SaschaSalamander

Ausgewählter Beitrag

Star Trek Picard - Die letzte und einzige Hoffnung










Eine Rezension zu diesem Roman möchte ich nicht schreiben. Das haben zig andere getan, und die halte ich fachlich für sehr viel kompetenter (zB Björn Sülter mit seinem Podcast PlanetTrek FM). Denn schließlich ist dies ein Buch im Rahmen eines riesigen Kanons. Ich bin ein großer Fan, kenne zig Serien und wage es sogar mich als Trekkie / Trekker zu bezeichnen. Aber sobald ein so großes Fandom hinter irgend etwas steht, möchte ich mich da gerne rausnehmen. Zu viele Gefühle, die bei anderen verletzt werden können. Zu viele Meinungen, die aufeinanderprallen. Ich zelebriere das lieber für mich selbst bzw im kleinen Kreis, und wie hier teile ich dann höchstens ein paar Gedanken.

Was habe ich gezittert, als STAR TREK: PICARD am 24. Januar startete. Welch Hoffnung lag in dieser neuen Serie! Welch Erwartung! Picard ist das Idol meiner Kindheit, die Serie hat mich seit meiner Kindheit und Jugend mehr begleitet als irgend etwas anderes. Es ist für mich mehr als ein Fandom. Aber das würde alles viel zu weit führen. Jedenfalls dies, um zu verdeutlichen, dass ich Trekkie mit Leib und Seele bin, seit ich es als Kind im TV für mich entdeckte.

Inzwischen habe ich aber kaum noch den Überblick über Spiegelwelten, Comics, Bücher, Animationsserien, Filme mit neuer Zeitlinie, alte und neue Veröffentlichungen. Ich habe irgendwann vieles ignoriert, weil ich enttäuscht war und mich etwas zurückgezogen hatte.

Es gibt viele Bücher und Comics, die zwischen den Ereignissen aus NEMESIS spielen, die aber nur begrenzt oder gar nicht in die Serie PICARD hineinspielen (etwa TOD IM WINTER), teilweise sogar im Widerspruch dazu stehen. Dann gibt es noch den Comic COUNTDOWN. Der ist ein Teil der Geschichte, der die Serie besser verstehen lässt aber trotzdem nur ein sehr geringer Teil ist. Habe ihn gelesen, fand ihn sehr berührend.

Außerdem gibt es noch CHILDREN OF MARS. Was leider in Deutschland nicht von CBS veröffentlicht wurde. Es ist ein Short Trek über die Ereignisse auf dem Mars, als dieser von den Androiden angegriffen wird. Ein sehr wichtiger Shortie, wie ich all den Recaps, Reviews und Rezensionen im Web entnehme. Umso ungünstiger finde ich es, dass es bei uns nicht erhältlich ist. Die Short Treks zu DISCOVERY wurden wenigstens irgendwann auf Netflix veröffentlicht, warum nicht auch CHILDREN OF MARS? Herrjeh, ich finde die ganze Politik rund um Veröffentlichungen wirklich lächerlich, weil sie Fans erst anfixen und dann sagen "ällerbätsch, doch nicht". Nein, ich habe es nicht getan, aber ganz ehrlich, es verleitet doch regelrecht zu Piraterie! :(

Es ist einfach sehr unübersichtlich geworden für Außenstehende, inzwischen sogar für Trekkies selbst. Aber gut, ich schweife ab, Ja, Star Trek ist ein sehr emotionales Thema, und es ist sehr weitreichend und komplex. Und damit meine ich nicht einmal die Serie selbst, nur die Veröffentlichungen an sich.

Zurück zu STARK TREK: PICARD - DIE LETZTE UND EINZIGE HOFFNUNG. Wie fand ich das Buch? Es gab einiges, das mich störte. Es gab einiges, das mir sehr gefiel. Hier also mein höchst subjektiver aktueller Eindruck, fernab einer sachlichen Rezension, unsortiert wie es mir beim Schreiben gerade in den Sinn kommt:

Erst einmal habe ich das Gefühl, dass Fans gemolken werden. Mir scheint das Buch stellenweise sehr unsauber veröffentlicht, der Schreibstil und Inhalt (sowie auch die Erzählperspektive, die teilweise verschiedene Stile unsauber vermischte für mein Empfinden) hätten hier und da noch besseres Lektorat vertragen. Einige Fehler habe ich auch gefunden. Ich schließe jedoch nicht aus, dass diese ggf meiner fehlenden extraterrestrischen Grammatik geschuldet sind, falls gewisse Worte im Plural oder in ihrer Deklination plötzlich ihre Schreibweise ändern. Oder vielleicht lag es an der deutschen Übersetzung, dem deutschen Lektorat. Vielleicht tue ich der Autorin und dem originalen Verlag Unrecht mit meiner Aussage. Das ändert nichts daran, dass es mich beim Lesen der deutschen Ausgabe störte.

Was mich auch störte, war das viele Fluchen ab etwa Seite 300. Zeiten ändern sich, Darstellungen in den Medien ändern sich. Ich komme gut damit klar, wenn all dies heute anders ist also vor 30 oder gar 60 Jahren. Wäre ab und zu geflucht worden, hätte ich das verstanden. Aber dass in jedem zweiten Satz Scheiße, Merde, verdammt, verflucht, fick Dich zu lesen ist, das halte ich für unnötig. Man kann die Tragik, Hoffnungslosigkeit und das Elend auch anders greifbar machen. Schade.

Ich fand es gut, dass die Serie NACH dem Buch ansetzt. Denn das Buch ist extrem politisch. Star Trek hält der Gesellschaft den Spiegel vor. Ob das in diesem Fall funktioniert hätte oder nicht sogar zuviel des Guten gewesen wäre, sei dahingestellt. Denn die Themen dieses Mal sind wieder global und extrem emotional aufwühlend: Flüchtlingskrise, Fake-News, Brexit, Ausländerhass, populistische Politik, das Leugnen des Klimawandels. Es ist nicht mehr nur zwischen den Zeilen angedeutet, wie sonst bei Star Trek oft üblich, sondern es wird exakt so benannt. Nein, ich glaube nicht, dass das jemand in dieser Deutlichkeit sehen will momentan, es sei denn in einer Satire (DIE HUNGRIGEN UND DIE SATTEN) oder verschlüsselt in Form einer abstrakten Fantasy-Geschichte (GAME OF THRONES als sehr schönes Beispiel). Doch Sci-Fi hin oder her ist das, was in diesem Buch geschieht einfach nur reale Gegenwart, eiskalt und unerbittlich. Sehr harter Tobak, ohne Humor, ohne Satire, ohne Fantasyschleifchen.

Ich bin auch froh, dass ich mir ein Dramatis Personae angelegt habe. 58 Namen habe ich notiert. Teilweise fiktive nichtmenschliche Namen, die zu merken nicht leicht ist. Noch dazu werden einige Charaktere je nach Situation mal mit Vorname (offizielle Rolle) oder Nachname (privater Kontakt) benannt, manchmal sogar mit einem Kosenamen. Den Überblick zu behalten ist zumindest für mich immer extrem schwer, und ohne so eine Liste bin ich aufgeschmissen. Für das Verständnis des Buches ist es aber notwendig, inmitten all der politischen Ränke, Intrigen und Hirarchien zu wissen, wer was wann mit wem besprochen hat und wer mit wem wie in Verbindung steht.

Lässt man außer Acht, dass ich es als zuviel Fluchen empfand und mit ein paar Fehlern im Stil meine liebe Not hatte, hat mir das Buch außerordentlich gut gefallen. Es liest sich sehr flüssig, und die Autorin weiß, wie man Emotionen bei den Lesenden weckt. Ich habe es so schnell als möglich verschlungen, konnte es kaum aus der Hand legen. Und besonders gut: dies gelingt ohne die heute oft üblichen Cliffhanger am Kapitelende, die sich dann meist als banal entpuppen. Sondern es gelingt ihr einfach durch einen äußerst geschickt aufgebauten Spannungsbogen und mit Hilfe von Charakteren, denen ich mich beim Lesen sehr verbunden fühlte.

Das Buch ist durchdrungen von sehr viel Herzlichkeit und Menschlichkeit inmitten der tragischen Situation. Es verkörpert das, was Star Trek für mich schon immer bedeutet hat und warum ich die Serie so liebe. Ja, es gibt Abweichungen davon (das Fluchen, die nicht verschlüsselte sondern direkte Darstellung der Gegenwart), aber das ist okay. Schließlich hat jeder andere Erwartungen. Bei einem über die Jahrzehnte so groß gewachsenen Fandom kann man niemals alle zufriedenstellen, das ist mir bewusst.

Im Hinblick auf die Serie jedenfalls hat es mich sehr erhellt. Vieles, das sich bisher in der Serie ereignete, hat nun mehr Gewicht, es erklärt einige für mich offene Fragen. Teilweise gibt es sogar Sätze und komplette Gespräche, auf die direkt Bezug genommen wurde, bzw die sich nahtlos in die aktuelle Serie einfügen. Das finde ich toll, weil ich als Fan dadurch noch mehr davon habe, beides (Buch und Serie) umso intensiver genießen kann, viele tollen Aha-Momente erlebe und nach all den Jahren Picard-Dürre von damals bis heute endlich wieder so richtig schwelgen darf.

Trotzdem: ich finde ich es sehr ungünstig, dass die Serie so extrem langsam erzählt ist, so viele Rückblicke hat, selbst in Folge 5 noch immer nicht "zu Potte kommt" (sie gefällt mir, verschenkt diesbezüglich aber viel Potential) und dabei trotzdem so viel zu bieten hätte (das Buch eröffnet unzählige Fragen, die ich in der Serie gerne geklärt haben möchte, und statt dessen zieeeeeht sich alles belanglos hin, zuviel Einführung für zuviel erforderliche spätere Handlung). Für Neueinsteiger, die neugierig einschalten und das Buch nicht lesen möchten, bleibt also vieles offen und unklar.

Das Buch lässt also viele Frage noch offen. Wie kam es zu dem Angriff durch die Androiden? Was ist nach Nemesis und vor der Supernova zwischen Menschen und Romulanern passiert? Wodurch wurde die Supernova nun tatsächlich ausgelöst? Was war mit anderen Personen der alten Besatzungen, die hier nicht namentlich genannt wurden? Es hätte wissenschaftlich, politisch, sozial sehr viel mehr Möglichkeiten gegeben. Aber das stört mich nur begrenzt. Zum einen denke ich, dass vieles in der Serie geklärt werden wird. Und zum anderen ist es okay, nicht alles zu erklären: ich bin kein Tierbaby, das nur vorverdauten Brei bekommen muss, ich bin ein denkendes Wesen. Deswegen kann ich gut mit Lücken und offenen Fragen umgehen. Das Leben hat nicht auf alles eine Antwort.

Nun ja, alles in allem sind Buch und Serie ein enorm schwerer Spagat: alte Fans (TOS, TNG, VOY) ebenso zufriedenstellen wie neue Fans (Filme ab 2009, DISCO) oder gar komplette Neulinge. Die Freunde von Picards diplomatischen Gesprächen ebenso zufriedenzustellen wie Action-Fans. Wissenschaftsjunkies genauso Futter zu bieten wie den Anhängern von Social-Fiction. Ehrlich gesagt: dass man sich überhaupt getraut hat, dieses Projekt in Angriff zu nehmen, wohlwissend dass egal wie gut es sein mag dennoch sehr viel Leute es verteufeln werden und erklären, warum man die Serie völlig verraten hat und alles falsch gemacht wurde - das finde ich beachtlich. Man hätte ja wie mit DISCO eine völlig neue Serie schaffen können. Zurück zu Picard war ein gewagter Schritt. Für den ich sehr dankbar bin (vorerst. Ich schreibe hier nur eine Zwischenmeinung. Die Serie ist noch nicht abgeschlossen, und mein Eindruck kann sich in jede Richtung noch drastisch ändern).

SaschaSalamander 24.02.2020, 07.43

Kommentare hinzufügen

Die Kommentare werden redaktionell verwaltet und erscheinen erst nach Freischalten durch den Bloginhaber.



Kein Kommentar zu diesem Beitrag vorhanden

Einträge ges.: 3848
ø pro Tag: 0,5
Kommentare: 2809
ø pro Eintrag: 0,7
Online seit dem: 21.04.2005
in Tagen: 7131
RSS 2.0 RDF 1.0 Atom 0.3