SaschaSalamander

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Die Stadt der vergessenen Träume

Grippe hin oder her, ohne meine tägliche Portion Schreiben und Lesen fehlt mir was ... dick eingemummelt sitze ich also am Computer, schlürfe Pfefferminztee (sommers wie winters, ob krank oder gesund ... ähnlich essentiell wie Bücher) und sinniere über Die Stadt der vergessenen Träume von Peter Freund aus der Reihe "Die Legenden von Phantasien" . Nach "Die Seele der Nacht" konnte es nur besser werden ;-)

Dieses Buch behandelt zwei parallele Handlungen, die am Ende zwar nicht perfekt ineinander übergehen, sich aber dennoch recht gut vereinigen (die Charaktere treffen sich. Perfekt wäre es, wenn ihre Schicksale miteinander verwoben wären und die Handlung erst im Nachhinein komplett erschiene, ohne dass der Leser dies geahnt hätte)

Kayún verspricht der durch das Vergessen schwindenden Mutter, sich um seine kleine Schwester Elea zu kümmern und mit ihr gemeinsam nach Seperanza aufzubrechen. Dort würden sie beide vor dem Vergessen sicher sein. Auf dem Weg zu dieser geheimnisvollen Stadt erleben sie gefährliche Abenteuer, vor allem die dunklen Traumfänger Xayídes stellen eine übermächtige Bedrohung dar. Der Retter aus der Menschenwelt erschafft neue Welten, und wo bisher eine weite Ebene war, findet sich Kayún nun plötzlich einen dunklen Wald wieder. Wie soll er nur die entfernte Stadt erreichen, wenn ganz Phantásien sich stetig ändert? Und ob Seperanza noch existiert?

Die junge Saranya erfährt, dass sie nicht die Tochter des Hohen Herrn Asmus und seiner Frau Raya ist, sondern als Findelkind vor deren Tür niedergelegt wurde. Sie möchte das Rätsel ihrer Herkunft unbedingt lösen. Was hat es mit dem geheimnisvollen „Ruf“ auf sich, der manche Bewohner Seperanzas ereilt? Und wer ist der Magister Philonius Philippo Phantastus, dessen Spuren und wissenschaftliche Werke zu verwischen versucht wurden?

Die Welt Phantásiens wird besonders anschaulich beschrieben. Vor allem die Beschreibung des Marktplatzes zu Beginn wirkt auf alle Sinne. Duftende Gewürze, das Getuschel und Gezeter der Bewohner, alles wirkt lebendig und real, man fühlt sich als Leser mittendrin.

Schön finde ich die Bezüge zum Buch „die unendliche Geschichte“. Leider konnte ich sie heute nicht in der Bücherei erhalten, um sie nochmals zu überfliegen und einiges nachzuschlagen, aber dass ich nach vielen Jahren noch immer viele Andeutungen und Anspielungen finden konnte, zeugt sowohl von der Einprägsamkeit der unendlichen Geschichte als auch von der durchdachten Handlung der „Stadt der vergessenen Träume“.

Der Handlungsaufbau an sich ... nun ja, es ist eher ein Kinder- denn ein Jugendbuch, die Handlung ist recht simpel gestrickt. Aber das muss ja nicht schlimm sein, ... was für Kinder gut ist, muss für Erwachsene ja nicht schlecht sein ;-)
Schon nach kurzer Zeit ahnt man, was es mit dem Vergessen und dem Magister auf sich hat. Macht nix ... es ist trotzdem sehr schön zu lesen ...

Das Einzige, was mich dann doch etwas traurig stimmte: das Ende des Buches. Dass es offen ist, stört mich nicht im Geringsten, aber schade, dass es so abrupt abbrechen muss. Es scheint fast, als hätte der Autor keine Lust mehr gehabt oder nicht so recht gewusst, wie er das Ganze noch abrunden soll ... er wollte wohl kein reines Happy End und hat sich dann überlegt, wie er es offen halten und den kindlichen Leser trotzdem zufrieden stellen könnte. Auch der Bezug zum Prolog des Buches wirkt ein wenig aufgesetzt, wenngleich die Idee an sich gelungen ist.

Sprachlich finde ich dieses Buch sehr gelungen. Vor allem die lyrische Sprache fällt sofort auf den ersten Seiten auf. Ich konnte nicht anders, als nach wenigen Absätzen plötzlich laut zu lesen und meine mehr oder weniger freiwilligen Zuhörer daran teilhaben zu lassen ;-)

Viele Alliterationen, Stabreime und in sich wohlklingende Wortverbindungen, kreative Wortschöpfungen und Namgensgebungen sowie „fließende“ Sätze machen das Buch für mich zu einer Art Gesamtkunstwerk. Der Text sind keine aneinandergereihten Buchstaben und Worte, sondern fast schon eine Melodie.

Osmar nennt sich die Gruppe unzähliger Glühwürmchen (die Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Glühbirnen ist zufällig und nicht beabsichtig *g*), für die eigentliche Bedeutung der Feuerwürmer brauchte ich dann doch eine kurze Erklärung (die ich wirklich kreativ und gelungen fand). Tamino, Pamina und Tramina ... na ja, über die Ähnlichkeit mit lebenden usw muss nicht diskutiert werden, in diesem Fall fand ich es etwas einfallslos. Aber zumindest der angenehme Klang dieser Namen schmiegte sich in den weichen Text, ohne weiter zu stören.

Ein paar Beispiele gefällig?
„Du tollpatschiger Plattfußtroll, vermaledeiter Federfuchser, Tölpeltroll, du Schnarchschaf, Wahnfratze, Graugram, Schleimschmeichler, mögest du Runkelrauken würgen und vom Gräuelgrusler gefressen werden!“ (steht so nicht drin, ich habe mir mal eine neue Beschimpfung einfallen lassen ... aber die Wörter kommen alle in dem Buch vor *g*) ... na ja, ich bevorzuge dann doch lieber einen schmackhaften Schluck Sonnensirup und Seerosensuppe ;-)

Die ersten Sätze des ersten Kapitels wie folgt:
„Auf dem Marktplatz von Seperanza herrschte reges Treiben. Käufer, Schaulustige und Flaneure drängten sich zwischen den Verkaufsständen, die den großen Platz in der Mitte der Stadt bis zur letzten Ecke füllten. Eine leichte Brise blähte die bunten Schutzplanen der Buden, auf denen gleißende Sonnenreflexe Fangen spielten.“
Man kann auf dem Markt Morgenblättertau, Quellwasser aus den Silberbergen oder Purpurbüffelschinken kaufen, vielen dieser Essenzen werden wundersame Wirkungen nachgesagt ...

Ist das nicht schön? Muss man dieses Buch nicht singen anstatt es zu lesen?
Der netten, aber einfachen Handlung wegen wollte ich es nur überfliegen, aber die Worte nahmen mich immer wieder aufs Neue gefangen, sodass ich doch länger als geplant für dieses Märchen brauchte. Es hat sich wirklich gelohnt :-)

„Die Stadt der vergessenen Träume" ist auf jeden Fall eines der besseren Bücher (hoppla, ich stelle staunend fest, dass sich ständig Alliterationen und ähnlich anmutende Anwandlungen in den Text ainschleichen - jaja, schon gut, ich höre auf, es wird zuviel *smile* - ohne dass ich es geplant hätte ... ist das ansteckend?)

Nicht ganz so zauberhaft wie die unendliche Geschichte, aber das mag wohl ein Stück Nostalgie sein, das dem unantastbaren Werk Michael Endes anhaftet ... es ist schwer, die Erinnerung an ein schönes Stück Kindheit zu übertrreffen ...

Langen Textes kurzer Sinn: ein wirklich schönes Märchen, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Und nicht vergessen, ab und zu laut zu lesen ... oder, noch besser: es dem geliebten Partner (warum nicht?) oder dem kleinen Würmli abends vor dem Zubettgehen liebevoll vorlesen ...


SaschaSalamander 24.04.2005, 21.09

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