SaschaSalamander

Ausgewählter Beitrag

Evil

Puuuuuh, was soll ich zu DIESEM Buch schreiben? Ein Roman, bei dem ich wieder einmal zugegriffen habe, ohne Autor oder Titel zu kennen. Ich bin rasend schnell in dem anfangs gemütlichen Plauderton versunken, bis ich dann knallhart in dem brutalen "Spiel" landete und ständig schwankte zwischen "das tu ich mir nicht an" und "es ist doch nur ein Roman, ich will wenigstens wissen, wie es ausgeht".

Nun, "nur ein Roman" stimmt zumindest so nicht. Denn 1965 spielte es sich in ähnlicher Form in Amerika ab und ist weltweit bekannt als der >"Mordfall Syvia Likens"<. Erst bei Recherchen zu diesem Buch stieß ich auf diese grausige Begebenheit, und nach der Lektüre des Buches ist klar, dass der Autor sich auch an diesem Fall orientierte.

Vor dem Lesen findet sich ein Vorwort von Stephen King. Äußerst interessant, allerdings ein riesiger Spoiler, der am Ende vermutlich besser aufgehoben wäre. Andererseits, mir selbst fiel das Lesen leichter mit dem Wissen um das, was King erwähnt hatte, denn völlig ahnungslos in das Buch hineinzurutschen wäre heftig gewesen. Anfangs dachte ich ja wirklich, King übertreibt, wenn er vom unvorstellbaren Grauen etc spricht, andere ähnlich gepriesene Bücher sind dann doch nur "normaler" Horror und wurden höher gelobt als eigentlich notwendig. Dieses hier wurde nicht gelobt, eher beschrieben. Um den Leser vorzubereiten auf das, was ihn bei EVIL erwarten wird.

Ein Junge, der Protagonist, spielt am Bach. Es wird erzählt von seinen Freunden, dem Leben im Ort, den Nachbarn, den harmlosen Jungenstreichen. Flusskrebse am Bach, Sommerferien. Typisches Setting, wie man es von amerikanischem Horror kennt, möglichst harmlos und allgegenwärtig, bevor es sich dann wendet. Die Kinder spielen ein Spiel, in welchem eine Person sich verteidigen muss, in der Regel eingefangen wird und dann als "Kriegsgefangener" allen möglichen "Quälereien" und Neckereien ausgesetzt ist, vom Kitzeln über Schläge und auch Schmerzen, jedoch weitgehend im Rahmen kindlicher Neugier, die auch einmal sexuelle Grenzen übergreift, wenn Jungs und Mädchen neugierig aufeinander werden.

Und eines Tages am Bach begegnet der Junge einem Mädchen, das neu im Ort ist. sie und ihre kleine Schwester wohnen seit dem Tod der Eltern nun bei der Tante. Anfangs nur ungeliebte Gäste, artet dieser Unmut immer weiter aus. Die Tante ärgert sich über die zusätzliche Arbeit, das teure Essen, lässt ihren Ärger immer weiter an den Kindern aus. Bis die Situation eines Tages eskaliert und sie sich das Spiel der Kinder zum Vorbild nimmt, um die Mädchen immer weiter zu quälen.

Ich möchte hier nicht ins Detail gehen. Weniger um die Spannung aufrecht zu erhalten, denn die wird auf jeden Fall vorhanden sein. Sondern vielmehr, weil ich es kaum in Worte zu fassen vermag. Das Buch ist abstoßend, widerlich, eklig, grauenhaft, unerträglich, und ich kann jeden verstehen, der es abgebrochen hat. Auch ich habe viele Szenen übersprungen oder lediglich quergelesen, weil ich es kaum aushalten konnte. Es schüttelte mich, und ich wollte mir das Ganze gar nicht bildlich vorstellen.

Das Faszinierende jedoch: wer jetzt denkt, dass der Autor blutrünstig schreiben würde oder den Horror en detail zelebrieren würde, der irrt. Und das war auch der Grund, dass ich das Buch dennoch beenden konnte. Ketchum deutet oft nur an, etwa indem er Spuren beschreibt statt die Vorgänge zu deren Entstehung. Er lässt den Protagonisten und somit auch Leser erst dann dazustoßen, wenn die anderen ihr widerwärtiges Tun bereits abgeschlossen haben. Und ähnliche Kniffe mehr, sodass die wirklich grausigen Anteile nicht ausgeführt werden. Dennoch ist das, was man liest, schlimm genug.

Doch, ich bin viel gewohnt. Aus den unterschiedlichsten Genres. Und ich kann sagen, dass ich eine Menge wegstecken kann. Aber bei diesem Buch stieß ich tatsächlich an meine Grenzen.

Ich möchte bei diesem Buch nicht von "gut" oder "schlecht" reden, kann es schwer in diesen sonst üblichen Kategorien bewerten. Auch kann man nicht reden von "gefiel" oder "gefiel nicht". Sondern es ist ein schockierendes Buch, das eigentlich nicht in die Rubrik Horror gehört (was ja in der Regel übersinnlich ist oder stark unrealistisch und überdramatisiert). Vielmehr wäre es wohl "Schicksal" oder "Drama", doch dazu ist es eben "nur" die fiktionale Beschreibung, wie es gewesen sein könnte statt einer realen Berichterstattung über das, was damals war.

Am Ende folgt nun eigentlich die Zusammenfassung oder eine Empfehlung, aber das kann ich diesmal nicht. Was sollte ich schreiben? Nein, ich weiß es nicht. Ich empfehle es nicht, denn es ist schrecklich, und auch ohne Lektüre des Buches erahnt man die Qualen eines misshandelten Kindes. Und ich rate auch nicht davon ab, denn es ist für sich betrachtet ein kleines Meisterwerk, da es im Gegensatz zu den meisten "normalen" Horrorromanen wirklich tief berührt und bewegt. Ich schreibe nicht über EVIL, um es zu empfehlen, sondern nur, um es Euch vorzustellen.

Und besonders freue ich mich über Kommentare von denen, welche das Buch bereits gelesen haben. Wie fandet Ihr es? Wie ging es Euch währenddessen und danach?

SaschaSalamander 04.02.2011, 10.12

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von SusiKnitchicks

Also ich fand es sehr hart... ich habs als HB gehabt und für Audible rezensiert...
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Ich musste manchmal an mich halten, weil ich solch eine Brutalität halt in einem Buch nicht gewohnt bin. Wenn ich einen Film sehe, ist das was anderes. Da kann ich wegschalten.

Das ging aber hier nicht, weil grosses Kopfkino. Mir war schlecht, ich fühlte mich komisch und war froh als es vorbei war. Die Brutalität ist echt grausam - aber ehrlich. Trotzdem ist es gut, dass es auch solche Bücher gibt.

LG Susi

vom 07.02.2011, 21.29
Antwort von SaschaSalamander:

*nick* in einem Film kann ich das wegschalten, die Bilder sind von außen auf meinen Kopf draufgesetzt. Aber wenn ich lese, dann sind die Bilder in mir drin! *grusel*

ich glaube, wer dieses Buch liest, muss einfach in unangenehmes Gefühl beim Lesen haben, sonst ist er wirklich abgestumpft ...

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