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Eiskaltes Herz
Der neue Jugendroman von Ulrike Rylance hat mich wieder absolut überzeugt. Inzwischen kann ich gar nicht mehr alles verlinken, was ich von ihr bereits rezensiert habe, vom Hörspiel zum Hörbuch zum Jugendkrimi zum Kinderbuch zur Belletristik für Erwachsene. Und in allen Genres bewegt sie sich zuverlässig und sicher, das finde ich beeindruckend, denn Flexibilität weiß ich gerade bei Autoren zu schätzen. Ein Titel, den ich aber trotzdem erwähnen möchte, ist >TODESBLÜTEN<, weil auch dies ein Jugendkrimi mit ernstem Hintergrund ist. Wem dieser Roman gefiel, der wird auch an EISKALTES HERZ seine Freude haben ;-)
Lena ist glücklich in ihrer Beziehung mit Leander. Bis plötzlich Vanessa auf der Bildfläche auftaucht, alles zerstört und ihn ihr wegnimmt. In ihrer Enttäuschung und Wut hetzt Lena gegen Vanessa, sie beschimpft sie in der Öffentlichkeit. Als Vanessa etwas Tragisches zustößt, fällt der Verdacht natürlich sofort auf Lena, doch die kann sich nicht mehr an die Geschehnisse des Abends erinnern ...
Die Charaktere sind vom ersten Moment an griffig umgesetzt. Lena und ihre Freundinnen, Vanessa, Leander und seine kleine Schwester sowie einige weiteren Figuren waren sofort in meinem Kopf abgespeichert, haben alle ihre ganz eigene Persönlichkeit und lassen sich gut voneinander unterscheiden (ein Problem, das ich bei anderen Büchern häufig habe). Ich fühlte mich schon nach wenigen Seiten an meine eigene Schulzeit erinnert (und die ist schon etwas länger her *hüstel20Jahre*). Da ich trotzdem viel mit Jugendlichen zu tun habe, kann ich aber trotzdem mitreden, wenn ich sage, dass der Tonfall und die Verhaltensweisen der Figuren sehr gut dargestellt wurden. Man lebt, liebt, leidet mit Lena und den anderen.
Sprachlich liest sich das Buch sehr angenehm. Wie gesagt, Jugendsprache wurde sehr gut eingefangen. Und auch der erzählende Teil neben den Dialogen lässt sich flüssig in einem Rutsch lesen, ohne über Formulierungen oder Satzbau zu stolpern. Trotzdem erfüllt es in jeder Hinsicht die Ansprüche junger Leser, die ernstgenommen werden wollen, die man nicht unterfordern darf und die sehr sensibel darauf reagieren, wenn ein Autor sich mit vermeintlich "hippen" Formulierungen anbiedern möchte, ohne eigentlich eine Ahnung von der Lebenswelt seiner Zielgruppe zu haben.
Obwohl das eigentliche Kerngeschehen, der Todesfall / Mord (?) (bereits auf dem Klappentext angekündigt) erst in der Mitte des Buches eintritt, ist das Buch dennoch ab der ersten Seite ein Pageturner. Dies wird vor allem dadurch ermöglicht, dass Rylance die Geschichte parallel ablaufen lässt: April und Mai schildern die Zeit kurz vor dem Tod sowie die Ereignisse kurz danach. Das Buch beginnt jedoch bereits im Juni, und sofort wird klar, dass Lena entführt wurde. Dadurch besteht von Beginn an die bange Frage: Wer hat das Mädchen entführt, und warum? Was hat sie, was weiß sie, wie kam es dazu und wie wird es enden? Sobald einzelne Fragen beantwortet werden, wirft das Geschehen neue auf, und bis zur letzten Seite bleibt es spannend.
Schön auch, wie lässig die Autorin mit den neuen Medien umgeht. Die Art und Weise, wie Lena und ihre Freunde Facebook, Handies und Co nutzen, wurde gut beschrieben, wie nebenbei fließt all dies in die Geschichte ein. Auch wird - wieder ohne Zeigefinger - deutlich, welche Macht diese Medien ausüben, wieviel Eigendynamik ihnen innewohnt und wie leicht man zum Opfer oder Helden werden kann, unverschuldet und ohne Zutun.
Die Geschichte ist in ihrem Aufbau und ihrer Aussage schlüssig. Ob vorhersehbar oder nicht, das hängt wohl ab von der (Lese- / Lebens-) Erfahrung des jeweiligen Lesers, aber gerade für jüngere Leser dürfte es wohl einige Überraschungen geben. Als Erwachsener wurde ich zwar nicht überrascht, fand die Wendungen jedoch sehr gut umgesetzt, und die Details haben dann dennoch einige erschrockene Atempausen hervorgerufen.
Insgesamt ist EISKALTES HERZ ist ein Buch, wie ich es damals gerne gelesen hätte in meiner Jugend: spannend, unterhaltsam, es regt zum Nachdenken an, behandelt ein ernstes Thema und wackelt doch niemals mit dem moralischen Zeigefinger. Es bietet sehr viel Gesprächsstoff und eignet sich aufgrund seiner Thematik und Umsetzung auch sehr gut als Schullektüre.
SaschaSalamander 29.07.2013, 08.59
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