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Ausgewählter Beitrag
George
Sie ist 10 Jahre alt. Sie liebt ihre Mädchenzeitschriften, trifft sich ständig mit ihrer besten Freundin Kelly, und ihr Bruder Scott ist ein wilder aber freundlicher Kerl. Von Rick und Jeff wird sie an der Schule immer wieder gehänselt. Und bei der Theateraufführung würde sie gerne die Rolle der Charlotte spielen. Doch obwohl sie beim Vorsprechen eine tolle Leistung bietet, fragt die Lehrerin, ob das ein schlechter Scherz sein soll - denn eigentlich ist George ein Junge. Und Jungen dürfen keinesfalls die weibliche Hauptrolle spielen!
GEORGE aus der Feder von Alex Gino ist meines Wissens das erste Roman für Kinder, der sich mit dem Thema Transidentität befasst. Das war schon lange überfällig, und daher stürzt sich die Presse nun natürlich auf dieses Buch. Das Werk erhielt 2016 den Stonewall Book Awart in der Sparte Kinderbücher sowie den Lambda Literary Award in der Sparte LGBT Kinder/Jugend. Ich war gespannt, ob das Buch diesen Lorbeeren gerecht wird. Und ich kann erfreut sagen, dass ich begeistert bin und das Buch all die Aufmerksamkeit mehr als nur verdient hat.
GEORGE ist aus auktorialer Sicht geschrieben, Alex Gino hat damit einen tollen Dreh vollführt: es werden völlig selbstverständlich ausschließlich weibliche Pronomen für George verwendet. Umso irritierender ist es, wenn die Umwelt sie immer wieder als Jungen behandelt. Auf diese Weise wird man beim Lesen immer wieder an diesen Zwiespalt erinnert, so wie auch George dies ständig in ihrem Alltag erlebt, und das unangenehme Gefühl des Misgenderns zieht sich sprachlich auf diese Weise durch das komplette Werk.
Der Erzählstil selbst ist unaufgeregt und eher sachlich. In manchen Rezensionen taucht die Frage auf, ob dies Kinder nicht überfordert, aber ich denke, man sollte die Kids nicht unterschätzen. Außerdem sollte es außer Frage stehen, dass Eltern bei diesen Büchern zur Seite stehen oder der Lehrer bei einer Schullektüre darauf eingeht. Mir gefällt es, wie Gino die junge Leserschaft ernst nimmt und nicht in kinderbuchtypische Vereinfachungen abrutscht. Die entsprechenden Themen (Hormontherapie, Rechte von Transidenten usw) werden also nur kurz angerissen aber nicht über Gebühr strapaziert, sodass es verständlich bleibt, selbst falls einmal ein Wort nicht verstanden wird.
Mir gefällt, wie das Buch die Ängste, Probleme und Sorgen nicht wörtlich benennt sondern in die Handlung einbindet. Sie werden nicht erklärt sondern vom einfühlsamen Leser direkt erlebt. Die falschen Pronomen durch andere, das unangenehme Gefühl beim Duschen, das heimliche Lesen der Mädchenzeitschriften, das Verwenden von Lippenbalsam "nur zur Pflege", das Vermeiden von Trinken um nicht auf Toilette zu müssen und andere Dinge werden in Nebensätzen erwähnt und zeigen unaufdringlich, womit George im Alltag kämpft und warum sie unter ihrer Situation leidet. Dadurch wird das Buch auf eine ganz eigene Weise emotional. Und zwar dann, wenn es beim Lesen gelingt, sich in Georges Situation hineinzuversetzen (was durch den schlichten Stil sehr gut möglich ist). Betroffene können sich in sehr vielen Szenen wiederfinden, Außenstehende bekommen einen ungewöhnlich authentischen Einblick, wie es sich anfühlen könnte.
Manche Szenen gingen mir beim Lesen sehr nahe. Auf Seite 56 spürt die Mutter, dass etwas nicht stimmt. Sie sagt: "George, egal, was es ist, du kannst es mir sagen. Was immer in Deinem Leben geschieht, Du kannst Dich mir immer anvertrauen und ich werde Dich immer lieben. Du wirst immer mein kleiner Junge sein, das wird sich nie ändern. Auch wenn Du erwachsen und ein alter Mann bist, werde ich Dich immer noch als meinen Sohn lieben". Autsch, sosehr die Mutter es in diesem Moment gut meinte - das ist extrem schmerzhaft, und auch ohne dass Alex Gino diese Szene breittritt, wird klar, warum George sich in diesem Moment nicht als Mädchen outen konnte und welcher Kampf in ihr tobt. Diese gleichzeitige Präsenz von Liebe und Ablehnung in einem Satz, das wurde perfekt auf den Punkt getroffen!
Immer wieder gibt es Momente, in denen es eigentlich allen ins Gesicht springen müsste, was George bewegt, und man möchte die Mitmenschen schütteln, warum sie es nicht begreifen. Erst recht, wenn negative Reaktionen George abwerten und wieder zum Außenseiter machen. Der Satz "soll das ein schlechter Scherz sein? Wenn ja, war er nicht lustig" (S. 79) bohrt sich tief ins Herz. Die innersten Gefühle -für andere nur ein schlechter Scherz. Da muss Gino gar nicht groß über Emotionen faseln, die stellen sich beim Lesen ganz automatisch ein.
Die Mutter, die Klassenkameraden, die Lehrerin, sie sind Hürden auf Georges Weg zum äußerlichen Mädchen. Aber es ist dennoch ein Kinderbuch, und als solches macht es Mut: Kelly ist eine großartige Freundin, ihr Vater ist ziemlich lässig, und der Bruder in seiner Art ist ein toller witziger Kumpel. Man weint und lacht mit der Protagonistin, leidet bei all den großen und kleinen Verletzungen aber kann am Ende befreit mit den beiden Mädchen lachen und sich auf die Zukunft freuen. Das Umfeld begreift langsam, dass George es ernst meint, und ihr öffnen sich neue Türen.
Sehr schön finde ich auch, dass Sexualität hier ausgeklammert wird (logisch, Kinderbuch), denn durch das Wort "transsexuell" implizieren viele Menschen, dass es sich um etwas Sexuelles handelt. Dadurch wird Kindern häufig abgesprochen, ein Geschlechtsempfinden in sich zu tragen, a la "das zeigt sich erst in der Pubertät" oder "ist nur ´ne Phase". GEORGE zeigt sehr eindringlich, dass auch Kinder bereits sehr genau wissen können, wenn das Geburtsgeschlecht nicht mit dem Empfinden übereinstimmt. Dass auch Kinder ein Recht darauf haben sollen, ihre Identität ohne Ausgrenzung und Diskriminierung frei zu leben. Denn schon in sehr frühen Jahren spüren Kinder, wenn sie der ihnen angedachten Rolle nicht gerecht werden können, weil sie anders sind.
Es ist toll, dass mit George ein so wichtiges Buch auf den Markt gekommen ist. Ich wünsche mir, dass Lehrer, Eltern, Klassenkameraden durch dieses Buch sensibilisiert werden. Und dass Betroffene Mut fassen: "Sei, wer Du bist!"
SaschaSalamander 28.10.2016, 09.08
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