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Ausgewählter Beitrag
Spider
KLAPPENTEXT: Spider hat bei seinem Herrchen Tom ein richtiges Zuhause gefunden. Wenn doch bloß nicht so viel schiefgehen würde! Spider ist nun mal wild und unerfahren und bringt immer wieder alles durcheinander. Dabei hat Tom schon genug Sorgen – die Trennung seiner Eltern, eine neue Schule und dann noch dieser Junge, der ihm das Leben schwer macht … Vielleicht hat die Spinne doch recht, und Spider wird gar nicht von Tom geliebt? Vielleicht hat die Katze recht, und Spider sollte einfach davonlaufen? Spider muss einen langen und abenteuerlichen Weg gehen, um zu verstehen, dass sein Platz an Toms Seite ist – der ihn nicht nur über alles liebt, sondern ihn auch dringend braucht!
AUFBAU
Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil ist Spider bei Tom. Der Leser erlebt die Geschichte aus Sicht des Hundes. Wie es seine Natur ist, liebt er sein Herrchen, möchte brav sein, doch immer wieder packt ihn die Abenteuerlust. Der Leser baut einen Bezug zu Spider auf, lernt ihn immer besser kennen, bangt mit ihm. Erwachsene Leser können zwischen den Zeilen bereits herauslesen, dass einige seiner tierischen Freunde ein böses Spiel mit ihm treiben.
Der zweite Teil handelt von Spiders Reise. Er hat sich verlaufen und möchte zurück zu Tom. Dieser Part hat ein bisschen was von einem literarischen RoadMovie: Abenteuer, viele Begegnungen. Zugegeben ist dies auch der heftigste Abschnitt, in dem er mit der knallharten Realität konfrontiert wird (und die ist im Tierreich stellenweise sehr brutal). Es gibt viele Perspektivwechsel hin zu Tom, einer Katze, einem Fuchs und anderen Haupt- und Nebenfiguren. Vor allem jüngere Leser werden jetzt erkennen, dass der arme Spider nicht jedem vertrauen darf.
Dann zuletzt der große Showdown, in dem alle Fäden zusammenlaufen hin zu einem mehr oder weniger Happy End ...
CHARAKTERE
Die Charaktere werden anfangs aus Spiders Sicht geschildert und bekommen später durch die Perspektivwechsel Tiefe. Zu Beginn werden Spider, Tom und die Familie geschildert. Lange bleibt unklar, was es mit dem Untermieter auf sich hat oder wo die Mutter des Jungen ist. Das ist zwar verwirrend, doch finde ich es gut. Denn das ist nicht Teil von Spiders Geschichte und regt Kinder zu Fragen an, die teils beantwortet werden und teils mit eigenen Ideen gefüllt werden können. Keine unnötigen Erklärungen, ob oder warum die Eltern sich getrennt haben und warum nun plötzlich ein weiterer Mann im Haus wohnt.
Die anderen Tiere werden teils nur angerissen. Vielen Charakteren begegnet man nur einmalig und kurz, andere tauchen zwischendurch immer wieder einmal auf und begleiten den kleinen Hund auf seiner Reise. Obwohl teilweise auch aus deren Sicht geschildert wird, beschreibt Mulligan eher von außen, lässt den Leser vielmehr beobachten als tatsächlich wissen. Dadurch bieten alle Figuren viel Raum für eigene Interpretation ihrer Motive und Handlungen.
Gut und Böse sind schwer zu trennen, da wird vor allem jungen Lesern einiges abverlangt. Das finde ich aber gut, denn dadurch hebt sich das Buch sehr von anderen Titeln dieser Altersklasse ab, ohne dabei aber zu moralisieren. Es beschreibt vielmehr die Natur, wie sie ist: niemand ist nur gut oder böse, und jeder definiert diese Begriffe anders. Ist ein Hund böse, wenn er etwas zerstört, oder folgt er nur seinem Instinkt? Ist eine Spinne böse, die ihre Opfer leiden lässt, oder muss sie das tun um zu fressen? Kann man von Bösartigkeit oder Schuld reden, wenn ein unachtsamer Unfall zum Tode führt? Die Charaktere entwickeln sich weiter, wachsen an ihren Aufgaben und lernen aus den Ereignissen, sodass die jungen Leser sie gut begleiten können.
SCHREIBSTIL
Einem Buch für Kinder / Jugendliche angemessen ist das Buch sehr herzlich und offen sowie in einfachen Worten und eher schlichten Sätzen geschrieben. Dadurch öffnet man als Leser dem kleinen Hund schnell sein Herz, bangt mit ihm und folgt ihm auf seiner Reise, als wäre man selbst dabei. Zu Beginn hatte ich noch eine kindliche Freude beim Lesen, musste oft lächeln. Doch das legte sich bald, während ich immer ernster wurde und die Freude einer Spannung und oft auch Trauer wich.
Die einfache, kindliche Sprache macht die brutalen Szenen jedoch umso schlimmer. Wenn man sein Herz geöffnet hat, um Spider und seine Freunde einzulassen, dann kommen die grausamen Szenen wie ein Hammerschlag. Ich gebe zu, ich war zu Beginn schockiert, las nochmal und überlegte, ob ich das jetzt wirklich richtig gelesen hatte, konnte es kaum glauben und musste erst einmal pausieren. Danach las ich den Rest des Buches mit deutlich mehr Abstand, wollte mich nicht mehr wirklich so ganz auf die Geschichte einlassen.
GENRE / THEMEN / ZIELGRUPPE
Es ist ein Kinderbuch. Allerdings ging ich wohl mit deutlich falschen Erwartungen an das Buch heran. Klappentext und Aufmachung lassen eher an ein Buch erinnern, bei dem man ein zufriedenes Lächeln auf dem Gesicht hat. Kindlich, voller Freude, mit süßen Tieren und niedlichen Abenteuern. Dazu eine schlichte Sprache, die zumindest auf den ersten Seiten das Bild eines netten Büchleins vermittelt.
Statt dessen handelt das Buch vom Anders-Sein, von Ausgrenzung, Mobbing, jeder Menge Gewalt unter Menschen und in der Natur, von Armut und Einsamkeit, Realismus pur. Dafür, dass es ein Kinderbuch ist, nimmt der Autor kein Blatt vor den Mund. So gibt es brutale Kämpfe mit viel Blut und Gewalt, einen grausamen und unerwarteten Tod in ziemlicher Ausführlichkeit, es geschehen Unfälle mit langsam verendenden Opfern. Es ist Natur, wenn eine Spinne ihr Opfer quält oder wenn ein Tier auf der Jagd ein Blutbad anrichtet. Und ja, auch der Mensch schickt Hunde auf eine Hetzjagd gegen "Schadwild" oder quält Tiere zum "Nutzen der Menschen".
Damit reiht sich SPIDER weniger unter den kindlichen Tierabenteuern ein als vielmehr zu Büchern wie WATERSHIP DOWN und ähnliche. Während jenes aber inhaltlich sehr viel komplexer ist, eine eigene Welt der Hasen erschafft und sich auch inhaltlich an ältere Leser richtet, bleibt SPIDER hier doch recht schlicht in der Darstellung seiner Charaktere und Erlebnisse.
EIGENE MEINUNG
Ich habe SPIDER sehr zwiespältig gelesen. Die Geschichte gefiel mir, ich mochte die Protagonisten und bin gerne der Reise des Hundes gefolgt. Doch ab dem Moment, als ich mit Abstand las (um nicht erneut von einem brutalen Hammerschlag des Autors getroffen zu werden), verflog ein Stück des davor empfundenen Zaubers.
Nein, ich will nicht sagen, dass das Buch für Kinder ungeeignet ist. Im Gegenteil, ich finde es schlecht, Kinder immer von allem fernzuhalten und ihnen eine heile Welt vorzugaukeln. Natur IST grausam, und auch Kinder können gemein untereinander sein, und es ist in Ordnung, dies auch in einem Kinderbuch zu thematisieren (wobei ich jedoch dafür bin, dass junge Leser in diesem Fall eine Bezugsperson haben sollten, um sich darüber auszutauschen).
Am Ende fehlte mir dann doch ein wenig. Ja, es gab eine lange Reise, ja die Charaktere haben zueinander gefunden und sich entwickelt. Und irgendwie kann ich allem auch eine gewisse Moral abgewinnen. Trotzdem wirkten die vielen Verluste bitter nach. Für die schlichte Umsetzung empfand ich es als zu herb und schmerzvoll. Für die vielen eigentlich tiefgründigen Themen war es allerdings zu wenig komplex und streifte all diese Dinge nur nebenbei am Rande.
Daher habe ich die Rezension bewusst nicht sofort geschrieben sondern das Buch erst ein paar Tage nachwirken lassen. Und nun kann ich sagen, dass ich es sehr gerne gelesen habe, dass die Charaktere und ihre Abenteuer erstaunlich viel Eindruck hinterlassen haben und mich teilweise noch immer bewegen. SPIDER ist ein Buch, an das ich gerne zurückdenke und das ich noch lange im Herzen tragen werde, das zu lesen ich nicht bereue, das aber keinen festen Platz in meinem Regal bekommen wird.
FAZIT
Mit SPIDER hat Mulligan ein ungewöhnliches Abenteuer geschrieben. Junge Leser werden Spider und seine Freunde mögen. Allerdings sollte jedem bewusst sein, dass es trotz der kindlichen Umsetzung hier nicht um Kuschelfaktor und niedliche Erlebnisse geht, sondern um grausame Natur und harte Realität.
SaschaSalamander 07.05.2018, 08.49
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