für mich. Aber auf jeden Fall packend, ich bin enorm gespannt auf den Rest des Hörbuches.
Und Andrea Sawatzki könnte mir ja eh die Gebrauchsanleitung meiner Waschmaschine vorlesen, ich würde ihr dennoch lauschen ;-)
SaschaSalamander 14.10.2011, 18.40 | (0/0) Kommentare | PL
Wer früher stirbt ist länger tot
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Auf die Gefahr hin, mich zum unzähligsten Male zu wiederholen: deutsche Filme liegen mir nicht. Aber ich bin nicht prinzipiell dagegen. Es gibt manchmal ein paar Glanzlichter, die mir ausgesprochen gut gefallen und sogar zu meinen Favoriten zählen. Und schon wenige Minuten nach Beginn war klar, DIESER Film würde auf jeden Fall dazugehören!
Der 11jährige Sebastian ist ein echter bayerischer Lausbub. Während eines Streits wirft sein älterer Bruder ihm vor, die Schuld am Tod seiner Mutter zu tragen, die bei seiner Geburt verstarb. Und wer Schuld auf sich läd, der wird nach seinem Tod im Fegefeuer büßen. Sebastian hat nun Angst, denn abgesehen von dem Tod seiner Mutter hat er viele weitere Dinge angestellt. Etwa die Hasen des Bruders getötet, möglicherweise den Tod von Evis Oma verursacht, er hat einem Gast in der Wirtschaft ins Essen gespuckt und viele bösen Dinge mehr. Der Junge sieht nur eine Möglichkeit, wie er dem Fegefeuer entgehen kann: er muss unsterblich werden! Und wenn das nicht klappt, dann muss er wenigstens seine Schuld bereinigen, indem er seinem Vater eine neue Frau sucht.
Ein wunderbarer Film! Vordergründig mag er aus vermeintlich platten Witzen bestehen: ein Junge baut jede Menge Unsinn, alles geht schief, und der Humor ist ziemlich derb. Wenn man jedoch zwischen den Zeilen liest, ist es ein sehr vielschichtiger Film, der auf ungewöhnliche Weise die Ängste eines Jungen aufzeigt. Geprägt von einer streng katholischen Erziehung, versucht er seine Seele reinzuwaschen. Er möchte Gutes tun, und je edler sein Ansinnen, desto schlimmer das Ergebnis. Es gibt auch keinen Erwachsenen, dem er sich anvertrauen kann, sodass er nach außen hin kindlich-naive Fragen stellt und eben die Antworten auf allein diese Fragen erhält, niemals jedoch für sein eigentliches Problem. Auf die Frage, wie man unsterblich wird, erfährt er also von Vampiren in Transsylvanien, von den sieben Leben einer Katze, von der Fortpflanzung zwischen Mann und Frau, von legendärer Musik. Doch seine Versuche als Casanova, Vampirfreund, Katzenlebentester, Rockmusiker sind leider zum Scheitern verurteilt, denn woher soll er die Gitarre nehmen, wie soll er nach Transsylvanien kommen, etc?
Ich habe den Film gebannt gesehen, ständig die Hand vor dem Mund. Sei es, um erschreckte Aufschreie zu unterdrücken, die sich anbahnten, sobald ich eine schlimme Situation kommen sah, etwa wenn er der Lehrerin eine wichtige Frage ins Ohr flüstern wollte oder bei laufendem Radiosender seinen Gruß formulierte. Und doch endete es alles in einem Lachen, teils erleichtert, teils um sich irgendwie Luft zu machen. Ein wenig erinnerte es mich an Michel von Lönneberga, wo ich zwar auch ständig lachen musste aber das Kind im Grunde doch von den Erwachsenen verkannt wurde in vielen Situationen.
Allein schon der Beginn! Nein, kein Spoiler, es sind gerade einmal die ersten zwei Minuten des Filmes: der Junge fährt wild mit dem Rad durch das Dorf, man sieht einen Laster heranfahren, es ist klar, was passieren wird, man mag gar nicht hinsehen. Ein metallisches Scheppern, ich saß da mit geweiteten Augen, fassungslos. Szenenschnitt, das Fahrrad eingekeilt unter dem Laster, der Fahrer guckt irritiert und fährt weiter, der Junge wie tot auf der Straße. Nächste Szene, der Junge steht auf, "Glück gehabt" sagt er, und dann geht er zu dem geparkten LKW (dessen Fahrer ein Kumpel seines Vaters ist und den Laster vor seinem Haus parkte), versucht sein Rad herauszuholen, es klappt nicht. Schnitt, ein Scheppern, der Laster landet im Hasenstall, der Junge wollte doch nur sein Fahrrad hervorholen und dafür den LKW ein wenig vorrollen. Man möchte schreien, dass der Junge überlebt hat und sie ihn gefälligst in den Arm nehmen sollen, aber es hatte ja niemand den Unfall bemerkt, statt dessen Vorwürfe für die toten Hasen. Und der Junge schweigt, denn er ist ja schließlich schuld an den toten Hasen und hätte nicht ans Steuer des LKW gedurft.
Skurill, absurd, absolut schwarzer Humor. Und einige Szenen sehr unwirklich, eben Traumsequenzen, entsprungen der seltsamen Phantasie des 11jährigen Jungen, welcher sich vor dem Fegefeuer fürchtet. Die Träume erinnern an Hyronimus Bosch, und man muss schon einen Sinn für schräge Komik haben, gebe ich zu. Wenn man den Film nur nebenbei sieht, entgehen einem die vielen Kleinigkeiten, die ihn aus der Masse der schwarzen Komödien hervorheben.
Auch die Kameraführung ist genial! Normalerweise fällt mir so etwas wie Schnitt und Kameraführung gar nicht auf, ich bin ein Filmbanause. Aber in diesem Fall ist es auffällig und so genial, dass sogar ich es bemerke. Es werden beispielsweise zwei, einmal sogar drei Szenen miteinander verknüpft, immer wieder hin- und hergesprungen zwischen drei Parteien, alle unterhalten sich bzw agieren, jeder für sich und doch zeitgleich zusammen. Auch die Kameraführung, die Bilder. Die Bilder sind ein Genuss: die Landschaft, die Gesichter, die Drehorte.
Es stimmt einfach alles. Sogar die Musik. Sie fällt nicht störend auf, sie drängt sich auch nicht brachial in den Vordergrund. Lautstärke und Musik sind perfekt abgestimmt (passiert selten in Filmen, normalerweise habe ich immer die Fernbedienung der Lautsprecher in der Hand, wenn ich einen Film sehe), und der Soundtrack ist es wert einzeln gehört zu werden. Sogar einen fiktiven Musiker haben sie gebracht und einen Song von ihm gespielt, der wirklich klasse ist! ;-)
Wäre es kein urbayerischer Dialekt, könnte man den Film glatt für eine britische Komödie halten. Der Humor kommt sehr derb daher, sehr bayerisch. Als Franke (irgendwie ja auch Bayer) kann ich leider nicht sagen, ob man selbst Bayer sein muss, um den Film zu verstehen, Lokalkolorit ist auf jeden Fall drin, und die Mentalität des kleinen Dorfes kommt schon sehr gut zur Geltung. Die DVD gibt es auch mit hochdeutschen Untertiteln, die sind für alle Nicht-Bayern unbedingt zu empfehlen!
Achtung allerdings, wer den Film kaufen möchte! Die DVD ist nur in reinen Playern abspielbar, nicht jedoch auf dem Laptop oder PC (Mac soll angeblich funktionieren). Für seltene Anlässe haben wir einen DVD-Player, aber ich gucke meine Filme in der Regel auf dem Laptop, von daher werde ich mir den Film vermutlich nicht kaufen, denn den Beamer / Player nutze ich normalerweise (außer wenn wie hier erforderlich) nur für unterhaltsame Filmabende mit Freunden, nicht jedoch alleine. Schade, denn wenn ein Film es verdient hätte, bei mir im Regal zu stehen, dann dieser! Doch diese Mentalität bestraft die ehrlichen Käufer, das mag ich nicht unterstützen :(
SaschaSalamander 29.09.2011, 21.02 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL
Off Road Kids
Koichis Vater ist Arzt und kündigt seinen Job, um nun als Arzt im Ausland tätig zu sein. Er fliegt auf die Philippinen und bietet seinem Sohn an, ihn zu begleiten. Koichi ist begeistert, hofft er doch auf einen gemütlichen Urlaub, wo er für ein paar Wochen nicht zur Schule muss! Statt dessen landet er in den Elendsvierteln und erleidet einen Kulturschock. Er will nach Hause und erträgt es nicht, all das Leid mit anzusehen. Doch als begeisterter Fußballspieler freundet er sich mit einem der Straßenjungs an und lernt nun mehr über ihr Leben, ihre Träume, ihre Ziele.
Akira Himekawa, der unter anderem auch einzelne Spiele der kultigen Zelda-Reihe als Manga umgesetzt hat, nahm mit diesem Manga ein Projekt an, in dem es um Straßenkinder gehen sollte. Der Autor reiste in verschiedene Länder, arbeitete zusammen mit "Kinder ohne Grenzen" und setzten sich intensiv mit diesem ernsten Thema auseinander. Und es gelang ihm hervorragend, es auch für Kinder packend umzusetzen.
Drei zusammenhängende Geschichten. Die erste und längste spielt auf den Philippinen und erzählt von einer Kinderbande, die auf dem Friedhof nächtigt und tagsüber auf der Müllhalde gebrauchte Gegenstände sammelt und verkauft, um sich ein minimales Grundeinkommen zu sichern. Das harte Leben dieser Kinder wird sehr berührend dargestellt, und am Ende hatte ich sogar Tränen in den Augen. Denn Schicksalsschläge und menschliche Dramen werden hier zwar kindgerecht umgesetzt, doch es ändert nichts an der Tragik und Trauer.
Die zweite Geschichte erzählt von einem kleinen Jungen in Vietnam, der als Schuhputzer seinen Lebensunterhalt verdient und sich in ein Mädchen verliebt, dem er ein ganz besonderes Geschenk machen möchte. Diese Geschichte ist etwas kürzer und zwar sehr bewegend, fesselt jedoch nicht ganz so stark wie die erste. Denn hier ist die Hauptfigur ein Straßenkind, und sich in dieses hineinzuversetzen fällt natürlich schwerer als in einen typischen Jungen der fünften Klasse, wie Koichi es in der ersten Geschichte ist.
Die letzte Gschichte spielt in Afghanistan und zeigt das Leben eines Kindersoldaten auf. Sie ist recht kurz, dennoch sehr ergreifend.
Zu den einzelnen Ländern gibt es jeweils eine Extraseite, welche das Land kurz beschreibt hinsichtlich Größe, Einwohnerzahl, Klima und andere Faktoren. Ich finde das sehr hilfreich und interessant, und im Kontext des Mangas wird Kindern auf diese Weise nebenbei Wissen vermittelt, ohne dass man mahnend den Zeigefinger heben oder sie mit trockenen Fakten langweilen würde.
Dem Autor gelingt es, ein sehr ernstes Thema auch für Kinder sehr gut zu beschreiben. Er erzählt keine künstliche Happy-End-Story, sondern schildert das dramatische Leben auf der Straße. Ich finde es eine gelungene Umsetzung, die ich absolut empfehlen kann. Die Geschichte ist packend, die Handlung wird pädagogisch sinnvoll erklärt, und auch über die betreffenden Länder gibt es (nicht nur für Kinder, sondern auch für erwachsene Leser) eine Menge zu lernen.
SaschaSalamander 21.09.2011, 15.27 | (0/0) Kommentare | PL
ZWEIundDIESELBE
Jenna erwacht nach einem Jahr aus dem Koma und kann sich an nichts mehr erinnern. Doch sie fühlt, dass irgend etwas nicht in Ordnung ist. Ihre Eltern scheinen etwas vor ihr zu verbergen, die Großmutter behandelt sie wie ein unerwünschtes Objekt, und auch in ihrem Alltag entdeckt sie viele Ungereimtheiten. Warum hat sie keine Freunde, die nach ihrem Erwachen zu Besuch kommen? Warum ist die Familie kürzlich umgezogen? Was hat es mit den einzelnen seltsamen Erinnerungsfetzen auf sich?
Das Buch ist aus Jennas Sicht geschrieben. Normalerweise ist es so, dass der Leser auf dem gleichen Wissensstand ist wie der Ich-Erzähler. In diesem Fall allerdings hat der Leser einen Vorsprung, da er sich aus Jennas Beobachtungen Dinge zusammenreimen kann, die dem Mädchen selbst nicht möglich sind. Zum einen aufgrund der Gedächtnislücken, zum anderen spielt das Buch in der Zukunft. Was für Jenna also normal ist, das ist für den Leser ein Hinweis auf das Genre Dystopie und lässt bereits nach wenigen Seiten sehr schnell erahnen, worauf es hinauslaufen wird.
Nun ist das Problem, dass das Buch sich meiner Ansicht nach an eher junge Leser von 13 bis 17 richtet. Aber es lässt sich auch sehr gut von Erwachsenen lesen, es hat mir sehr gefallen. Aber wo Jugendliche vielleicht noch mitfiebern oder etwas länger brauchen bis sie die Zusammenhänge begreifen, da weiß es ein älterer Leser nach unzähligen Filmen ähnlicher Art und nach einigen knappen Andeutungen der Autorin eben sofort. Dies war für mich anfangs sehr unangenehm, da ich das Gefühl hatte, das Buch sei zu langsam. Nicht langweilig, aber zu langsam. Ich hätte mich gerne intensiver mit der Thematik auseinandergesetzt und musste statt dessen immer wieder auf das nächste Bröckchen warten, welches der Protagonistin in die Hände gespielt wurde und was mir schon lange klar war. Nach etwa einem Drittel des Buches legt sich dieses Gefühl glücklicherweise, und der der Leser ist mit Jenna auf einem Stand.
Mit Jenna mitfühlen ist etwas schwieriger, denn sie selbst ist ratlos und weiß nicht, was vor sich geht, der Leser dagegen weiß Bescheid. Dennoch konnte ich mir vorstellen, wiesehr sie unter der Ungewissheit zu Beginn und später unter der Frage "wer oder was bin ich" litt. Ich fand ihre Reaktionen sehr realistisch, ihre Gefühle für verständlich und angemessen. Die Autorin hat ein theoretisches Problem sehr lebendig werden lassen.
Die Sprache ist sehr einfach gehalten, aber es gefiel mir, da es sehr gut zu Jennas Entwicklung passt. Sie muss sich Wörter neu erarbeiten, denkt in sehr einfachen Bahnen und muss erst langsam zu sich selbst finden. Die Kapitel sind sehr kurz, teilweise sind es einzelne Gedankenfetzen oder Erinnerungen über eine halbe Seite, manchmal auch nur einzelne Episoden über zwei oder drei Seiten. Ich mag diesen Stil, da keine kontinuierliche Handlung beschrieben wird, sondern es immer wieder neue Puzzleteile sind, die nach und nach das fertige Bild Jennas ergeben. Das englische Cover ist sogar ein Puzzle und passt meiner Ansicht nach sehr viel besser zum Buch als die deutsche Variante (wenngleich der blaue Schmetterling ebenfalls einen symbolischen Bezug zum Buch hat).
Das Thema der Genforschung spielt eine zentrale Rolle im Buch und bezieht sich nicht alleine auf den Menschen, sondern es werden auch Verbindungen hergestellt zur Patentierung von Genmais (ein Name wurde nicht genannt, aber der Leser dürfte wissen, worum es geht), zum Züchten von Pflanzen, Tieren, Menschen. Aber da es ein Jugendbuch ist, dürfte mancher Erwachsene ein wenig enttäuscht sein, falls er einen wissenschaftlichen Thriller erwartet hatte. Hier wird nicht erklärt. Hier geht es nicht um den wissenschaftlichen Hintergrund oder eine exakte ethische Beleuchtung. Sondern hier geht es einzig darum, welche Gefühle dies in einem Mädchen auslöst. Und das ist hervorragend gelungen. Ich denke, dadurch wird das Thema für manch einen Leser greifbarer, als würde man ihn mit Fakten erschlagen.
Für Erwachsene fehlt, finde ich, irgendwie ein bisschen "Pfeffer". Ich kann es schwer in Worte fassen. Man weiß, worauf es hinausläuft. Man kann sich denken, wie es enden wird. Die Gefühle sind nachvollziehbar. Der Konflikt ist vorhanden, und doch fehlt er. Der Konflikt ist Jenna an sich, sodass das Buch - so kam es mir beim Lesen vor - ständig von einer Seite zur nächsten fließt, ohne wirklich zum Punkt zu kommen, und zwischendurch fragte ich mich "wo kommt jetzt der Punkt, an dem etwas passiert?". Es passiert nichts. Es fließt.
Für Erwachsene, die dem Thema entsprechend auf Tiefgang sowie wissenschaftliche oder moralische Wertung hoffen und sich beim Lesen intensiv damit auseinandersetzen wollen, ist es weniger geeignet. Für Erwachsene, die sich mit einem wichtigen Thema leicht unterhalten lassen wollen sehr nett zu lesen. Aber junge Leser, die sich gerne mit ernsten Themen befassen, ist es ein hervorragender Titel. Aufgrund des Diskussionsbedarfs und der interessant gestaltenten Sprache und Form halte ich es sogar für ideale Schullektüre, mit denen man Jugendlichen so richtig Lust aufs Lesen machen könnte.
SaschaSalamander 19.07.2011, 09.17 | (0/0) Kommentare | PL
Der Märchenerzähler
Dieses Buch ist meine aktuelle Top-Empfehlung, denn es hebt sich deutlich aus all den anderen Titeln hervor. Es ist ein gekonnter Mix aus Märchen, Thriller, Romantik und Drama, den man in keine bekannte Schublade stecken könnte. Daher fällt es auch schwer, das Buch zu vergleichen oder zu beschreiben, sodass man einen völlig neuen Ansatz finden muss, davon zu erzählen.
Vorab sei erwähnt, dass DER MÄRCHENERZÄHLER als Jugendbuch vermarktet wird. Jedoch sind die Inhalte sehr intensiv, teilweise auch grausam und dabei erschreckend realistisch, sodass ich es doch eher für junge Erwachsene empfehlen möchte. Es wird ein Wertebild vermittelt, das auf den ersten Bild romantisch klingt, bei genauerer Betrachtung jedoch - meiner Ansicht nach - ungeeignet ist als Vorbild für junge Menschen.
Die Charaktere des Buches werden vor dem Leser lebendig, als kenne er sie persönlich. Mit nur wenigen Worten erschafft die Autorin Eigenheiten, Vorlieben, Angewohnheiten und lässt den Leser einen Teil der Welten werden, in denen Anna, Abel und Micha leben. Vom ersten Moment an bangt, fürchtet, hofft man mit ihnen. Das Buch aus der Hand zu legen - gleichbedeutend sich von einem guten Freund verabschieden zu müssen.
Auch der Aufbau fesselt, und einmal begonnen, befindet sich der Leser im Sog des Märchenerzählers. Das erste Kapitel sofort ein blutiger Einstieg, in dem zugleich sehr viel Traurigkeit mitschwingt, was ist geschehen, wann wird man endlich mehr darüber erfahren? Immer wieder glaubt der Leser nun verstanden zu haben, was das Märchen bedeutet, nur um sich dann auf einer anderen Fährte wiederzufinden, alte Vermutungen über Bord zu werfen, umzudenken und erneut in einer Sackgasse zu landen. Dabei sind die Märchen so eindeutig, so verständlich, wenn man sie im Nachhinein erkannt hat. Und so, wie wohl Anna nicht die Bedeutung hinter den Worten sehen will und ihre Augen verschließt, so wird auch der Leser am Ende die gesamte Wahrheit erkennen und feststellen, dass sie all die Zeit vor ihm lag.
Besonders erwähnen möchte ich den Schreibstil, der in seiner ungewöhnlichen Sprache ein wenig an "die Bücherdiebin" von Markus Zusak erinnert. Sinne werden miteinander verknüpft ("ihre Stimme schmeckte nach Eis", "sie ertrank in dem Blau", "sie beobachtete sein Schweigen"), tote Gegenstände werden lebendig ("Die blauen Stickgarn-Augen [... ] blickten müde und ein wenig ängstlich"), Farben spielen eine sehr wichtige Rolle, Menschen werden zum Teil ihrer Umwelt ("Es war, als wäre auch [Abel] weggetaut, mit dem Schnee verschwunden"). Ungewöhnliche Metaphern schmücken die Seiten ("Jahreszahlten surrten über ihren Köpfen durch die Luft wie merkwüdig gestaltlose Winterbienen", "es begann aus den entsetzten blauen Augen zu regnen"). Die Autorin setzt sich hinweg über die normalen Konventionen des Schreibens und stellt ihre eigenen Regeln auf. Anna nennt Abel gerne "Abel de Saint-Exupery", und auch das Buch selbst strahlt insgesamt sehr viel vom kleinen Prinzen aus. Eine kindliche Logik, und dabei doch tiefsinnig und hintergründig, gemalt in unschuldigen Worten.
Doch hier beginnt der Genre-Mix: hinter den unschuldigen Worten verbergen sich grausame Taten, neben Märchen, Diamanten, Einhörnern und Regenbögen gibt es in eine Anzahl an Verbrechen, deren Nennung dem Leser jedoch zuviel von der späteren Handlung vorwegnehmen würde. Und diese Verbrechen wirken umso tragischer, je unschuldiger der Handlungsrahmen ist. Niemand wird das Buch lesen können, ohne nicht spätenstens am Ende Tränen in den Augen zu haben.
"Der Märchenerzähler" ist ein Buch, das man nicht so schnell vergisst, für begeisterte Bücherwürmer ebenso wie für Leute, die nur wenig, dafür jedoch ausgewählt lesen. DIE Empfehlung im Frühjahr 2011 :-)
SaschaSalamander 11.04.2011, 09.40 | (0/0) Kommentare | PL
Der Märchenerzähler - Gedanken beim Lesen
"kurz mal anlesen". Jaja, meistens klappt es. Ich kann Bücher wieder weglegen. Jawoll, ich lese genug, da kann ich das, und ICH bestimme, was und wann ich lese! Außer ganz selten, wenn ich mal anlese und dann plötzlich auf Seite 100 bin. Wenn dieser Beitrag hier getippt ist, werde ich mich ins Bett verkrümeln und dort weiterlesen. Ich wünsche mir die Zeiten zurück, in denen ich ungestraft eine Nacht durchmachen konnte, aber inzwischen würde ich morgen wohl irgendwo auf einem der Gänge einschlafen und ohne Schlüssel wieder aufwachen ... hab ich schon mal erwähnt, dass ich mich alt fühle?
Jedenfalls ist es mir inzwischen fast egal, worauf das Buch hinausläuft. Falls es nicht völlig abwegig sein sollte (und davon gehe ich bei all den positiven Berichten nicht aus), darf sich die Autorin nun fast alles bei mir erlauben. Ich liebe die Wortwahl, bin ihrer Sprache verfallen. Wundervolle Metaphern, die zum Träumen einladen würden. Wäre da nicht die Traurigkeit, die auf jeder Seite mitschwingt, auch ohne Worte. Weinen oder Träumen? Oder beides?
Manchmal frage ich mich, warum ich einzelne Momente des Buches nicht als kitschig empfinde? Ich kann es mir nicht erklären. Vielleicht, weil Kitsch etwas Oberflächliches ist und dieses Buch alles andere ist als oberflächlich.
Das Buch ist unglaublich intensiv. Es regt alle Sinne an. Vor allem Farben werden sehr stark betont und spielen eine große Rolle, verleihen einer Szene Stimmung und Gewicht. Es gibt viel zu hören, obwohl ich erstaunlicherweise eine große, angenehme Stille in mir spüre, während ich dieses Buch lese. Synästhesie vom Feinsten, die Antonia Michaelis zaubert. Märchenhaft und bunt wie >BIG FISH< von Tim Burton (Film), kindlich wie DER KLEINE PRINZ, traurig wie die BÜCHERDIEBIN. Stimmig in jeder Hinsicht, und zugleich voller Widersprüche. Wie kann ein Buch, welches sosehr von Farben strotzt, ein solch graues Bild vermitteln? Wirklich gekonnt, wie ihr das gelingt! Die Figuren, die inmitten der bunten Welt alleine zu stehen scheinen. Die vielfarbigen Protagonisten inmitten des grauen Alltags.
Viele Rezensenten sagen, man könne das Buch nicht beschreiben. Vielleicht kommt später ein Inhalt, den man nicht erklären kann, bisher könnte ich alles in der Inhaltsangabe genau erklären ohne Spoiler. Aber ich beziehe dieses "nicht beschreiben können" für mich derzeit vor allem auf die Sprache. Ich liebe Sprache sehr, doch in der Regel akzeptiere ich sie bei 95 % aller Bücher als Mittel zum Zweck, um Informationen zu transportieren. Für mehr nutzt sie kaum jemand, die Autoren wollen mit actionreicher Handlung oder brutalen Steigerungen punkten, die Sprache passiert zufällig nebenbei. Antonia dagegen spielt mit Worten, wie ich es bisher nur bei sehr wenigen erlebt habe. Sie erschafft und verbindet. Sie verleiht belanglosen Dingen Tiefe und Gewicht. Auf eine lyrische Weise, die zu beschreiben kaum möglich ist.
Dass die Autorin zwei Jahre jünger ist als ich stimmt mich ein wenig ... nun ja, wie soll ich sagen? Ich lese ihre Biographie. Ich sehe mich an. Ich bin ein bisschen wehmütig. Und ich freue mich für sie.
Aber jetzt muss ich Schluss machen, ... schon lange her, dass ein Buch mich so gefesselt hat, das passiert selten. Das muss ich ausnutzen und genießen ;-)
SaschaSalamander 05.04.2011, 20.59 | (0/0) Kommentare | PL
Die Einsamkeit der Primzahlen
Alice ein junges Mädchen, vom Vater zu Erfolg genötigt, bis ihr beim verhassten Skifahren ein Unfall passiert. Sie ist daraufhin behindert und hinkt, wird zur Außenseiterin, Mobbingopfer und beginnt in die Magersucht zu verfallen. Mattia ein begabter Junge, seine Zwillingsschwester geistig behindert. Eines Tages durch seine Unachtsamkeit verschwindet die Schwester, vermutlich ist sie im Fluss ertrunken, er macht sich Vorwürfe und gleitet immer tiefer in seine selbstgewählte Isolation, begeistert von Mathematik, abgeschreckt von Menschen und ihren Emotionen, Erlösung findend in der Selbstverletzung seines Körpers.
In der Schule begegnen sich die beiden. Eine Romanze wird es nicht, jedoch eine zarte Annäherung. Sie fühlen sich zueinander hingezogen, spüren im anderen einen Gegenüber, welcher sie versteht und zu nichts drängt. Sie begleiten sich durch ihr Leben, Alice beginnt eine Ausbildung, Mattia erhält ein Stipendium, Alice heiratet, Mattia wird ins Ausland berufen, und doch sind die beiden sich immer eng verbunden, ohne jemals wirklich zueinanderzufinden. Ob es ihnen irgendwann gelingen wird, sich ihre Gefühle füreinander einzugestehen und ihr Leben gemeinsam zu gehen?
Ein zutiefst ungewöhnliches Buch, finde ich. Zum einen der Schreibstil, durch Übersetzung zwar manchmal ein wenig holprig, aber im Großen und Ganzen jedoch sehr melodisch, sanft und stilvoll, ich wünschte das italienische Original zu lesen. Zum anderen auch die Beziehung der beiden Figuren zueinander. Man möchte eingreifen, sie zwingen, endlich aufeinander zuzugehen. Eine Handlung, so traurig und dramatisch, und doch so realistisch. Eine Geschichte, wie sie in dieser Form tagtäglich irgendwo auf der Welt passieren könnte. Keine Action, keine Höhepunkte, kein Spannungsbogen, sondern der Lebensweg zweier Menschen vom Kind hin zum Erwachsenen in der Mitte des Lebens, getragen von Selbstzweifeln, Angst, Unsicherheit.
Anorexie, selbstverletzendes Verhalten, geistige Behinderung, leichte Form des Autismus, in diesem Buch ist nichts geschönt. Für manchen Leser mag dies auch sehr verstörend wirken, wie Alice ihre Umwelt zu betrügen versucht und ihnen den Genuss von Nahrung vorgaukelt, oder wenn Mattia sich erneut seine Haut schneidet und sich gedanklich immer weiter isoliert von der Umwelt, immer fanatischer abdriftet in die Welt der Zahlen, deren Logik ihm Sicherheit vermittelt.
Mögen andere dieses Buch analsysieren, mir gelingt es nicht. Ich kann nicht zu sagen, was mich daran anzog oder reizte. Und doch hielten mich Alice und Mattia in ihrem Bann und konnte ich mich nicht von ihnen lösen, war erstaunt, als es dann schon das Ende erreicht hatte. Es ist eines der Bücher, die ich nicht so schnell vergessen werde. Eines der Bücher, deren Bilder in meinem Kopf noch nachwirken. Ich kann nicht sagen, dass ich es "schön" fand, das wäre diesem Buch mitsamt seinem Inhalt irgendwie unangemessen. "Gut" wäre zu banal und träfe es nicht. Ich weiß nicht, was es war. Aber ich habe die Zeit mit dem Buch genossen und werde gerne daran zurückdenken.
Sicher ist, dass ich "die Einsamkeit der Primzahlen" empfehlen kann. Nicht, wenn man es wild und abenteuerlich möchte. Aber dann, wenn man sich die Zeit nimmt, die beiden auf ihrem Weg zu begleiten. Dann, wenn man bereit ist, sich auf zwei Menschen einzulassen, die abseits der Norm ihr ungewöhnliches Leben bestreiten. Dann, wenn man gewillt ist, sich auch mit den Tiefen des Alltags auseinanderzusetzen und mit den Schwierigkeiten zu befassen, die hinter mehr Menschen lauern, als man dies auf den ersten Blick zu sehen vermag.
SaschaSalamander 16.03.2011, 18.33 | (0/0) Kommentare | PL
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