SaschaSalamander

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Tag: Deutsch

Zwienacht

weber_zwienacht_1.jpgAUTOR

>Raimon Weber< kenne ich vor allem durch seine Drehbücher zu den Hörspielen des >DARKSIDE PARK< und >PORTERVILLE<, GABRIEL BURNS und >MINDNAPPING<. Er hat jedoch auch einige Romane geschrieben. Neugierig, wie ich bin, muss ich die natürlich alle irgendwann lesen. Da ZWIENACHT mich vom Inhalt her am meisten ansprach, habe ich also mit diesem begonnen.


INHALT

Nach einem peinlichen und für ihn unerklärlichen Vorfall zieht Richard, Bestsellerautor, in eine neue Stadt, er taucht unter und beginnt ein neues Leben. Doch abgesehen von seiner Schreibblockade leidet er plötzlich an Wahnvorstellungen und Halluzinationen. Er sucht einen Psychiater auf und hofft sein Leben endlich wieder in geregelte Bahnen zu bringen. Dann ist da noch Maria, die freundliche Krankenschwester des mobilen Pflegedienstes und einige Nachbarn. Immer enger webt sich das Band, das sie verbindet und auf ein gemeinsames Ende zusteuern lässt. Doch was geht tatsächlich in diesem seltsamen Haus vor sich? Ist Richard krank, oder steckt mehr dahinter?


AUFBAU

Spannung baut sich hier auf drei Ebenen auf: im ersten Drittel strebt der Leser danach, mehr zu erfahren über die seltsamen Vorfälle, die zu Richards Umzug führten. Es passiert nicht wirklich etwas, der Autor führt gemütlich und mit Bedacht einzelne Figuren in den Roman ein, zeigt dem Leser - ganz typisch im Horrorgenre, absoluter Klassiker - eine alltägliche, scheinbar normale Welt mit einem etwas aus der Bahn geratenen Protagonisten. Kein Grund zur Sorge, alles in Ordnung, kleine Unregelmässigkeiten gibt es überall. Der Leser wiegt sich in Sicherheit, wäre da nicht die seltsame Vorgeschichte und die Frage, was es mit den einzelnen Charakteren auf sich hat ...

Dann im zweiten Drittel beginnt es langsam unheimlich zu werden. Lauter kleine Vorfälle, hier ein seltsames Geräusch, dort eine leicht verzerrte Wahrnehmung, dort eine komische Bemerkung, eine ungewöhnliche Beobachtung. Dinge liegen da und sind plötzlich weg, ein seltsamer Anruf. Dazu eine Szene, die recht eklig ist und vermutlich über bloße Einbildung hinausgeht. Aber wer zur Hölle tut so etwas? Die Fassade bröckelt, der Alltag bekommt - wie auch das Mauerwerk in Richards Wohnung - tiefe Risse. Der Leser bekommt eine Gänsehaut, schaltet abends kurz das Licht ein, bevor er ins Bad geht.

Und im letzten Drittel zieht Raimon Weber alle Register. Langsam kommt Licht in das Geschehen, die Charaktere finden zueinander, das Geschehen ist am Höhepunkt, der Leser rast nur so über die Seiten und kann das Buch nicht mehr beiseite legen. Man ekelt sich aber muss doch hinsehen, es ist grausig aber man will es nonstop lesen, und bitte nachts das Licht dauerhaft brennen lassen!


CHARAKTERE

Drei Protagonisten gibt es zu Beginn: Richard Gerling, der Hauptprotagonist. Billy, anfangs ein Fremder für den Leser. Und "den Reisenden", einen brutalen Serienmörder. Anfangs ist unklar, wie sie zusammen hängen. Billy und der Reisende bleiben lange im Dunkeln, über Richard erfährt man bald mehr. Was ihn antreibt, was ihn bewegt, das erfährt man recht schnell. Warum er jedoch so seltsam ist, das ist Teil der Kernfrage. Dadurch fällt es schwer, sich in eine der Figuren hineinzuversetzen, sie sind bewusst undeutlich gezeichnet. In ZWIENACHT ist man weniger ein Beteiligter als vielmehr ein Zuschauer in erster Reihe. So, wie die Charaktere sich untereinander beobachten, so beobachtet auch der Leser und muss schrittweise die Puzzleteile an die richtige Stelle setzen.

Eine Figur gibt es jedoch, die überdeutlich hervorsticht: Maria. Ich mochte sie vom ersten Moment, und sie wurde immer sympathischer, mit ihr habe ich mitgefiebert, gelitten, gezweifelt, gebangt. Sie ist der Lichtstrahl in dem ansonsten eher düsteren Setting.  


EIGENE MEINUNG

Hier bei ZWIENACHT saß an Ort und Stelle, das Buch ist rückblickend in sich absolut stimmig. Trotzdem hatte ich den Eindruck, dass eine der Figuren zwar die Spannung erhöhte und den obligatorischen Sex-Sells-Aspekt in den Thriller brachte, jedoch nicht wirklich etwas zur Handlung beitrug und somit für mich eher überflüssig war (aber das ist Geschmackssache. Ich kann mir vorstellen, dass andere Leser genau diese Figur besonders gelungen fanden). Und auch, wenn der Anfang der Atmosphäre dient und insgesamt sehr gut zum Aufbau passt, hatte ich die ersten 20 Prozent des Buches noch nicht wirklich das Gefühl "ich muss jetzt unbedingt sofort weiterlesen". Doch nachdem ich dann in die Handlung hineingefunden hatte, wurde es recht bald zum Pageturner.

Das Korrektorat - zugegeben, ich bin von der Psychothriller GmbH Besseres gewohnt, hier hat man ein paar Kleinigkeiten übersehen. Aber gut, es waren keine drastischen Fehler, man konnte flüssig darüber hinweglesen.

Trotz dieser beiden kleinen Anmerkungen - ich war absolut begeistert, nachdem ich das Buch abgeschlossen hatte. Was mir an Raimon Weber immer wieder gefällt: er versteht es, Spannung aufzubauen und mit Bildern zu arbeiten, die eher unterbewusst wirken. Viele kleine Symbole und Andeutungen, kurze Momente, Dialogfetzen, das passende Wetter, immer das richtige Wort. Horror im Oldschool - Style, wunderbar ruhig, subtil und unaufdringlich. Dann mal ein, zwei eklige oder derbe Momente, um den Leser so richtig wachzurütteln, aber sofort fährt er wieder herunter und deutet auf den Riss in der Fassade - als wolle er verschmitzt fragen "na, willst Du WIRKLICH wissen, was dahinter auf Dich lauert?" ...

Und was mir hier besonders gefällt: die Lösung ist schlüssig und klar, die Handlung sehr gut geplottet. Von Beginn an gibt es viele kleine Hinweise, und doch wusste ich bis zum letzten Moment nicht exakt, was nun hinter all den Vorfällen steckt. Es ist lange unklar, in welche Richtung sich ZWIENACHT entwickeln wird, ob es nun ein Mindfuck ist, ob übernatürliche Elemente im Spiel sind, ob jemand wahnsinnig wird, ob es blutig endet oder oder oder. Sehr, sehr oft wurde ich schon von anderen Autoren enttäuscht in diesem Genre. Hier jedoch wird alles sehr schön aufgelöst. So simpel und logisch, dass man sich fast schon fragt "wie, das war es jetzt"? Und DAS gefällt mir: so eine abgef*ckte, verdrehte Handlung und so eine simple Lösung. Genial! Darauf muss man als Autor erst einmal kommen.


FAZIT

Ein Roman, der mir außerordentlich gut gefallen hat, nachdem ich mich etwas eingelesen hatte. Raimon Weber versteht sein Handwerk und überzeugt die Leser mit eindringlichen Bildern und überzeugenden Plots.

Wertung: 7,5 von 10 blaue Schlieren

SaschaSalamander 12.06.2013, 09.16 | (0/0) Kommentare | PL

Um das Böse zu besiegen

spieker_boese_1.jpgKlappentext:
Es gibt gute Gründe dafür, sich mit dem Bösen auseinanderzusetzen. Das Böse ist nämlich immer. Und überall. Es muss nicht gleich die große Apokalypse sein. Die kleine reicht auch schon. Einmal ins falsche S-Bahn-Abteil zu den falschen Leuten gestiegen und man liegt kurz darauf am Boden, während es Tritte und Schläge hagelt. Sadistische Lehrer, brutale Mitschüler, mobbende Chefs, stalkende Kollegen, Ehrabschneider und Gerüchtestreuer - sie alle können unser Leben infernalisch machen. Darauf muss man sich gefasst machen. Spieker [...] nimmt Bezug auf aktuelle Tragödien, die die Welt erschüttert haben, aber auch auf alltägliche Gefahren im Leben jedes Einzelnen. Und er zeigt, wie man sich gegen das Böse wappnen kann, wenn man es erst erkannt hat. Am Ende, da ist er sich sicher, ist die Liebe stärker.

Der Autor wirft in seinem Buch viele Fragen auf. Diese kann er natürlich nicht beantworten, das maßt er sich nicht an und ist wohl auch nicht möglich. Dennoch bietet das Buch sehr viele interessante Diskussionen und Ansatzpunkte, sich ausführlichere Gedanken über das Thema zu machen.

Markus Spieker geht als überzeugter Christ an die Sache heran. Dem ist prinzipiell nichts entgegenzusetzen, da eigene Erfahrungen und Werte wohl bei jedem Sachbuch in ein Werk einfließen und gerade bei diesem Thema Relgion eine große Rolle spiel. Seine Definition darüber, was böse ist, lässt mich allerdings einige Male mit dem Kopf schütteln. Auch seine Ansicht über einige Themen lassen mich daran zweifeln, ob er wirklich unbefangen an das Thema "Das Böse" herangegangen ist oder nicht doch zu sehr die christlichen Erklärungen zu Rate zieht und zu unaufgeschlossen gegenüber anderen Ideen ist.

Natürlich ist es nicht in Ordnung, den Partner zu betrügen. Aber dass ein Bordellbesuch in der Aufzählung zusammen mit Amoklauf, Mord, Drogen und anderen Dingen, genannt wird, irritiert mich dann doch. Auch seine Einstellung gegenüber Homosexualität zeigt mir, dass er und ich wohl viel Diskussionsgrundlage hätten und niemals an einem Strang ziehen könnten.

Ein weiteres Problem: er benennt stets das Gute und das Böse. Dazwischen gibt es viele Facetten. Diese werden nur selten angesprochen, etwa der Fall der in Amerika zum Tode Verurteilten, die sich dann zum Christentum bekannte. Oder wenn er klar die Schwierigkeit benennt, ob Gewalt zur Abwehr weiterer Gewalt verwendet werden darf. Mir ist das abgesehen von diesen wenigen Ausnahmen trotzdem zu schwarz-weiß, zu eindimensional, zu plakativ. Seine Argumentation zeigt mir, dass er manche Dinge einseitig betrachtet. Und als er beschreibt, dass das Böse oder Gute nicht im Menschen liegt, aber gelernt werden kann, zieht er als Beispiel die Geschwister Scholl und ihre vorbildliche christliche Erziehung heran. Hallelujah, Amen.

Mag sein, dass er beruflich viel mit dem "Bösen" zu tun hat. Und seine Erfahrungen mögen genauso richtig sein wie meine. Aber es sind halt seine persönlichen, keine wissenschaftlich fundierten (Was allerdings seine Lösungsansätze betrifft - da habe ich oft zustimmend genickt. Ja, dem stimme ich in vielen Punkten zu. Und ich sehe da noch sehr viel Handlungsbedarf in unserem Rechtssystem)

Nein, von daher kann ich das Buch nicht empfehlen, weil es Dinge verbreitet, denen ich ganz und gar nicht zustimme. Man empfiehlt nur das, wovon man auch überzeugt ist. Auf der anderen Seite ist das Buch sehr gut geschrieben. Es ist gut gegliedert, die Kapitel sind didaktisch geschickt aufeinander aufgebaut, führen die Diskussion stetig voran, er stellt intelligente Fragen, setzt sich weitreichend und auf verschiedenen Ebenen damit auseinander und bringt zum Abschluss zwar keine Lösungen aber interessante Ansätze und Gedanken. Ich halte es für sehr wichtig, sich damit auseinanderzusetzen.

Auch, wenn ich ihm oftmals nicht zustimmen konnte, hat mich das Buch sehr bereichert. Seine Gedanken haben mir Anlass zum angeregten Nachdenken gegeben. Und um zu sagen "ich bin anderer Meinung" muss man sich erst einmal damit auseinandersetzen, muss eigene Argumente finden, begründen. Ich habe mit anderen Personen viel über einige der Inhalte diskutiert. Manche der Aussagen gingen mir noch später durch den Kopf und haben mich beschäftigt. Von daher - auch, wenn ich es nicht aus Überzeugung empfehlen kann, rate ich dennoch zur Lektüre ;-)

Wertung: ach jeh, wie bewertet man etwas, das gut gemacht ist aber so völlig einigen eigenen Überzeugungen (die ja nicht die einzig richtigen sein müssen) widerspricht? Was für ein Glück, dass ich das nicht muss ...

SaschaSalamander 10.06.2013, 09.11 | (0/0) Kommentare | PL

Lady Bedfort 65 - Die Mördergrube

bedfort65_moerdergrube_1.jpgAuf dem Heimweg von einem interessanten Vortrag finden die Lady und Tim den Lehrer der Schule, der sich in seinem Wagen versuchte umzubringen. Zufällig ermittelt gerade auch Inspektor Miller an der Schule, denn eine der Lehrerinnen erhält seltsame Botschaften, erst nur Briefe, zuletzt sogar einen toten Raben in ihrem Briefkasten. Natürlich wittert die Lady sofort ihren nächsten Fall ...

Zusätzlich zu einem spannenden Krimi gibt es diesmal einiges an Entwicklungen innerhalb der bestehenden Charaktere und fortlaufenden Handlung der Serie. Tim Denham, mit dem ich nur in einigen wenigen Folgen etwas anfangen kann, hat hier mal wieder eine Rolle, die mir gefällt: er ist hier nicht wie sonst oft nur Mitläufer und Stichwortgeber, sondern er agiert als eigenständige Person, die unabhängig von der Lady eigene Entscheidungen trifft und mit denen er aktiv in den Verlauf des weiteren Geschehens eingreift und die Situation etwas entspannt. Die letzten Episoden waren doch ein wenig verkrampft in dieser Hinsicht. Es war nicht anders möglich, ich finde die Entwicklung der letzten Folgen sehr realistisch und gut umgesetzt, aber ich freue mich, wenn sich einige Konflikte nun aufzulösen beginnen.

Das Interessante an DIE MÖRDERGRUBE finde ich diesmal die Frage, wer nun Täter und wer Opfer ist. Ein Schulleiter, der sich umbringen möchte. Ein junger Mann, dessen Freundin bedroht wird und dessen Exfreundin ebenfalls bedroht und bald darauf getötet wurde. Eine Frau, die bedroht wird und angeblich nicht weiß, worum es in den Nachrichten geht. Ein Reporter, der hinter einer Story her ist und scheinbar zuviel weiß.

Mit einer an eher harmlosen Ausgangssituation wurde dieses Mal eine Geschichte geschaffen, hinter deren Fassade sich eine gut erdachte und geschickt umgesetzte Idee für einen weiteren Fall verbirgt. Es wird viel Schlamm aufgewirbelt, und erst nach und nach zeigt sich, was hinter all den Ereignissen steckt. Das Ergebnis ist recht komplex, im Gegensatz zur >vorherigen Folge< aber nicht überladen, sodass man als Hörer gut die einzelnen Schritte und Ereignisse nachvollziehen und mitfiebern kann.

Es freute mich, neben den bekannten Charakteren auch wieder einmal Sergeant Inspektor McBrian zu hören. Neben ihm und den regelmässigen Charakteren kommt DIE MÖRDERGRUBE mit lediglich vier weiteren Sprechern aus: Jaron Löwenberg, der viel für Filme synchronisiert und mir selbst bereits aus >MINDNAPPING 12< bekannt ist, spricht hier wunderbar undurchsichtig den Hausmeister und möglichen Verdächtigen. Michael Marwitz, mir bis dato unbekannt, ist als Reporter zu hören. Anke Reitzenstein ist Hörern bereits aus >Folge 58< der Lady bekannt und passt gut zur Rolle der Sheila Summers. Mit Claudio Maniscalco konnte ein weiterer bekannter Sprecher gewonnen werden, der bei der Lady bisher noch keinen Auftritt hatte, der aber bereits zahlreiche Filme synchronisiert, in Hörspielen gesprochen und einige Preise gewonnen hat.

Insgesamt eine Folge, die in sich wieder absolut stimmig ist: Sprecher, Musik, Sound, Kriminalfall und fortlaufende Handlung, ein wunderbar rundes Bild.

Wertung: 9 von 10 verräterische Fotos

SaschaSalamander 07.06.2013, 08.49 | (2/2) Kommentare (RSS) | PL

Im Schatten der Götter

AUTOR

Christian von Aster, das musst ich sofort lesen! Von ihm sind die >MITTERNACHTSRABEN<, >DER WASSERSPEIER FLEDERMEIER<, >TIMMY KENNT DEN WEIHNACHTSMANN<, er ist Mitautor des >STIRNHIRNHINTERZIMMER<, einige weitere Titel liegen noch in meinem Regal und warten darauf, gelesen zu werden. Er gehört zu den wandlungsfähigen Autoren, die sich in verschiedenen Genres bewegen. Daher ist es immer wieder eine Überraschung, was mich dieses Mal erwarten wird. Garantiert aber immer: intelligenter Humor, Wortgewandheit und eine ziemlich abgefahrene Story. Einen Krimi hatte ich von ihm noch nie gelesen, umso gespannter war ich also auf diesen Titel.


INHALT

Ein Einbrecher öffnet den Tresor, holt ein Kästchen hervor. Der Sicherheitsdienst stellt ihn. Zack, Szenenwechsel, die Polizei vor Ort, der Sicherheitsdienst und der Einbrecher alle tot, ohne erkennbare Ursache erstickt. Der neureiche Archäologe, in dessen Haus eingebrochen wurde, bittet seinen Freund und Kollegen um Hilfe. Kommissar Mathesdorf hat alle Hände voll zu tun, dann wird auch noch der Seuchenschutz involviert. Die Ereignisse überschlagen sich. Ein uralter und ein junger Stammesangehöriger, eine afrikanische Schönheit und ihr Ehemann, eine geheimnisvolle Schachtel, uralte Gottheiten. Und immer mehr Tote, die nach und nach qualvoll ersticken.


CHARAKTERE

Es gibt keinen einzelnen Protagonisten. Dafür gibt es allerdings immer vereinzelte Charaktere, die vorübergehend im Mittelpunkt stehen, so etwa der Archäologe, sein Kollege, der Kommissar, die Afrikaner. Gelegentlich auch Charaktere, die kurz vorgestellt werden, bevor sie eines grausamen Todes versterben.

Man fiebert also mit keiner bestimmten Person mit, kann sich aber in alle sehr gut hineinversetzen, ihre Beweggründe nachvollziehen. Sie sind wunderbar beschrieben: mir gefällt, dass von Aster nicht die billigen Klischees bedient (und falls doch, dann in diesen wenigen Fällen sehr selbstironisch) und eigenständige Figuren erschafft, die so unterschiedlich und am Ende doch alle gleichermaßen menschlich sind.


PERSPEKTIVE

Von Aster schreibt hier nicht wie meist üblich aus der dritten Person heraus, sondern eindeutig als olympischer Erzähler. Er gibt Hinweise auf Kommendes ("er ahnte nicht, dass später", "doch es sollte ganz anders kommen" usw), und er gewährt dem Leser Einblick in die unterschiedlichsten Charaktere und Situationen, mal von innen heraus, mal als Beobachter. Dieser ständige Wechsel passt hervorragend zum Buch, da es die Hilflosigkeit des Kommissars und der anderen Beteiligten sehr gut widerspiegelt. Der Leser wird von einer Szene in die nächste geworfen, und wieder ändert sich der Blickwinkel, man weiß gar nicht so wirklich, wohin man seine Aufmerksamkeit richten soll, wer nun eigentlich die Schlüsselfigur ist, worum es überhaupt geht und worauf alles abzielt. Während diese Technik bei anderen Büchern eher wie ein gütiger Erzähler wirkt, der einfach nur den Überblick hat, fühlt man sich hier regelrecht ausgeliefert. Der Leser als Marionette des Allwissenden.


STIL, SPRACHE

Von Aster lese ich unter anderem deswegen so gerne, weil er hervorragend mit Worten umgehen kann. Alliterationen, perfekt gespitzte Pfeile, das richtige Wort an der richtigen Stelle. IM SCHATTEN DER GÖTTER weist weniger dieser wortreichen Pointen auf. Zugegeben, ich hätte es wohl auch nicht sofort als Werk des Autors erkannt. Dafür beweist er hier, dass er nicht nur mit Worten und Sätzen spielen kann, sondern auch mit ABsätzen, Inhalten und Zusammenhängen.

Das Buch ist recht ernst und düster geschrieben, und doch ist es voll mit trockenem Humor und zynischen Betrachtungen. Kann man in den anderen Büchern oder Gedichten einzelne Sätze herauspicken, die für sich betrachtet witzig sind, so sind es hier oft die Zusammenhänge, die etwas erst witzig erscheinen lassen. Die Sätze für sich betrachtet sind meist recht nüchtern.

Trotzdem, ein paar wenige Sätze, die auch für sich stehen können, gibt es natürlich. Sie erzählen Geschichten zwischen den Zeilen, ein hintersinniger Humor hinter den offensichtlichen Aussagen. Zum Beispiel: "Eine Frau, mit der er irrtümlich einmal geschlafen hatte" oder "Er hatte den Sex zweier Jahre nachzuholen. Zumindest den zweisamen Teil". Sätze, die manchmal erst kurz sacken müssen, bevor sie sich in ihrer Aussage komplett erschließen, die dafür umso nachhaltiger wirken und die Geschichte intensivieren. Nein, laut gelacht habe ich an keiner einzigen Stelle. Dafür innerlich so oft geschmunzelt oder böse gegrinst wie schon lange nicht mehr.


AUFBAU

Da das Buch zwischen verschiedenen Beteiligten springt und die Erzählweise oft variiert, muss man konzentriert folgen. Jeder Charakter hat einen unterschiedlichen Wissensstand, gelangt auf andere Weise an seine Informationen oder hat diese bereits, seien es die falschen oder richtigen. Dadurch verläuft es zwar chronologisch, dennoch ergeben sich sehr viele Sprünge, nicht im zeitlichen Ablauf aber hinsichtlich der Voranschreitens der Handlung.

Fällt es mir normalerweise leicht, ein Buch in verschiedene Passagen zu gliedern und den Spannungsaufbau zu schildern, so ist es hier kaum möglich. Obwohl es so geradlinig geschildert ist, wirkt es doch vom ersten Moment an episodenhaft. Und all diese gemeinsamen Episoden ergeben ein gemeinsames Bild.

Eine Erzähltechnik, die zu analysieren diese Rezension sprengt aber sehr interessant wäre. Dazu fällt mir wieder ein: um die Regeln zu brechen, muss man sie beherrschen. Von Aster beweist in diesem Werk ganz klar, dass er die Regeln der Erzähltechnik meisterlich beherrscht und es genießt, sie vor unseren Augen komplett auseinanderzunehmen. Sehr zur Freude des Lesers, der dadurch kaum etwas vorhersehen kann und in jedem Kapitel aufs Neue überrascht wird.


ATMOSPHÄRE

Das Buch ist insgesamt sehr atmosphärisch. Trotz des Humors, trotz der vielen wechselnden Perspektiven und "Kameraführungen" (wäre es ein Film, ich wüsste sofort, wo und wie ich die Kamera platzieren und bewegen müsste. Das geht mir nur in einigen besonders bildreichen Büchern so) erschafft der Autor eine Atmosphäre, der man sich nicht mehr entziehen kann. Besonders ab dem Moment, als die afrikanische Frau das Spielfeld betritt, verdichtet sich alles um einen herum, meint man sich selbst inmitten der Szene, spürt die Atemnot der Opfer, wird zu einem Tänzer in Trance inmitten von Trommeln und Räucherwerk.


FAZIT

Christian von Aster mal anders, aber genial wie immer. Ein in seiner Machart unkonventioneller Krimi, der in Sprache, Erzählweise, Aufbau und Charakterdesign von den bekannten Mustern abweicht und den Leser zu überraschen weiß. Wer ein Werk dieses Autors liest, sollte sich sowieso gewahr sein: wirf alles über Bord und vergiss, was Du bisher wusstest. Folge einfach, egal wohin ...

Wertung: 9,5 von 10 Dackel im Treppenhaus


SaschaSalamander 06.06.2013, 08.34 | (0/0) Kommentare | PL

Das Haus am Abgrund

freund_haus_1.jpgDie letzten Worte des Sterbenden sind eine Botschaft: ein Mord ist damals geschehen! Doch was will er den Hinterbliebenen mitteilen? Sollen sie den Fall lösen? Wollte er sich von Schuld freisprechen? Und vor allem: wie soll man einen Mord aufklären, wenn man weder weiß, wer ermordet wurde noch wann oder wo dieses Verbrechen stattfand? Marieke Kielmann erbt eines der beiden Häuser des alten Waldow, und alles deutet darauf hin, dass sich der Mord in diesem Ort, in diesem Haus ereignet haben könnte. Gemeinsam mit dem Arzt des Verstorbenen und dem Sohn der Haushälterin begibt sie sich auf die Suche nach den Schatten der Vergangenheit. Sie ahnt nicht, wie sehr ihre Nachforschungen das Leben in dem kleinen Dorf auf den Kopf stellen und welches Unheil sie heraufbeschwört ...

Ein Krimi, der mich sehr neugierig machte. Zum einen durch die interessante Ausgangssituation. Und zum anderen, weil der Autor >Marc Freund< schon viele Folgen für das Krimihörspiel LADY BEDFORT sowie weitere Hörspielserien geschrieben hatte. Ziemlich schnell habe ich das Buch gelesen, und gerne möchte ich das mit Euch teilen :-)


CHARAKTERE

Das Buch ist aus neutraler Erzählperspektive geschrieben, sodass je nach Kapitel immer wieder ein andere Charakter beleuchtet wird. Marieke und ihr Mitstreiter Vogt nehmen dabei als Protagonisten eindeutig den Hauptteil ein, dennoch gewinnt der Leser auch Einblick in all die anderen Dorfbewohner. Dadurch gibt es keine klare Figur, mit der man sich identifizieren könnte oder mit der man speziell mitfiebert. Dafür aber entwickelt der Autor das faszinierende Portrait eines kleinen Dorfes voll dunkler Geheimnisse. Während man die Beweggründe von Marike und Vogt erfährt, bleiben die anderen Figuren weitgehend von außen sichtbar. In den wenigen Momenten, in denen der Leser Einblick erhält, dient dies weniger zur Erhellung des Falles als vielmehr dazu, neue Fragen aufzuwerfen und die Spannung zu erhöhen.

Was mich sehr freute: das Personenregister am Ende. Eigentlich nur ein kleiner Aufwand für Autor und Verlag, für mich als Leser eine große Hilfe. Ich wünschte, alle Verlage würden dies am Ende eines Buches drucken!


SCHREIBSTIL

Wie bereits erwähnt, ist das Buch aus neutraler Erzählperspektive geschrieben, rein beobachtend mit gelegentlichen Blicken ins Innere. Dadurch bleibt der Leser der gesamten Handlung wie ein Zuschauer recht distanziert. Ein spannendes Szenario, das geboten wird und dem man gerne folgt, an dem man selbst jedoch nicht beteiligt ist.

Faszinierend an diesem Buch finde ich, wiesehr die Handlung über die Dialoge vorangetrieben wird. Es gibt dialoglastige und eher erzählende Bücher. So enorm dialoglastig wie DAS HAUS AM ABGRUND habe ich selten ein Buch gelesen. Anfangs fand ich das zugegeben etwas verwirrend. Einige Seiten, nachdem ich mich eingelesen hatte, gefiel mir dieser Stil jedoch recht gut. Es ist ungewöhnlich und dadurch einmal etwas komplett anderes als sonst. Vor allem ist es spannend zu verfolgen, wie die Handlung sich in den Dialogen entwickelt, die Charaktere ihre Persönlichkeit entfalten und die Ermittlung voranschreitet. 


KRIMIHANDLUNG

Marc Freund zeigt hier, was er wirklich hervorragend kann: gut zusammenhängende, in sich schlüssige Kriminalfälle erschaffen. Es gefällt, wie am Anfang eine unscheinbare Situation nach und nach immer mehr zutage fördert, bis man am Ende vor dem großen Gesamtbild steht. Mir gefallen die "klassischen", altmodischen Krimis, in denen das Blut nicht aus den Seiten tropft, in denen keine verwesten Überreste vor sich hingammeln, in denen nicht auf jeder Seite neue Superlative präsentiert werden. Sondern in denen ein oder mehrere ermittelnden Personen etwas aufdecken und die psychischen Hintergründe der Geschichte weit bedeutender sind als das nach außen Sichtbare. Ich frage mich gerade bei Vielschreibern, woher sie immer wieder die Ideen nehmen, solche Zusammenhänge zu erschaffen und diese dann ohne Verwirrung verständlich und nachvollziehbar auf Papier zu bringen. Freund jedenfalls beherrscht dies ohne Frage, und das ist die große Stärke des Romans.


REGIONALKRIMI

Neben der herrlich düsteren Krimiatmosphäre gestaltet der Autor sehr gut den Lokalkolorit. Flensburger Außenförde, dort kennt Freund sich bestens aus, ist er ja selbst dort aufgewachsen. Die Liebe zu seiner Heimat, aber auch die kritischen Betrachtungen, das vermag er dem Leser wunderbar zu vermitteln. Die Menschen in ihren Eigenheiten, die Landschaft, all das wird sehr anschaulich beschrieben, dass man meint, man sei selbst vor Ort.


PERSÖNLICHE MEINUNG

Die Krimihandlung gefiel mir außerordentlich gut, und sie ist der Grund, warum es mir schwer fiel, das Buch wieder aus der Hand zu legen. Es ist ein typischer Oldschool-Krimi, wie ich ihn liebe, sehr gut geplottet und durchdacht.

Einzig schade finde ich, dass durch den distanzierten und ungewöhnlichen (wenn ich auch durchaus interessanten) Schreibstil der Zugang zum Buch erschwert wird. Ich konnte nicht wirklich mit Marie und Vogt mitfiebern, und selbst in den lebensbedrohlichen Situationen fiel es schwer mit ihnen zu bangen, zu sehr fühlte ich mich als Zuschauer. Das war dennoch weniger störend als ich anfangs erwartet hatte: da ich aufgrund der Handlung stets gefesselt war und das Buch ein absoluter Pageturner ist, konnte ich über diesen Aspekt hinwegsehen. Statt wie sonst eine einzelne Person war es hier ein gesamtes Dorf, welches mir im Laufe des Buches immer enger ans Herz wuchs ...


FAZIT

Ein gelungener Krimi, dessen ungewöhnliche Ausgangssituation viel verspricht und auch hält. Marc Freund weiß, wie ein guter Plot aussehen muss und erschafft eine Geschichte voller menschlicher Tragödien. Ein Cosy wie aus dem Lehrbuch, so müssen gute Krimis sein :-)

Wertung: 4 von 5 Dahlien

SaschaSalamander 05.06.2013, 09.05 | (0/0) Kommentare | PL

Lady Bedfort 64 - Der Dolch im Rücken

bedfort64_dolch_1.jpgINHALT

Der Kirchendiener, findet eine Leiche in der Kirche. Ein wertvoller Dolch steckt im Rücken des Toten. Der Dolch stammt aus der Sammlung des Preston Yates, doch bei ihm wurde eingebrochen. Seine Tochter beobachtete zum Tatzeitpunkt eine Schwarze Lady, deren Erscheinen laut alter Legenden den Tod bringen soll. Bald tauchen weitere Personen auf, die den Toten kannten und Kontakt zu Yates suchen. Die Lady versucht Licht in das Dunkel um den gestohlenen Dolch, die seltsame Erscheinung und die wahren Motive hinter dem Mord zu bringen.


THEMEN

Das eigentliche Thema, um das es geht und welches die Charaktere verbindet, ist ein bekanntes (um die Spannung aufrecht zu erhalten, möchte ich nicht näher darauf eingehen). Zugegeben eines, das ich mir an anderen Hörspielen eigentlich schon sattgehört habe. Aber soweit ich mich erinnere, kam das bei Lady Bedfort noch nicht vor, von daher fand ich es mal eine interessante Variation.

Es werden mehrere Inhalte vermischt: da ist die Erscheinung der schwarzen Lady, welche die Tochter gesehen haben will. Ein mythologischer Aspekt, der jedoch nicht weiter ausgebaut und gegen Ende natürlich auch recht bodenständig gelüftet wird. Es wäre eine nette Idee gewesen, dies etwas geheimnisvoller auszubauen, dafür fehlte es jedoch an Zeit innerhalb dieser Folge, sodass dieser Punkt eher eine kurzer Moment im Verhör der Zeugin und bei der Aufklärung des Falles bleibt.

Dann ist das Ereignis, welches alle Männer miteinander verbindet. Hier liegt das Gewicht der Folge, hier wird am meisten ermittelt und der Großteil der Dialoge aufgewendet. Und dann ist da das wahre Motiv des Mordes. Hierfür werden eher wenige Minuten aufgewendet, während alle sich auf die Verbindung zwischen den Männern konzentrieren.


CHARAKTERE

Die Folge wird zusätzlich zu den drei Handlungsfäden dadurch erschwert, dass neben den sowieso schon zahlreichen Sprechern sehr viele weiteren Charaktere eingeführt werden. Sie haben keine Sprechrolle, werden jedoch namentlich genannt und nehmen wichtige Funktionen innerhalb der Handlung ein. So etwa der sich auf Seminar befindliche Pfarrer Atkins, der tote Striker, ein ehemaliger Freund der Gruppe Mr Wilton, ein Freund namens Dr. Crimson sowie ein weiterer Freund namens Simmons. Manche von ihnen sind verstorben und haben wichtige Schlüsselrollen inne, andere leben und wurden im Rahmen der Ermittlungen befragt und lediglich am Rande erwähnt. Weiterhin ist dies eine der Folgen, in denen Personen mit falscher Identität auftauchen, sodass auch hier Verwirrung entstehen kann. Too much für gerade einmal 62 Minuten.


AUFBAU

Prinzipiell ist es schön, dass Lady Bedfort keine allzu geradlinigen Fälle präsentiert. Dennoch finde ich, dass DER DOLCH IM RÜCKEN eine Folge ist, die man gut auf zwei CDs hätte ausweiten können. Zuviel geschieht, zu schnell schreitet die Handlung voran, zu verwirrend die Vielzahl der Namen. Zweimal habe ich die Folge gehört, und selbst nach dem zweiten Mal gab es Dinge, die ich entweder überhört hatte oder die inmitten all der vielen offenen Fragen übersehen wurden aufzuklären.


SPRECHER

Dafür wurden wieder sehr gute Sprecher ausgewählt, die sich - für die aktuelle Folge besonders wichtig - gut voneinander abheben und eigene Persönlichkeit in das Spiel einbringen. Michael Pan die ideale Partie für die zwielichtige Rolle des Preston Yates. Iris Artajo hatte bereits in Folge 58 gefallen, ich empfinde sie als Bereicherung im Sprecherensemble. Luisa Wietzorek konnte in Folge 63 leider nicht überzeugen, was jedoch vor allem am Skript der Folge lag, hier dagegen wirkte sie wesentlich natürlicher. Um sie zu nennen noch Frank-Otto Schenk und Jürgen Thorman, über deren Leistung muss ich allerdings nichts mehr hinzufügen ;-)


PERSÖNLICHE MEINUNG

Es ist schade, dass diesem an sich spannenden und komplexen Fall so wenig Raum gegeben wurde. Um es für eine Einzelfolge zu kürzen, wäre es wohl besser gewesen, einige Charaktere und einen Handlungsfaden zu kürzen und sich dafür ein wenig mehr Zeit zu lassen. Noch schöner wäre es gewesen, hätte man diese Folge auf 2 CDs ausgebaut und mehr Gewicht auf das Mordmotiv, die zusätzlichen Beteiligten und die Grundidee mit der Schwarzen Lady gelegt. So jedoch hetzt der Hörer von einer Szene zur nächsten ohne wirklich den Überblick zu behalten.


FAZIT

Ein höchst interessanter und gut durchdachter Fall, der aufgrund der zu hohen Dichte leider etwas unübersichtlich ist, ansonsten aber recht gut gefällt.

Wertung: 7 von 10 Tagebücher

SaschaSalamander 04.06.2013, 08.34 | (0/0) Kommentare | PL

Porterville 07 - Götterdämmerung

GÖTTERDÄMMERUNG - welch ein schicksalsträchtiger Name, das ist ganz schön hoch gegriffen. Dachte ich. Doch Hendrik Buchna erweist sich als würdig und hat mit Folge 7 eine Fortsetzung geschaffen, die diesen Titel verdient hat. Hendrik Buchna hat mit >Folge 18< den DARKSIDE PARK damals abgeschlossen. Es wurde viel geklärt, aber eine Menge Fragen blieben offen. Hier nun wird die Brücke geschlagen zwischen der Folge 18 des DSP und den Ereignissen in PORTERVILLE.

Diese Folge setzt nahtlos an, wo Folge 18 DSP abgeschlossen hat. Der Leser erfährt nun, was geschehen war und wie es weiterging. Und endlich, endlich wurden sehr viele Fragen beantwortet. Zum Teil Fragen, die uns Leser von Beginn an drückten (etwa die Frage nach dem "Draußen" oder warum in Porterville so vieles anders ist als im DSP). Und zu einem noch größeren Teil Fragen, die man sich hätte stellen müssen, wenn man nicht das angenommen hätte, was einem als scheinbar einfache Lösung so einfach präsentiert wurde bisher (leider müsste ich spoilern. Es zerreißt mich, das nicht schreiben zu dürfen, aber es wäre einfach zuviel). Und keine Sorge, es bleiben noch genügend Fragen offen für viele weitere Folgen ;-)

Die anderen Episoden stehen weitgehend für sich. Natürlich gehören sie zusammen, versteht man sie nur im kompletten Zusammenhang, doch sie sind weitgehend Einzelwerke. GÖTTERDÄMMERUNG dagegen hängt als Bindeglied so eng sowohl mit dem DARKSIDE PARK als auch PORTERVILLE zusammen, dass die Lektüre sich wirklich erst lohnt, wenn man alle anderen bisherigen Teile kennt. Sehr viele Puzzlestücke werden nun an ihren rechten Platz gerückt, und ohne Kenntnis der bisherigen Puzzlestücke versteht man aufgrund der vielen Namen, Zusammenhänge und Ereignisse absolut nicht, was da eigentlich erzählt wird.

Ich habe nach der Lektüre erst einmal einige alten Folgen auf dem Reader geöffnet, um mich einiger Namen und Zusammenhänge zu vergewissern, habe hier und da den Prolog anderer Folgen nochmal Revue passieren lassen, ein paar Dinge recherchiert, denn an alles kann man sich nach 18 Folgen DSP und bisher 6 Folgen PV gar nicht mehr erinnern. Die aktuelle Folge ist eine gute Gelegenheit, alles Bisherige Revue passieren zu lassen :-)

Stellenweise las ich mit offenem Mund, was Hendrik Buchna nach und nach enthüllte. DSP war genial, und Porterville ein würdiger Nachfolger. Doch mit diesem Bindeglied ergeben sich völlig neue Zusammenhänge und zeigt sich das nahezu epische Ausmaß, das hier nun erschaffen wurde, WOW! GÖTTERDÄMMERUNG - ein Titel, den sich diese Folge mehr als verdient hat!

SaschaSalamander 31.05.2013, 08.53 | (0/0) Kommentare | PL

Porterville 06 - Vor den Toren

porterville06_toren_1.jpgErgänzung: geschrieben, während ich längere Zeit zwangszweise offline war. Veröffentlicht, nachdem ich bereits die nächste Folge gelesen habe. Aber ich kann nicht alles, was ich in der Zwischenzeit geschrieben habe. Daher damals die Vorfreude auf etwas, das jetzt heute aber bereits da ist ;-)

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Langerwartet, es scheint eine Ewigkeit her, dass der letzte Band der Reihe PORTERVILLE erschien. Diesmal durften wir uns wieder auf einen Titel von Simon X Rost freuen, und zwar die Fortsetzung des dritten Bandes >NACH DEM STURM<.

Zu Simon X Rost und zum Konzept der Reihe Porterville selbst muss ich nichts mehr erzählen, das habe ich ja bereits ausführlich gemacht. Daher hier nur zum Inhalt und dazu, wie ich diesen Teil wahrgenommen habe:

Wie man aus NACH DEM STURM bereits weiß, ist Jefferson Prey nicht zufrieden mit Satos Führung. Er hat das Angebot, welches dieser ihm gemacht hatte, angenommen und versucht nun, das System von innen heraus zu zerstören. Doch wie es endet, haben wir bereits im ersten Teil >VON DRAUßEN< erfahren.

Und das ist es, was diese Folge so tragisch macht: sie ist spannend geschrieben, man hängt dem Erzähler an den Lippen (bzw mit den Augen auf dem Bildschirm), kann sich nicht lösen, und immer mehr verkrampft man, begleitet den Protagonisten ins Verderben und hegt die irrationale Hoffnung, es könne sich ja doch zum Guten wenden. Wenn man dazu neigt, sich sehr in das Gelesene hineinzuversetzen, dann kann einem hier regelrecht übel werden, denn die Anspannung und auch das Geschehen (niemals geschildert, sondern stets angedeutet und somit reines Kopfkino, darin sind alle Autoren der Reihe Meister) sind nichts für Zartbesaitete. Die Verzweiflung und Ohnmacht Jeffersons überträgt sich auf den Leser, dass es kaum auszuhalten ist. Und obwohl wir sosehr mit ihm mitfiebern - wissen wir, wie es enden wird und können es nicht verhindern. Eine regelrechte nervliche Zerreißprobe für den Leser!

Von Simon X Rost stammt auch die Folge >DIE AUGEN DER NACHT< der Reihe DarkSide Park. Die Szene mit dem Wagenheber blieb mir bis heute im Gedächtnis, und noch immer schüttelt es mich, wenn ich daran denke. Uargh, allein der Gedanke an diese Szene ließ mich stets zusammenzucken, während ich VOR DEN TOREN las, weil ich befürchtete, erneut eine solch grausig-gute Szene lesen zu müssen ...

Schade, dass die einzelnen Bücher so kurz und die Abstände dazwischen so gefühlt lang sind. Aber Qualität schreibt sich eben nicht von selbst, und so kann man auch die Leser länger am Ball halten und neue weitere Fans gewinnen. Trotzdem - ich willwillwill sofort die nächste Folge! ;-)

SaschaSalamander 28.05.2013, 08.44 | (0/0) Kommentare | PL

Milliarden-Mike

wappler_mike_1_1.jpgAUTOREN

Mike Wappler ist inzwischen 57. Er ist Betrüger und Hochstapler, und kein kleiner: rund 20 Jahre seines Lebens hat er hinter Gittern verbracht, unter anderem in der berühmten JVA Fuhlsbüttel (Santa Fu). Angedacht war ursprünglich eine Sicherheitsverwahrung, doch kurz zuvor entzog er sich durch Flucht, gerade während der Diskussionen um Neuregelung der SV. Er kann zwar nicht lesen oder schreiben, doch bereits als Kind bekam er Einblick in das Milieu, lernte andere Menschen mit Worten und Lügen (die er selbst als "Geschichtenerzählen" bezeichnet) zu betrügen (er würde sagen "Maß nehmen").

Der Journalist Tim Gutke hat mit ihm nun das Buch MILLIARDEN-MIKE veröffentlicht, in dem er seine Geschichte erzählt. Und es haben sich wohl zwei gefunden, die prima zusammenarbeiten: hier hat man das Gefühl, dass der Journalist die Worte des Betrügers gekonnt umgesetzt hat, sie perfekt in Szene setzte (denn was nützt die spannendste Geschichte, wenn der Schreiber sie nicht umzusetzen vermag). Der Schreibstil Gutkes und die Erzählungen Wapplers - eine kongeniale Mischung, die den Leser anspricht und sofort wirkt.


AUFBAU

Das Buch beginnt mit der Beschreibung von Wapplers Flucht während seines Freigangs. Danach wird seine Geschichte chronologisch von Beginn an erzählt, vom kleinen Bub hin zum heutigen Lebemann mit Porsche, Villa, Rolex, Designerklamotten und einem dicken Bündel Banknoten in der Hosentasche. Dazwischen werden immer wieder einzelne Absätze eingeschoben (optisch gut vom restlichen Text abgegrenzt, sodass man sie auch zwischendurch überfliegen kann). Der frühere Familienanwält, seine aktuelle Anwältin, seine Halbschwester, ein damaliger Weggefährte, sogar "Schneekönig" Ronald Blacky Miehling kommen zu Wort, auch werden Auszüge aus Gerichtsakten und Zeugenvernehmungen eingefügt.

Das führt dazu, dass die Geschichte aus mehreren Blickwinkeln betrachtet werden kann. So hat der Leser nicht nur die beschönigte Variante Wapplers, sondern auch die Stimmen anderer Personen. Der Unterschied fühlt sich manchmal an, als würde man mit einem heftigen Knall auf dem Boden landen. Wappler erzählt von seinen tollen Ansichten und seiner Ehre, und plötzlich liest man, wie die Schwester von seiner Kindheit als Zigeuner erzählt, wie er verhöhnt wurde, dass er selbst in der ersten Klasse überfordert war und in der Schule keine Chance bekam. Er erzählt stolz von seiner durchdachten Flucht. Sie erzählt von der Feier, die extra für ihren Sohn organisiert wurde und bei der auf einmal nur noch die Polizeiaktion und die Flucht im Vordergrund standen. Wenn Milliarden-Mike die Reichen wie Robin Hood abzockt, dann mag vermutlich mancher Leser anerkennend nicken, aber wenn er dem Sohn der Schwester den Ehrentag vermiest, das tut weh, da hat man wenig Verständnis.


UMSETZUNG

Das Buch ist mit Ausnahme der Einschübe anderer Personen durchgehend aus der Sicht des Ich-Erzählers Wappler geschrieben. Die Identifikation mit dem Betrüger fällt, da sie in geschickte Worte gekleidet ist und die Handlungen stets nachvollziehbar dargestellt wurden, erstaunlich (beängstigend) leicht. Ja, Wappler weiß sich in Szene zu setzen, und ich konnte mir sein Auftreten sehr gut vorstellen. Und Gutke weiß ihm das entsprechende Forum für seinen Auftritt zu bieten.

So betont Milliarden-Mike immer wieder seine Ehre. Er habe niemals jemanden Maß genommen, der es nicht verdient hätte. Wer gierig ist, der ist selbst schuld, und einen Milliardär kümmern ein paar Millionen nicht. Einmal nur habe er eine arme Frau um 3000 Euro erleichtert, aber er habe sich sosehr dafür geschämt, dass er sich mit einem Blumenstrauß entschuldigte und ihr statt dessen 4000 Euro zurückgab. Außerdem steht er zu seinen Taten, man muss Verantwortung übernehmen, das hat ihn bereits seine Mutter gelehrt. Mal ehrlich - wem geht bei diesen Worten nicht das Herz auf? Insgesamt ist das Buch sehr emotional geschrieben, offenbart viel über das, was (vorgeblich, wer vermag das zu beurteilen) in Wappler vorgeht.

Über die Gefahren dieses Buches gleich mehr, doch erst einmal das Lob an den Journalisten: es gehört einiges dazu, einen Menschen ins rechte Licht zu rücken, der sogar Sicherungsverwahrung verordnet bekam. Während man als gutbürgerlicher Mensch zu Hause sitzt und sagt "so etwas tut man doch nicht", lässt Gutke den Leser hier statt dessen die Perspektive wechseln. Er zeigt die schillernde Welt des Milieus, die Verlockungen des Reichtums, die dreckige Seite der gierigen Reichen. Er schafft ein Wir-Gefühl mit einem Verbrecher. Beachtliche Leistung und äußerst faszinierend zu lesen.

Es ist gelungen, dem Leser einen Blick hinter die Kulissen zu bieten. Mit Erstaunen liest man, mit welch einfachen Mitteln es möglich ist, ganz ohne Aufwand einen so simplen und doch geschickten Betrug zu organisieren. Es kommt sogar ein wenig Bewunderung auf für den Menschen, der so mühelos solch simplen und doch effektiven Methoden zu entwickeln weiß. In den Zeilen spiegelt sich sehr viel Menschenkenntnis und Gerissenheit, die in diesem Ausmaß absolut beachtlich ist. Und wer kritisch liest, der wird sehr schnell erkennen, weshalb Wappler kein kleiner Betrüger ist, sondern warum man ihm ursprünglich eine Sicherheitsverwahrung andachte.


SCHWIERIGKEIT

Es ist die Aufgabe des Journalisten, aus Sicht Wapplers zu schreiben, und das ist ihm gelungen. Allerdings führt das dazu, dass das Buch sehr kritisch gelesen werden muss. Es verlangt dem Leser eine gewisse Fähigkeit ab, zwischen Recht und Unrecht zu entscheiden, sich nicht um den Finger wickeln zu lassen.

Es ist enorm, wieviel kognitive Verzerrung in diesem Buch aufgezeigt wird, präsentiert im Brustton der Überzeugung. Bagatellisierung, Schuldverschiebung, Generalisierung, logisch erscheinende Rechtfertigung und weitere. Konsequenzen werden in Kauf genommen oder falsch eingeschätzt.

Mit dem Opfer, welches zuletzt genannt wird, empfindet der Leser kaum Mitleid. Im Gegenteil eher Schadenfreude, und das Gesetz gibt sogar Recht, indem unter anderem im Urteil zu lesen ist: "Zugunsten des Angeklagten hat die Kammer außerdem berücksichtigt, dass dem Angeklagten seine Taten durch die Leichtgläubigkeit seiner Opfer, insbesondere die des Geschädigten Hubert, leicht gemacht wurden". Und ich gebe zu, während des Lesens habe ich oft mit dem Kopf geschüttelt und konnte nicht glauben, was ich da las (jedoch durch Auszüge aus der Zeugenvernehmung und dem Gerichtsurteil untermauert wurde und somit also tatsächlich stattgefunden zu haben scheint). Dennoch - Unrecht bleibt Unrecht, egal wie gut es verpackt wird.

Gelegentlich scheint es fast, als laute die Moral: "Verbrechen lohnt sich" (brüstet Milliarden-Mike sich gar damit, keinen Cent bisher mit ehrlicher Arbeit verdient zu haben, bezeichnet er das Opfer als Kuh, die gemolken werden will). In den Händen der falschen Jugendlichen oder jungen Erwachsenen könnte ein Bild entstehen, das absolut schädigend wirkt. Zum Glück aber dürften diese Personen eher selten zu einer Lektüre greifen, sodass ich dieses Buch nicht wirklich als "gefährlich" sehe. Der eigentliche Leser wird wohl klar in der Lage sein, Recht und Unrecht zu entscheiden und die Bagatellisierungen, Schuldverschiebungen etc als solche zu erkennen.

Und eine weitere wichtige Frage: Ist es überhaupt nötig, einem Kriminellen wie ihm eine Platform zu bieten? Nötig - nicht unbedingt. Sollte man es trotzdem tun? Ich finde, warum nicht. Es ist spannend, von anderen Menschen über deren Leben zu erfahren, und man möchte natürlich etwas erfahren, das man selbst nicht kennt aber schon immer mal wissen wollte. In dem Fall befriedigt Herr Wappler also wieder einmal die Gier seiner Opfer, äh, Leser, in diesem Fall die Neu-Gier, die Sensations-Gier. Diesmal aber völlig legal, und es profitieren beide Seiten davon. Warum also nicht? Er kann sich jetzt zumindest nicht mehr brüsten, niemals ehrlich Geld verdient zu haben, denn ein Buch zu veröffentlichen ist mehr als legal ;-)


FAZIT

Ein durch und durch faszinierendes Portrait, das Recht und Unrecht scheinbar auf den Kopf stellt und die Welt aus Sicht eines millionenschweren Hochstaplers zeigt. Spannend zu lesen, voller interessanter Erfahrungen und Einblicke. Allerdings sollte das Buch unbedingt mit kritischem Blick gelesen werden, denn der Journalist versteht ebenso wie der Protagonist, den Leser geschickt auf seine Seite zu ziehen.

SaschaSalamander 27.05.2013, 09.31 | (0/0) Kommentare | PL

Tiere in der Stadt

kegel_tiere_1.jpgVORAB

Wie üblich kurz bei Sachbüchern der Hintergrund, mit dem ich das Buch rezensiere: ich liebe Natur und Tiere, und ich gehe dabei gerne in die Tiefe. Ich habe mich als Jugendliche viel engagiert und eingesetzt, etwa beim Bau verschiedener Biotope, beim Erforschen der heimischen Pflanzen- und Tierwelt, habe viel über Pflanzenbestimmung und verschiedene Tierarten gelernt. Auch heute noch bin ich gerne und viel in der Natur. Und ich möchte nicht nur beobachten, sondern auch verstehen.

Aufgewachsen bin ich "auf dem Land", wo ich mit Tieren einen ganz anderen Umgang hatte als derzeit in der Stadt. Hier in der Großstadt erlebe ich nun andere Tiere, die ich ebenso begeistert beobachte. Und ich bin fasziniert, dass selbst inmitten der Häuser, zwischen all den Straßen und mitten unter den Menschen so viele Tiere zu finden sind. Das Buch TIERE IN DER STADT von Bernhard Kegel berührt also ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt und dem ich täglich sehr viel Aufmerksamkeit widme.


AUFBAU
 
Das Buch ist inhaltlich sehr übersichtlich gegliedert. Es zeigt von Beginn an, dass das Buch sich nicht nur auf Deutschland konzentriert, sondern die Städte auf dem gesamten Globus beleuchtet. Anschließend wird in verschiedenen Etappen beschrieben, wie die Natur in den Städten sich entwickelte, welchen Tieren man begegnet, wie der Mensch sich darin auswirkt. Auch auf historische Aspekte geht der Autor ein sowie das Thema Naturkatastrophen und Natur / Stadt im Wandel der Zeit. Denn um die Natur in den Städten zu verstehen, muss man zuvor auch die Stadt selbst als Habitat verstehen, sodass er hierauf viel Gewicht legt. Bei all den Tierarten widmet er besonders den Vögeln und dem winzigen Insekten und anderen Kleintieren sehr viel Raum.

Es gibt nur sehr wenige Bilder, zum Teil alte Zeichnungen, ansonsten vor allem Statistiken oder um mikroskopisch kleine Tiere im Großen zu zeigen. Sehr oft findet man graue Kästen, die zusätzlich zu dem Fließtext Episoden erzählen. Anekdoten, Info, Trivia, Exkurse.

19 Seiten Literaturangabe der Fußnoten, 17 Seiten Aufzählung der Quellen, 10 Seiten alphabetisches Register und eine Seite mit Bildnachweisen. Mag manchen Lesern recht viel vorkommen, so jedoch funktioniert wissenschaftliches Arbeiten. Man erkennt, dass der Autor sehr intensiv recherchiert hat und vor allem neben älteren Schriften auch auf aktuelle Titel Bezug nimmt und nicht nur Bücher sondern auch wissenschaftliche Artikel, Fachzeitschriften und Zeitungsberichte heranzieht.


UMSETZUNG

Obwohl er das Thema sehr fachlich angeht, schreibt er leicht verständlich und in einem flüssigen Duktus. Es ist eine Freude, sich in das Buch zu vertiefen und Kegels Ausführungen zu lauschen. Gelegentlich bindet er Anekdoten ein, bringt den Leser zum Schmunzeln, lockert den gelegentlich recht sachlichen Text ein wenig auf. Trotz der vielen Fußnoten, Quellen und wissenschaftlichen Untermauerung lässt er das Buch in keinem Moment trocken oder langweilig erscheinen.

Auch die Gliederung in gut erkennbare Absätze und Kapitel sowie die zwischendurch eingeschobenen grauen Infokästen sind sehr hilfreich. Oft vermisse ich in anderen Fachbüchern die Lesbarkeit, etwa wenn Text an Text an Text gereiht ist und das Hirn mit Input zugeschüttet wird ohne das Auge zu entlasten. Hier aber klappt alles bestens. Ob dies Kegel zuzuschreiben ist oder dem Verlag, vermag ich nicht zu beurteilen, in der Aufmachung jedenfalls ist es gelungen, es trotz der Wissenschaftlichkeit leserfreundlich zu präsentieren.


PERSÖNLICHE MEINUNG

Das Buch liest sich wunderbar, und man geht danach tatsächlich mit anderen Augen durch die Stadt. Dennoch war ich ein wenig enttäuscht: gut, im Inhaltsverzeichnis wird schnell klar, dass das Augenmerk auf Vögeln und Insekten sowie der Stadt als solcher liegt. Doch die Vermarktung und auch das Cover lassen eigentlich auf etwas anderes schließen. Ich finde es sehr interessant, wie Städte entstanden sind und sich entwickelten, veränderten. Und Milben, Flöhe, Käfer, Spinnen, Asseln, Wanzen, Zecken, Flöhe, Fliegen, Mücken etc gehören selbstverständlich dazu, wenn man über Tiere in der Stadt schreibt, ebenso die unzähligen Vogelarten.

Die deutliche Konzentration vor allem auf diese Bereiche allerdings fand ich sehr schade. Es ist nicht so, dass ich Säugetiere mag und Insekten nicht (ich gehöre sogar zu denen, die lange fasziniert zusehen wie eine Spinne ihre Beute einwickelt oder sich auf den Waldboden setzen, um eine Ameisenstraße zu beobachten), aber ich hätte mir einfach mehr Gewicht auf den Säugetieren gewünscht. Nicht, weil sie niedlich sind, sondern weil sie für mich das Stadtbild prägen und ich ihnen täglich vielfach begegne. Es ist ja nett, wenn ich mir bewusst werde "ah, in meinem Bett sind soundsoviele Milben", aber es wäre auch schön, wenn ich mehr über die Hasen, Eichhörnchen, Füchse, Fledermäuse, Schmetterlinge, Mäuse, Ratten, Dachse, Marder, Maulwürfe erfahren könnte, die sich zwischen den Häusern tummeln. Darüber liest man jedoch kaum etwas.

Der Klappentext verspricht "nimmt uns mit auf Forschungsreise in die Wildnis vor unserer Haustür", das Cover zeigt einen Fuchs. Das impliziert dann doch etwas komplett anderes als das, was man tatsächlich im Buch las (okay, ein Katzenfloh macht sich nicht gut auf dem Buchcover). Auch ist klar, dass ich global denken muss und mir bewusst sein muss, dass es nicht nur um meine eigene kleine Haustür in meiner Stadt in meinem Bundesland geht. Aber ein wenig mehr Konzentration auf Deutschland und weniger Bezüge auf Paris, London, Warschau, Sidney, New York und Co hätte ich deutlich begrüßt. London 1666 ist einfach nicht "vor meiner Haustür", ebensowenig wie Afrika vor 72.000 Jahren oder Manhatten 1650.


FAZIT

Ein wunerschönes Buch, das dem Leser Natur und Stadt näherbringt. Dank des lockeren Stils kann man dem Autor gut folgen, die Texte sind angenehm aufbereitet und präsentiert. Kegel gelingt die Kunst, komplexes Fachwissen unterhaltsam zu verpacken. Allerdings liegt das Gewicht doch sehr auf Insekten und Vögeln. Wer also mehr über die heimischen Vierbeiner lesen möchte, wird etwas enttäuscht werden. Wer diese Erwartung nicht hegt und eine Vorliebe für mikroskopisches Kelingetier und Vögel hat, wird dagegen begeistert sein.

SaschaSalamander 24.05.2013, 08.59 | (0/0) Kommentare | PL

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