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Ausgewählter Beitrag
Blackbird
KLAPPENTEXT: Ein Mädchen erwacht auf den Gleisen einer U-Bahn-Station in Los Angeles. Sie weiß nicht, wer sie ist, wo sie ist, wie sie dort hinkommt. Sie hat ein Tattoo auf der Innenseite ihres rechten Handgelenks, das einen kleinen Vogel in einem Viereck zeigt. Sie erinnert sich an nichts. Nur bei einer Sache ist sie sich sicher: Jemand will sie töten. Also rennt sie um ihr Leben, versucht die Wahrheit herauszufinden. Über sich und über die Leute, die sie töten wollen. Nirgendwo ist sie sicher und niemand ist, was er zu sein scheint. Auch Ben, der Einzige, dem sie glaubte, vertrauen zu können, verbirgt etwas vor ihr. Und die Wahrheit ist noch viel verstörender, als sie es jemals für möglich gehalten hat.
Die Idee klingt toll. Das Thema ist nicht neu. Ähnliche Titel kennt man mit TRIBUTE VON PANEM, THE MAZE, BATTLE ROYALE. Das Anfangsszenario hat man identisch in BOY 7. Und auch, wenn mir die Titel nicht einfallen, habe ich noch einige weitere ähnliche Bücher im Hinterkopf. Aber es ist eben ein spannendes Setting, aus dem man viel machen kann. Könnte.
Dieses Buch hat mich leider überhaupt nicht gepackt. Aus verschiedenen Gründen. Hier ohne große Sortierung ein paar gesammelte Gedanken, die ich während des Lesens und danach hatte:
Die Du-Perspektive ist ungewohnt und manchmal holprig, aber ich komme normalerweise damit klar. Bei Zoran Drvenkar zB schrieb das Buch >DU< mit wechselnden Perspektiven, die jedoch immer mit "Du" angesprochen werden. Bei ihm fand ich es experimentell, ungewöhnlich, anfangs schwierig aber später okay. Bei diesem Titel hier aber war es eher unnötig, verkomplizierte das Lesen und hatte für mich keinen wirklich nachvollziehbaren Grund.
Statt mich besser mit der Protagonistin zu identifizieren, entfernte es mich von ihr. Der holprige Stil ließ mich stolpern. Und in das junge Mädchen konnte ich mich zu keinem Zeitpunkt hineinversetzen, mitgefiebert habe ich somit auch nicht.
Auch zu den anderen Charakteren konnte ich keinerlei Bindung aufbauen. Durch das "Du" wirken sie alle recht blass und schwach gezeichnet, nur eine oberflächliche Draufsicht ohne tiefergehende Momente. Und da die Protagonistin nicht weiß, wer sie ist, hat auch sie keine Ecken, Kanten, Besonderheiten, durch die sie zu einer eigenen Persönlichkeit werden könnte. Es hätte viele Möglichkeiten gegeben, die Figuren besser zu zeichnen, doch es wurde nicht genutzt. Fokus liegt in diesem Buch lediglich auf dem Voranschreiten der Handlung hin zu einer Auflösung, die dem Leser bereits bekannt ist.
Die Geschichte braucht also auch sehr lange, bis sie in die Gänge kommt. Oder, besser gesagt: bis sie mich wirklich packte. Es passiert sehr viel, ständig erfährt die Protagonistin Neues, entdeckt Hinweise, trifft auf Personen, wird gejagt, flieht. Aber für mich plätscherte es nur dahin, Gefahr und tödliche Jagd hin oder her. Denn der Klappentext verrät bereits zuviel über den Inhalt, sodass ich ständig auf einen Twist oder etwas Neues wartete, doch das kam nie. Im Gegenteil: erst auf den allerletzten Seiten erfährt die Protagonistin, was der Leser von Anfang an wusste. Für mich als Leser also ein "und was hat mir das Lesen jetzt eigentlich gebracht?"
Das Buch ist eher dünn, es ist der erste von drei Teilen. Die Schrift ist recht groß, die Ränder recht breit. Kurz gesagt: ein sehr dünnes Buch mit wenig Inhalt und lediglich der Einstieg in die dreiteilige Reihe. In solchen Momenten fühle ich mich als Leser nicht ernst- sondern ausgenommen, weil der Verlag auf diese Weise drei Bücher verkauft, wo man für das gleiche Geld problemlos EIN Buch hätte drucken können.
Immerhin: ich habe es nicht abgebrochen (da bin ich schnell dabei, denn meine Zeit ist kostbar). Nach dem ersten Drittel habe ich nur etwas schneller überflogen, das letzte Drittel nur noch sporadisch quergelesen. Denn ich wollte trotzdem wissen, wie es ausgeht, was die Protagonistin erfährt, ob es mögliche Wendungen gibt.
Die Idee des Buches, selbst wenn sie schon häufiger (und auch besser) umgesetzt wurde, war also sehr gut. Ein Thema, aus dem man sehr viel herausholen kann und das beim Lesen sehr viele eigene Gedanken freisetzt. Die Frage nach der eigenen Identität, die Flucht vor einem unbekannten Verfolger, auf sich alleine gestellt zu sein und keine Vertrauensperson zu haben, das ist natürlich hochemotional und weckt im Leser viele verborgenen Ängste und Fragen. Umso mehr fand ich es schade, dass diese Möglichkeiten also nicht genutzt wurden.
Mir fielen auch einige Tippfehler auf. Klar, kann vereinzelt bei den besten Büchern in den größten Verlagen vorkommen. Aber hier häufte es sich dann doch etwas. Ist nicht schlimm aber eben ein Puzzleteilchen von vielen, weswegen ich am Ende dann doch enttäuscht war.
Kurz gesagt: tolle Idee, sehr gutes Grundgerüst, eine sich rasch entwickelnde Handlung. Aber leider nur oberflächliche Charaktere, ein holpriger Schreibstil, ein Klappentext mit Spoiler, eine unsaubere Überarbeitung des Textes und sehr viel ungenutztes Potential :-(
SaschaSalamander 05.09.2020, 09.27
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