SaschaSalamander

Ausgewählter Beitrag

Geboren als Frau - Glücklich als Mann

GEBOREN ALS FRAU - GLÜCKLICH ALS MANN - LOGBUCH EINER METARMORPHOSE, so lautet der komplette Titel des Buches von Niklaus Flütsch. Niklaus wurde 1964 in Zürich geboren, arbeitete als Gynäkologe und praktiziert inzwischen in einer eigenen Praxis in der Schweiz. Wie der Titel schon aussagt, wurde er allerdings nicht als Niklaus geboren, sondern als Frau. In seinem Werk schildert er den Lesern seinen Weg als Transmann.


Sein Werk ist neben dem von Buschbaum das erste seiner Art, dem ich begegnete. Ich finde Transidentität ein sehr spannendes Thema, doch es gibt kaum Betroffene, die damit an die Öffentlichkeit gehen, und wenn sind es fast ausschließlich Transfrauen (diese sind geb als Mann, glücklich als Frau). Dabei ist es wichtig, die Tabus zu brechen, Ängste sowie Vorurteile abzubauen und Brücken zu schlagen zwischen den Betroffenen und Außenstehenden. 

GLÜCKLICH ALS MANN ist ein Buch, welches diese Aspekte sehr gut vermittelt. Dabei ist es in einer Machart sehr persönlich und individuell. Ich möchte versuchen, Niklaus´ Stil hier widerzugeben:

Sein Werk ist keine chronologische Biographie. Auch ist es kein Sachbuch, welches unterschiedliche Aspekte des Themas vermittelt. Es ist vielmehr eine Art Tagebuch, doch auch Patientinnen, Angehörige, der Lebensgefährte, Kollegen kommen zu Wort. Die Texte sind nicht in ihrer linearen Reihenfolge veröffentlicht worden sondern springen zwischen den Zeiten und verschiedene Etappen seines Weges. Dieses vermeintliche Durcheinander fügt sich jedoch zu einem stimmigen und glaubwürdigen Bild. Wie Puzzlestücke passen die Texte zueinander und lassen den Leser einen schrittweise immer innigeren Kontakt zu Niklaus aufbauen, der sich hier offen zeigt.

Viele Gedanken bewegen ihn während seines Prozesses: wie lange wird er das Doppelleben beruflich (als Frau) und privat (als Mann) durchstehen? Hat ein Mensch das Recht, seinen gesunden Körper zu "verstümmeln" und zu verändern? Ist er, der zuvor in der Frauenrechtsbewegung unterwegs war, nicht eine Art "Verräter" an der Weiblichkeit? Wie soll er umgehen mit den neuen Eindrücken hinsichtlich seiner männlichen Sexualität?

Auch sein Frust wird spürbar: er muss als ausgebildeter Arzt mit Zugang zu allen Medikamenten nun selbst vor einem Therapeuten sitzen und warten, bis er das erforderliche Testosteron erhält. Eindrücklich erfährt der Leser von seiner Sorge, wie es im Berufsleben weitergehen wird - soll er die Praxis kündigen, einen neuen Weg einschlagen, oder nur pausieren? Auf welche Weise kann er sich von Nachbarn und Patientinnen "verabschieden", wenn er nicht geht, sich doch nur verändert? 

Persönliche, intime Momente teilt der Autor ebenfalls mit uns, etwa die erste Begegnung mit seinem Lebensgefährten. Auch das einschneidende Erlebnis, wie er als kleines Kind mit der Tatsache konfrontiert wurde, dass sein Körper nicht der eines Jungen ist. Von den Gründen, die ihn immer wieder hinderten, zu seiner Transidentität zu stehen und sie auszuleben (Transidentität gilt absurderweise noch immer als psychische Krankheit, aber er war doch nicht krank!). Seine Trauer als vermeintliche Frau, die sich innig nach den Wechseljahren sehnt und das Weibliche an sich ablehnte. 

Der Tonfall des Buches ist kritisch und direkt, aber niemals anklagend. Niklaus benennt soziale, soziologische, ethische und medizinische Bedenken, die ihn während seines Prozesses begleiten. Die Zweifel und Ängste werden eindrücklich geschildert, doch sie bestimmen nicht den Grundton. Im Gegenteil vermittelt das Buch Hoffnung und macht Mut, Betroffenen ebenso wie Angehörigen und Interessierten. 

Es zeigt, dass Transidente so normal und alltäglich sind wie Du und Ich, wie jeder von uns. Dass sie bewegt werden von den gleichen Wünschen, Zielen und Sorgen. Das Buch hilft, den Horizont zu erweitern: gibt es wirklich nur zwei Geschlechter? Was ist mit den Menschen dazwischen oder auf der anderen Seite? Ist es nicht an der Zeit, die bisherige binäre Einteilung zu überdenken und offener zu werden?

Ich möchte GEBOREN ALS FRAU - GLÜCKLICH ALS MANN allen meinen Lesern empfehlen, die offen sind für neue Erfahrungen und Konzepte. Von Menschen wie Niklaus Flütsch kann man nur lernen!

>Hier< eine Rede von Niklaus Flütsch, Englisch mit sympathischem Schweizer Akzent. >Hier< ein Podcast des Bayerischen Rundfunk in der Sendung "Mensch Otto". 

SaschaSalamander 01.01.2015, 09.41

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