SaschaSalamander

Ausgewählter Beitrag

Sklavenjagd

Erotische Romane lese ich ja gerne, von soft bis hart alles dabei. Diesmal habe ich einen in die Finger bekommen, der sich sehr stark von den anderen Titeln abhebt, alle Achtung! SKLAVENJAGD von Tomás de Torres heißt der Thriller, der auf den ersten Blick nach "schon zigmal dagewesen" klingt und dann beim Lesen aber zeigt, dass er  in jeder Hinsicht zu überraschen vermag.

Dolores fährt auf einer verlassenen Straße, als sie plötzlich einen Mann anfährt. Aus dem Dunkel taucht eine nackte Frau auf, welche den Mann tötet und dabei ruft "es war die dritte Jagd". Dolores ist geschockt, will es der Polizei melden, doch diese gebietet ihr Stillschweigen über den Vorfall. Einige Zeit später wird ihr der Grund dafür erklärt: es gibt eine Gruppe von Superreichen, die zu ihrem Vergnügen Jagden veranstalten. Die Teilnahme daran ist absolut freiwillig. Als Gewinn für die erste Jagd (Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang, keine Hilfsmittel, nur ein Jäger, eine Beute) erhält die Beute 100 000 Euro oder muss einen Tag lang dem Sieger zu Willen sein. Bei der zweiten Jagd winken 1 Million oder eine Woche Sklaverei. Und dann alles oder nichts: 10 Millionen oder aber lebenslange Knechtschaft. Auch Dolores wird die Teilnahme an dem Spiel angeboten.

Klar, das ist abstrus, und Dolores würde so etwas niemals tun. Doch "niemals" sagt sie sich in diesem Buch oft, und dabei muss sie erfahren, dass freier Wille und Würde des Menschen zwei Begriffe sind, die sie beginnen muss neu zu definieren.

Anfangs mutet der Roman an wie ein Märchen um das hässliche Entlein, welches sich in den reichen Prinzen verliebt und ein paar Abenteuer bestehen muss, bevor sie zusammen kommen. Es scheint völlig klar, wie der Plot sich entwickelt und wie das Buch enden muss. Und dann kommt alles ganz anders als erwartet. Twisted Plot vom Feinsten.

Dem Titel und Cover nach ging ich ja nun davon aus, dass es ein SM-Thriller wäre, der ziemlich heftig zur Sache geht und von den 236 Seiten mindestens 150 bis 180 Seiten nur diverse Praktiken und Spielarten enthält, und ich hatte nicht wirklich Lust, das Buch überhaupt anzufangen. Und dann war ich auf Seite 90 erstaunt, dass außer zwei Seiten Pflichtübung in der Beziehung bisher noch gar nichts gelaufen war. Auch später bleiben die entsprechenden Szenen sehr im Hintergrund.

Dass es dennoch ein SM-Thriller ist und kein normaler Roman, liegt wohl an der Heftigkeit der Szenen. Wobei auch hier: der Autor ist ein Meister der Auslassung. Denn das, was im Kopf des Lesers geschieht, ist schlimmer als das, was der Autor selbst beschreiben könnte. Und so hält er sich in den erotischen oder brutalen Szenen sehr zurück und lässt vielmehr den Leser die Arbeit erledigen. Dadurch ist der Inhalt extrem heftig (ich würde das Buch definitiv in den Bereich Hardcore einsortieren und nicht gerade denen empfehlen, die erst neu in diesem Genre sind), obwohl es sprachlich und im Verhältnis Inhalt / Sexszene wirklich bei einem ganz normalen Thriller bleibt. Die Momente sind nur kurz und wenig, dafür jedoch heftig und emotional sehr intensiv.

Es werden zugleich viele Fragen aufgeworfen, mit denen die Protagonistin und somit auch der Leser konfrontiert wird. Antworten gibt es darauf nicht, und so bleibt der Leser zurück mit einem seltsamen Gefühl. War es gut? War es schlecht? War es falsch oder richtig? Ungewöhnlich, dass solche Themen in einem Roman dieser Art überhaupt behandelt werden. Und noch ungewöhnlicher, wie die Heldin mit diesem Thema umgeht.

Normalerweise ist die Handlung ja eher Alibi für das, worum es eigentlich geht: Sex, Erotik, was auch immer. Hier aber ist die Handlung der Hauptteil. Und die Handlung besteht vor allem in Dolores Entwicklung vom schüchternen Weibchen hin zur emanzipierten Frau, die ihr Schicksal in die eigenen Hände nimmt.

Wie gesagt: für Neulinge rate ich "Finger weg", aber wer härtere Kost verkraftet, der muss SKLAVENJAGD auf jeden Fall gelesen haben. Es ist ein Thriller, wie es ihn nur ganz selten gibt ...

SaschaSalamander 06.05.2011, 09.08

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von Bheany

Huhu :)

Ich hab das Buch gerade gelesen - nicht zuletzt aufgrund der Kritik hier, da ich ein wenig skeptisch war, ob es mir gefallen könnte. Ich habs gekauft, es lag einen Moment herum und gestern hab ichs gelesen, heute beendet - ging dann doch rech schnell.

Und ich würd gern kurz was zu der Rezension sagen, wenn ich darf. Was mich im Nachhinein ein wenig geärgert hat waren die vielen positiven Kritiken, die ich gelesen hab, vielleicht war das auch der Fehler, denn nachdem ich das Buch weggelegt habe, bin ich eher enttäuscht. Ich kann dem durchaus zustimmen, dass der Autor viel der Fantasie überlässt, was ich bei den Sex- und SM-Szenen auch gar nicht so schlimm finde. Aber meiner Meinung nach überlässt er irgendwann vor allem in Bezug auf Dolores zu viel der Fantasie.

Zitat: "Und die Handlung besteht vor allem in Dolores Entwicklung vom schüchternen Weibchen hin zur emanzipierten Frau, die ihr Schicksal in die eigenen Hände nimmt." (Das muss ich mal besonders herausgreifen.) Auch das stimmt, aber nur bis zu einem bestimmten Punkt. Denn meiner Ansicht nach wird sie von einer Seite auf die andere plötzlich von jenem schüchtern Wesen, das ich der Beschreibung nach tatsächlich als devot einschätzen würde zur selbstbewussten, entschlossenen, mutigen Frau. Ich hab die Stelle mehrmals gelesen, ich finde keinen Grund für diesen plötzlichen Umbruch. Das stört mich vor allem deswegen, weil ich an diesem Punkt den Bezug zur Hauptperson verloren habe, was mir das ganze Buch ein wenig vermiest hat.

Hinzu kommt, dass ich mir gewünscht hätte, dass an den Stellen, wo der Autor viel der Fantasie seiner Leser überlässt, was die Handlungen angeht, er mehr auf die Gefühlswelt und damit eben auch irgendwie auf die emotionale Entwicklung der Protagonisten eingeht. Sowas kann ich meiner Ansicht nach nicht dem Leser und seiner Fantasie überlassen, denn ich hätte meine Hauptcharaktere ganz anders agieren lassen - was vielleicht auch wieder der Grund ist, dass mir der Bezug flöten gegangen ist. Sicher ist es schön, wenn ein Autor seine Leser ein wenig eigenverantwortlich fantasieren lässt, aber ich denke er muss es dann schaffen sie wieder irgendwo abzuholen und wieder zu fangen. Das ist ihm in meinem Fall einfach nicht gelungen. In meinem kleinen Kopf verstehe ich nicht, dass Dolores im Endeffekt so handelt, wie sie handelt. Außer... naja, weil sie gedemütigt ist. Aber das - und auch nur das - erwähnt er zu Hauf, meist bei sich widerholenden Ereignissen.

Ich persönlich halte das Buch wegen des Schreibstils durchaus für lesenswert, einfach weil man es wirklich schnell und gut lesen kann. Wenn es um SM-Literatur geht, habe ich allerdings schon wesentlich bessere Bücher gelesen. (Was auch der Grund ist, warum der Autor vorerst wieder von meiner Leseliste verschwunden ist.)

vom 21.06.2011, 22.19
Antwort von SaschaSalamander:

Hallo,

mensch, das ist ja quasi eine eigene Rezension, danke dafür.
Hast Du einen eigenen Blog? Würde gerne mehr lesen, falls Du öfter schreibst über Bücher ;-)

Es kann an vielen gelegen haben, vielleicht waren es wirklich überhöhte Erwartungen, die es dann trübten.

Was ich selbst immer schwer finde: ich habe unterschiedliche Erwartungen, je nach Genre, das ich lese. Von einem Kinderbuch kann ich nicht die Sprache eines Thomas Mann erwarten, in einem Erotiktitel rechne ich nicht mit psychologischem Tiefgang wie bei Victor Hugo, etc. Verglichen mit anderen Erotiktiteln stach dieser also für mich heraus, verglichen mit anderen Büchern anderer Genres war es natürlich einiges hinterher. Aber ich möchte in einer Rezension auch nicht immer schreiben "dafür, dass es nur Erotik ist" oder "naja, verglichen mit Thomas Mann kann es nicht mithalten, aber abgesehen davon" ... das ist so ein Zwiespalt, den zu vermitteln mir immer sehr schwer fällt, wen ich Genres bewerte, die für mich abseits der "normalen" Kritierien laufen. Wäre dies ein Thriller von Fitzek, McDermid oder anderen gewesen, hätte ich diese Aspekte ganz anders beurteilt und hätte das Buch um einiges schlechter abgeschnitten.

Konkret zu Deinen Punkten: ja, in der Tat wird bei Dolores sehr viel der Phantasie überlassen. Ich muss aber auch offen zugeben, dass mir das jetzt erst auffällt, als Du es konkret ansprichst. Für mich waren viele Dinge absolut klar beim Lesen. Ich konnte mich sehr gut in diese Frau hineinversetzen, mit ihr fühlen, und ohne dass der Autor es erwähnte, kam bei mir sehr gut an, was sie fühlte und warum sie nun auf einmal anders reagierte und wie dies schrittweise geschah. Nach der Woche bei ihrem einstigen Traumprinzen war sie ... mh, nein, nicht gebrochen, sonst hätte sie anders reagiert. Manche Menschen zerbrechen, aber in ihr hat es etwas ausgelöst, etwas freigesetzt, das musste für mich gar nicht erwähnt werden.

Wegen dem Bezug auf die Gefühlswelt bei den nicht ausgeschriebenen BDSM-Szenen: in der Tat, das wäre eine interessante Möglichkeit gewesen. Für mich wieder ein Punkt, wo ich mich einfach hineinversetzt habe und es selbst sehr gut empfand, aber wo ich durchaus verstehen kann, wenn es anderen fehlt.

Ein ganz anderes Genre, aber mir fällt es als Beispiel für diese Dinge immer wieder ein:
Marion Zimmer Bradley lesen viele Leute sehr gerne, eine großartige Autorin, allseits beliebt. Ich mag sie gar nicht. Weil ich ihre Bücher lese und mir das geraubt wird, was für mich das Lesen ausmacht: ich möchte nicht lesen, was die Person fühlt (Sie war traurig. Es zerriss ihr das Herz. Ihr steckte ein Kloß im Hals. Es war, als hätte er ihr die Seele entrissen. Etc). Solche Umschreibungen und Worte nerven mich. Ich mag es gerne selbst empfinden. Ich mag die Handlung lesen und sosehr davon gepackt sein, dass ich diese herausgerissene Seele, dieses zerrissene Herz, den Kloß im Hals selbst spüre.

Da unterscheiden sich die Leser. Der eine mag es ausführlicher, emotionaler, der andere bevorzugt die Handlung und empfindet die Emotionen dann selbst auch ohne jegliche Beschreibung. Ist beides in Ordnung. Und ich bin froh, dass es unterschiedliche Verleger und Autoren gibt, sodass beide Seiten auf ihre Kosten kommen können.

Leider ist es in einer Rezension nicht möglich, solche Aspekte zu berücksichtigen, bzw fallen sie einem selbst oft gar nicht auf, denn für mich war es in dieser Hinsicht stimmig, aber was Du beschreibst, kann ich alles unterstreichen, tatsächlich wurden diese Dinge nicht benannt und fehlten, was mir jedoch nicht auffiel.

Danke für Deinen Beitrag :-)

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