SaschaSalamander

Ausgewählter Beitrag

Shades of Grey

james_shades01_1.pngEine Rezension für dieses Buch fände ich sinnlos. Allein bei Amazon finden sich zum heutigen Stand, 28. Juli, 298 Lesermeinungen. (Edit am 18. August 2012: heute sind es 631 Meinungen). >Der Stern< hat darüber geschrieben, auch >Frau Schwarzer<. Weit interessanter als Frau Schwarzer finde ich die Stellungnahme der Autorin >Nora Schwarz< (>LESSONS IN LACK<) zu Frau Schwarzers Ausführungen. Und statt selbst eine Rezension zu schreiben, kann ich mich >Nora Schwarz in ihrer Rezension< in allen Punkten anschließen (die Rezension ist ein anderer Beitrag als ihre Gedanken über Frau Schwarzer). (Herrjeh, das waren jetzt aber arg viele Schwarz und Schwarzer in einem so kurzen Absatz, sorry, ich hoffe, Ihr blickt noch durch *g*). Der Verleger Matthias Grimme gibt bei Spiegel Online ein >ausführliches Interview<, in London sind die >Peitschen ausverkauft<, und die Zahl der Parodien, Trittbrettfahrer und Persiflagen kann ich gar nicht mehr zählen.

Was also soll ich noch groß dazu schreiben? Bringt es überhaupt irgend etwas? Nein, es bringt niemandem etwas, denn wen es interessiert, der hat schon davon gelesen. Und wen es nicht interessiert, der klickt diesen Beitrag hier einfach gar nicht erst an. Der einzige Nutzen, und der ist mir diesen Beitrag wert: Katharsis, ich habe danach meine Gedanken geteilt und kann mich dem nächsten Buch zuwenden. Wobei es mir gar nicht darum geht, es zu bewerten, das haben genügend andere getan. Einfach nur ein paar Dinge anmerken, ohne Reihenfolge, Sortierung, Bewertung. Einfach nur Stichpunkte, ...

- Fanfic. Von daher war klar, was mich erwarten würde, und nichts anderes habe ich bekommen. Wenn ich jetzt schimpfen würde, wäre es lächerlich. Ich kann nicht einen BigMac bestellen und sagen "ich mag keine BigMacs, klar war er schlecht". Das wäre unfair gegenüber allen, die BigMacs mögen und außerdem auch unsachlich.

- Das Thema SM hat mich gelockt. Aber ich fand da wenig Zusammenhang. Gut, der Vertrag beinhaltete ein paar nette Praktiken, vielleicht wird hier und da im zweiten und dritten Band noch etwas angeschnitten, aber das glaube ich nicht, denn dann wäre es nicht mehr sauber, und dieses Buch ist sehr sauber und amerikanisch.

- Popo verhauen und ein bisschen die Hände zusammenbinden hat mit SM soviel zu tun wie ... ach, keine Ahnung, ich habs nicht so mit Metaphern. Auf jeden Fall ist das, was hier im Buch geschieht, eigentlich recht normal und dürfte in vielen Schlafzimmer praktiziert werden. Mit dem Unterschied, dass man im Schlafzimmer nur das tut, was dem Partner gefällt, während Grey ein Psychopath ist, der gegen den Willen Schmerzen körperlich und seelisch zufügt. Das hat aber nichts mit SM zu tun, sondern es ist in meinen Augen krankhaft und behandlungsbedürftig.

- Den Reiz der Geschichte kann ich nachvollziehen. Die Autorin zeigt hier auch klar, welche Mechanismen hinter dem Erfolg von Bella und Edward stecken. Für mich besteht der Unterschied darin: TWILIGHT ist Fiktion, es gibt keine Vampire, und auf diese Weise kann man sich der Gefahr hingeben und träumen (ja, ich gebe zu, mir gefiel das erste Buch. Die Filme gar nicht, und die Bücher wurden ab Band 2 schlechter, aber der erste gefiel mir). Doch SHADES OF GREY spielt in der realen Welt, und das finde ich selbstzerstörerisch und keinesfalls zum Träumen und Phantasieren.

- In meinen Augen ist das Buch aber auch eine grandiose Parodie. Auf alle Liebesromane, die es gibt. Es scheint, als hätte sich jemand einen Spaß erlaubt und alle Formulierungen gesammelt, die in Kitschromanen auftauchen, nur um sie dann in geballter Form alle in diesem einen Buch zu veröffentlichen. Die Sätze sind leere Phrasen, die Adjektive sind ohne Aussagekraft. Von all den Wortwiederholungen das ganze Buch hindurch ganz zu schweigen. Ich habe sehr, sehr oft gelacht, auch wenn das nicht die Absicht der Autorin war, aber manche Szenen waren einfach zu komisch, zu klischeebeladen, too much von allem. Es ist eine grandiose Sammlung von allem, was man als Autor an Worten, Sätzen, Aufbau, Charakterisierung tunlichst meiden sollte.

- Unterbewusstsein, innere Göttin, Unterlippe kauen, Baby, widerspenstiges Haar, postkoitale Frisur, Medulla Oblongata, Scheiße, Kontrollfreak. Der Orgasmus zerfetzt und zerwühlt die Eingeweide, sie zerspringt / zerbirst / explodiert dabei in tausend Teile / Stücke.

- das englische Cover hat einen Bezug zum Buch und ist neutral, finde ich ansprechend. Das deutsche Cover hat meiner Ansicht nach keinerlei Bezug. Aber, was man ihm zugute Halten muss: die Haptik ist mir normalerweise völlig egal, aber hier ist sie einfach genial, ich könnte immer und immer wieder über das Cover streichen!

- Immer wieder fragt sie "warum tust Du das". Immer wieder sagt er "weil ich es kann". Das erinnert mich an die klassische Frage "Warum leckt sich der Hund die ..."? - "Weil er es eben kann". Immer, wenn Grey diese Antwort gab, sah ich ihn wie einen Hund in der Ecke sitzen und sich lecken.

- Im Englischen ist "Mrs Steele" und "Mr Grey" mit You. Im Deutschen hat man Sie und Du verwechselt, das führt zu komischen Momenten, wenn sie sich in einem Satz Siezen, im nächsten Satz Duzen. Dafür kann die Autorin aber nichts (diesmal nicht, nein)

- ein weiterer Reiz, der vielen Lesern gefallen dürfte und der einen Teil des Erfolges ausmacht: die Charaktere sind relativ leer und eigentlich nur Platzhalter für die ihnen vorgegebenen Klischees, man kann sie gut mit eigenen Interpretationen füllen. Dadurch bieten sie, so man dies will, gute Identifikationsfiguren. Wer will, sieht in ihr die selbstbewusste, starke Persönlichkeit (denn in ihren Mails ist sie reflektiert und klar, doch seine Gegenwart macht sie schwach, aber das ist kein Wunder bei solch einem Prinzen). Wer will, sieht sie als albernes Hühnchen (das nicht weiß, was es will, dass selbstzerstörerisch handelt und völlig naiv an die Sache herangeht). Ebenso bei ihm: für die einen ist er der strahlende Held (denn er reflektiert sehr wohl, besucht sogar eine Thereapie, für sie will er sich ändern, und er antwortet klar und deutlich auf ihre Fragen, reißt sich in seinem kaputten Sein zusammen und will ihr keinen Schaden zufügen, er ist sofort da und würde alles für sie tun), für die anderen der böse Psycho (Stalker, eifersüchtiger Kontrollfreak und nicht bereit, sich zu öffnen).

- Dafür, dass es Erotik ist, hat es mich nicht in der geringsten Weise erregt. Teilweise lag es an der Sprache (die für mich ein sehr wichtiges Element bei der Erotik ist), teilweise an den Handlungen. Aber gut, was ich erotisch finde, das ist für viele andere Leser ebenfalls uninteressant. Hat eben jeder seins.

- würde man die Beschreibung von Äußerlichkeiten weglassen (Kleidung und gezupfte Augenbrauen, Augenfarben und Co werden hier sehr genau dargestellt), dürfte das Buch rund ein Viertel seiner Seiten einbüßen.

- ließe man die Wörter ohne Aussage weg (unverschämt gutes Aussehen, wahnsinnig graue Augen, ultraelegant, megaerfolgreich - keinerlei Aussage. Aber sehr viel Raum für freie Interpretation der LeserInnen, die sich bei Gefallen des Buches sehr deutlich etwas darunter vorstellen können, ihrer eigenen Phantasie entsprungen und somit perfekt auf sie selbst zugeschnitten, ideal. Nicht gerade das, was namhafte Autoren anstreben, aber dennoch erfolgreich) - ließe sich ein weiteres Viertel kürzen.

- Würde man die Wortwiederholungen streichen - wäre ein weiteres Viertel weg. Übrig bliebe ein Viertel Handlung. Rund 200 Seiten, die man jedoch auch sehr gut kürzen könnte, da auch in der Handlung sehr viele Wiederholungen zu finden sind.

- "Zieh Dich aus, ich muss mit Dir reden" - konfliktreiche Dialoge enden meistens im Sex. Kein gutes Vorbild, neinnein ;-) Wannimmer sie ihn zur Rede stellen möchte, wickelt er sie um den Finger, und ihr Problem wird wieder vertagt. Dejá Vu, beim nächsten Mal passiert das gleiche.

- Abgesehen von den Wortwiederholungen musste ich einige Male lachen. Sätze wie "Was tun Sie nach der Arbeit zum Chillen" gewinnen keinen Literaturnobelpreis. Aber das hat die Autorin ja auch nie vorgehabt.

- Ich habe das Hörbuch nicht gehört, kenne die Sprecherin nicht. Aber: ich kann mir vorstellen, dass das Hörbuch angenehmer ist, da die vielen Wiederholungen eventuell nicht auffallen.

Nein, mein Ding war es nicht. Aber ich verstehe den Reiz, der dahinter steht. Ich finde ihn in manchen Punkten bedenklich. Doch die LeserInnen sind erwachsen. Ich muss nicht gut finden, was andere lesen. Und andere müssen nicht gut finden, was ich lese. YKINMK - und das ist gut so ;-)

SaschaSalamander 31.07.2012, 08.33

Kommentare hinzufügen

Die Kommentare werden redaktionell verwaltet und erscheinen erst nach Freischalten durch den Bloginhaber.



Kommentare zu diesem Beitrag

6. von El Tofu

So ich hab jetzt das Hörbuch vor mir. Jetzt gehts rund!

vom 22.09.2012, 23.13
Antwort von SaschaSalamander:

Au ja! Auf Deine Rezi bzw die Gedanken dazu bin ich richtig gespannt!
5. von Mila

Hab über Evis link hergefunden und finde deine Nicht-Rezension ganz herrlich! Ich hab das Buch nicht gelesen und werds wohl auch nicht mehr tun, aber mir macht es einen Riesen Spaß Rezensionen dazu zu lesen :p

Liebe Grüße,
Mila

vom 09.09.2012, 12.46
Antwort von SaschaSalamander:

Och ja, Rezensionen dazu finde ich trotzdem auch spannend. Interessant, wie einzelne Leute dieses Buch wahrnehmen :-)
4. von El Tofu

Dank diesem Text weiß ich endlich wie man das nennt was ich auf dem Kopf habe. Postkoitale Frisur!

vom 04.08.2012, 14.56
Antwort von SaschaSalamander:

Foto bitte *ggg*

(wenn Du ständig damit rumläufst, stellt sich die Frage ... öhem ... lassen wir das *vg*)

3. von Schnuffelchen

Ich habs mir auch gekauft, weil ich mich von dem Hype hab anstecken lassen. Allerdings habe ich nur knapp die Hälfte gelesen. Ich fand furchtbar - zu amerikanisch sauber um erotisch und vielleicht auch dreckig zu sein. Das Cover wiederum mag ich - ich liebe Orchideen und von daher schaue ich es mir gern an.

Aber deine Beschreibung stimmt total. Ich werde mir 2 und 3 wahrscheinlich nicht antun.

vom 01.08.2012, 14.02
Antwort von SaschaSalamander:

dafür, dass es amerikanisch sauber ist, wurde es bereits in Amerika in zwei Bundesstaaten (vielleicht wurden es inzwischen ja mehr, bin nicht auf dem Laufenden) indiziert *lol*. Aber ja, ich verstehe, was Du meinst, es ist sehr sauber und anständig dafür, dass es Sex oder gar SM sein soll. wäre es irgendein anderes Buch gelesen, hätte ich es auch beiseite gelegt, in diesem Fall habe ich durchgehalten, ich finde es für die aktuelle Diskussion rund um SM-Titel und das, was sie für den Markt bedeuten, sehr wichtig ... aber das ist auch alles ;-)





2. von Corinna

Kennst du schon diese Parodie:
"Sixty Shades of Blood. Erotik-Satire oder so" von F. M. Wuzynski bei Amazon.
Was habe ich gelacht! Eine herrlich gelungene Verarsche, und dabei sogar erotischer als das Original!

vom 31.07.2012, 20.45
Antwort von SaschaSalamander:

Eine Parodie auf die Parodie, das hat was *g*
1. von Tina

Ich glaub ich muss das Buch echt mal lesen - alleine um mitreden zu können. Wobei ich es schon echt lustig finde, was für ein Aufriss um dieses Buch gemacht wird, alleine weil es am Rande um SM geht. Als wäre das das erste Buch zu diesem Thema...

vom 31.07.2012, 10.59
Antwort von SaschaSalamander:

Du verpasst nichts, außer die unbefriedigte Neugier ;-)

naja, klar gibt es dutzende, hunderte Bücher zum SM. Klick mal bei mir in der Tagliste auf BDSM, da sind ganz andere Kaliber. Und einige habe ich hier gar nicht rezensiert, weil sie zu heftig wären für den Blog. Und das ist nur eine winzige, winzige, winzige Auswahl, es gibt haufenweise. Teilweise sogar gut verpackt unter "normalen" Thrillern im Buchhandel wie etwa >Brennende Fesseln<

Der Unterschied ist vor allem, dass dieses Buch hier unter SM angepriesen wird, und dass es erfolgreich ist. Kaum ein Buchhandel würde sich trauen, ein SM-Buch als Topseller in die Auslage zu legen und zu bewerben, dieses hier hat es geschafft. Und nun ist natürlich die Frage groß, was "dieses SM da" sein soll, weil durch Nachmittags-TV, Stammtischgerede und Gerüchte hier und da jeder so seine Vorstellung hat. Und das Buch trägt leider nicht dazu bei, Vorurteile abzubauen sondern führt im Gegenteil dazu, dass die Leute ihre billige Nachmittags - Talkshow - Meinungs - Mentalität bestärkt sehen. Vielleicht wird hier und da einer nachfragen, sich Fachliteratur holen (z.B. "Fessle mich" von Arne Hoffmann, das im August 2012 erscheinen wird und sich sogar auf die Shades bezieht. Hoffmann kann ich nur empfehlen, er schreibt sehr gute Ratgeber zu diesem Thema, und ich hoffe auch in diesem Fall wieder auf einen Top Titel).

Aber leider habe ich schon viele gelesen, die sagen "so, ich war neugierig, was dieses SM ist, und jetzt weiß ich, dass das nicht taugt und ich nie wieder was lesen werde, ist ja abartig" ... herzlichen Dank an alle dank diesem Buch neu entstandenen Vorurteile!

Einträge ges.: 3902
ø pro Tag: 0,5
Kommentare: 2811
ø pro Eintrag: 0,7
Online seit dem: 21.04.2005
in Tagen: 7167
RSS 2.0 RDF 1.0 Atom 0.3