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Ausgewählter Beitrag
Cryptos
Klappentext: Jana ist Weltendesignerin. An ihrer Designstation entstehen alternative Realitäten, die sich so echt anfühlen wie das reale Leben: Fantasyländer, Urzeitkontinente, längst zerstörte Städte. Aber dann passiert ausgerechnet in Kerrybrook, der friedlichsten Welt von allen, ein spektakuläres Verbrechen. Und Jana ist gezwungen zu handeln …
AUTORIN, BISHERIGE WERKE
Ursula Poznanski gehört zu meinen absoluten Lieblingsautor:innen, ich bestelle mir ihre Titel sofort zum Erscheinungsdatum bei meiner Buchdealerin vor Ort. Die meisten Titel ihrer stelle ich hier natürlich auch vor. Und klar, es gibt bei so vielen Büchern von ihr einzelne Werke, die mir besser oder weniger gut gefallen. Zum einen, weil die Ideen der Autorin nicht zwangsläufig meinen persönlichen Vorlieben entsprechen, zum anderen ist auch Poznanski keine perfekte Schreibmaschine sondern nur ein Mensch.
Ich habe schon viel von ihr hier vorgestellt und möchte mich nicht ständig wiederholen. Deswegen verweise ich auf meine Sammlung an Rezensionen: >HIER< meine gesammelten Gedanken zu ihr und ihren Büchern ;-)
SETTING
Die Grundidee gefällt mir schon mal gut, ich mag dystopische Settings, in denen die Menschen zwar mit unglaublich viel Technik gesegnet sind, gleichzeitig aber ihre Umwelt zerstört haben und nun irgendwie mit dieser Kombi versuchen müssen zu überleben. Poznanski hat mit CRYPTOS einen interessanten Blick in die Zukunft gewagt. Ihre Ideen sind nicht aus der Luft gegriffen und in naher Zukunft realistisch, eine Weiterführung unserer gegenwärtigen technischen Entwicklung. Wie immer merkt man ihr an, dass sie sich mit dem jeweiligen Thema ihres Buches hervorragend auseinandergesetzt hat. Das ist es, was ich an ihren Werken außerordentlich schätze.
SCHREIBSTIL
Nichts zu bemängeln. Wie immer schreibt sie einfach, flüssig und packend. In Sachen Schreibstil sind ihre Bücher alle Pageturner, und auch CRYPTOS lässt sich angenehm lesen.
CHARAKTERE / WELTEN
Ich fasse hier Welten und Charaktere in diesem Buch zusammen. Ungewöhnlich aber sinnvoll, weil beide für mich der große Schwachpunkt des Buches sind und unter dem gleichen Problem leiden: die Autorin lässt in einem großen Anfall von Infodumping unzählige Namen fallen. Jede Welt, jeder Charakter bekommt einen eigenen Namen, egal wie unnötig und unwichtig es für den Verlauf der Handlung tatsächlich sein mag. Kurzer Sprung in die Welt, und schon bekommt der Angler am Strand, die Gruppe am Lagerfeuer, der Wirt hinterm Tresen sofort einen Namen verpasst. Jede Welt, die irgendein Kollege entworfen hat und in einem Nebensatz erwähnt wird, wird namentlich benannt.
Vermutlich soll das Authentizität bei den Welten schaffen und eine Verbundenheit zu den Charakteren (wenn jemand stirbt, der einen Namen hat, wirkt es vermeintlich persönlicher). Aber bei mir bewirkte es das Gegenteil: es waren so viele Namen, dass ich irgendwann keine Lust mehr hatte, weiterzulesen. Ein Dramatis Personae zu erstellen wurde zu einer Mammutaufgabe, die ich schnell aufgegeben hab. Es hat mich nach einem Drittel des Buches auch überhaupt nicht mehr interessiert, wer diese Personen waren, ob sie schon einmal genannt wurden oder neu dazukamen. Es waren einfach zuviele, sie wurden mir alle völlig egal, so wie NPC´s in einem Open World Computerspiel, wo ich mir auch nicht jeden Namen eines Händlers an der Straßenecke XY merken will.
In einem Buch gilt für mich der Grundsatz, dass ein Autor mit dem, was er schreibt, einen Plan verfolgt. Wenn eine Person einen Namen bekommt, dann ist sie (üblicherweise) relevant für die Handlung. Und das ist hier nicht der Fall. Der Leser wird erschlagen mit Banalitäten und Nebensächlichkeiten, verliert irgendwann den Überblick darüber, was relevant für die Handlung ist und was nur der Staffage dienen soll.
Vor lauter Namedropping und Erzählen vernachlässigt die Autorin in diesem Buch leider sehr das Zeigen. Zuviel Tell, fast kein Show, dadurch wirkte alles auf mich sehr unpersönlich und belanglos.
SPANNUNGSBOGEN
Dadurch leidet für mich auch der Spannungsbogen des Buches: im ersten Teil werden so viele Namen von Janas Kolleg:innen und Vorgesetzen genannt (nicht als Charakter vorgestellt, sodass ich eine Bindung hätte aufbauen können, sondern einfach Namedropping), dass ich nur schwer den Überblick behielt. Dadurch konnte ich auch keinen Bezug zu ihnen aufbauen und war am Ende auch ziemlich desinteressiert, wenn diese oder jene Figur wieder auftauchte und eventuell für eine Wendung in der Handlung sorgte, denn mir war diese Figur einfach egal.
Dann beginnt Jana durch die Welten zu springen. Und auch hier: von einer Welt in die andere, unzählige Namen von Personen und Welten. Zwar schreitet die Handlung voran, aber sie wird verschluckt von einer Vielzahl an aufgeblähten Informationen. Ich habe ab der Hälfte nur noch überflogen, um endlich zum Ende zu gelangen.
Und das Ende dann wird sehr hektisch durchlebt, es werden immer mehr Personen (vergleichbar einem Schneeballsystem, das immer weiter wächst). Ich verstehe die Vielzahl an Charakteren, die in diesem Buch nötig sind. Dass sie aber alle einen Namen bekommen, macht es anstrengend und ist tatsächlich auch völlig unnötig, da für die eigentliche Handlung nur eine kleine Gruppe von Kernprotagonisten erforderlich ist.
PERSÖNLICHE MEINUNG ZUM GESAMTBILD
Unter ihren Jugendromanen leider, so ungern ich das sage, für mich das bisher schwächste Buch. Wäre es nicht von Poznanski, ich hätte es einfach abgebrochen und die Autorin für mich abgehakt. Für mich passt es so gar nicht zu ihrem sonst so gelungenen Werk, in dem sie Leser und Protagonisten einander näherbringt.
Das Buch bleibt für mich dort flach, wo ich mir Tiefe wünsche, dafür wird Unnötiges breitgetreten:
Das Setting ist hervorragend, der Schreibstil ist wie immer 1a. Ich bin sicher, sie hat sich viel erarbeitet, das alles noch in das Buch hätte einfließen können und nicht genannt wurde, das merkt man der Handlung an. Das Buch quillt über vor großartigen Ideen, hier merkt man eindeutig Poznanskis unverwechselbare Handschrift - aber ich bin wirklich enttäuscht über die vielen ungenutzten Möglichkeiten. Es sind einfach zu viele Welten, zu viele Namen, zu viele Sprünge / Wechsel, zu wenig Background. Die auf jeder Seite zigfach fallengelassen Informationen sind einfach zuviel, als dass ich wirklich entspannt hätte abtauchen können in diese an sich äußerst faszinierende Welt.
Ich denke, man hätte problemlos das Buch um die Hälfte kürzen können und hätte noch immer die gleiche Geschichte erzählt. Aber das wären viele verschwendete Ideen gewesen, deswegen:
Man hätte das Buch in dieser Länge lassen und die Hälfte der Charaktere und Welten streichen können, um den freien Platz dann zu nutzen für ein intensiveres Worldbuilding und einige wenige Charaktere mit mehr Tiefe. Oder man hätte das Buch als Dilogie oder noch besser Trilogie veröffentlichen können, mit allen genannten Welten, allen Charakteren, dafür aber einer größeren Bühne, die diesem an sich gelungenen Inhalt gerecht wird.
Letzteres wäre mein Favorit: so, wie sie >ELERIA< als Trilogie veröffentlicht hat, so hätte ich mir CRYPTOS ebenfalls gewünscht.
FAZIT
Eine großartige Idee, ein spannender Schreibstil, eine großartige Autorin. Aber leider eine unausgewogene Gewichtung von Informationen und tiefergehender Beschreibung. Für eingefleischte Fans natürlich ein Must-Read trotz allem, aber für Wenigleser empfehle ich andere Werke der Autorin.
SaschaSalamander 11.06.2021, 07.48
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