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Ausgewählter Beitrag
Vollendet
ACHTUNG:
AUTOR, BUCH
>Neal Shusterman< ist Autor von Jugendromanen, schreibt auch Drehbücher für Filme und Serien. VOLLENDET erschien als erster Teil einer mehrteiligen Reihe bereits 2007 in Amerika unter dem Titel UNWIND. Im deutschen Buch findet sich keinerlei Hinweis auf die Folgeromane. Ausnahmsweise bin ich darüber allerdings nicht verärgert, denn das Buch kann sehr gut für sich stehen und benötigt keine Fortsetzung.
INHALT
Connor, Risa und Lev sind drei grundverschiedene Jugendliche. Connor hat ständig Ärger am Hals. Risa lebt in einem Waisenhaus und ist talentierte Klaviersolistin. Lev lebt wohlbehütet in einer strenggläubigen Familie. Doch allen drei ist etwas gemeinsam: sie sollen umgewandelt werden. Das heißt: gemäß der Charta des Lebens, die nach dem Heartland-Krieg erlassen wurde, können ihre Eltern bzw Heimleiter bestimmen, dass sie als Organspender komplett verwertet werden. Denn schließlich sterben sie ja nicht - sie leben lediglich in vielen anderen Körpern weiter, so sagt man. Während Lev sein Leben lang als Zehntopfer auf diese Aufgabe vorbereitet wurde und nun mit Stolz seinen letzten Weg antritt, sind Connor und Risa natürlich gar nicht begeistert über die Art ihres geplanten Ablebens. Bei Connors Flucht kreuzen sich die Wege, die drei treffen aufeinander, ein wildes Szenario mit jeder Menge Action nimmt seinen Lauf.
CHARAKTERE
Die Charaktere werden nicht großartig vorgestellt, der Leser wird sofort in die Handlung geschmissen. Man kann es gutheißen, dass der Autor sich nicht mit Nebensächlichkeiten aufhält und gleich zum Wesentlichen kommt. Für mich selbst allerdings fehlt hier etwas, denn ich hätte schon gerne gewusst, welchen Ärger Connor seinen Eltern immer wieder machte, auf mich wirkt er im Buch nicht wesentlich schwieriger oder aufmüpfiger als jeder andere typische Jugendliche. Auch später wird nur wenig auf die Charaktere eingegangen. Besonders Lev, der im zweiten Band (noch nicht auf Deutsch erschienen) eine wichtige Rolle einnimmt, erlebt eine drastische Wandlung in seinem Denken und Handeln. Es ist zwar ersichtlich aus den Ereignissen, wird allerdings niemals erwähnt oder geschildert, es ist eben einfach so, plötzlich ist er anders. Charakterentwicklung ist etwas, worauf ich großen Wert lege, und das wurde hier bei allen Figuren leider unterschlagen. In einem Film wäre es okay, als Drehbuch wäre VOLLENDET hervorragend geeignet, in einem Buch wünsche ich mir allerdings intensiveren Einblick in die Köpfe der Hauptrollen.
Die Nebencharaktere (von denen es sehr viele gibt) werden lediglich am Rande gestreift, nehmen vom ersten Moment an sofort ihre Rolle als Good oder Bad Guy ein und sorgen nicht für Überraschungen. Sie sind sehr klar strukturiert.
Auch, wenn ich nicht mehr dem Alter der Zielgruppe entspreche - in vielen Jugendbüchern kann ich mich gut in die Figuren hineinversetzen, fiebere mit ihnen, kann mich mit ihnen identifizieren. Das war hier nicht der Fall. Durch den Schreibstil (mehr dazu im Absatz zur Sprache) und die wenigen Einblicke in die Köpfe der Charaktere fehlte mir der Bezug. Ich litt nicht mit ihnen, ihr Schicksal war mir relativ egal. Es ließ mich leider ziemlich kalt, wenn ihnen schreckliche Dinge widerfuhren, einzelne von ihnen sogar starben, umgewandelt wurden oder verschwanden.
AUFBAU
Das Buch ist in unzählige sehr kurze Kapitel unterteilt, gelegentlich sogar nur zwei oder drei Seiten, selten 10 oder mehr. Überschrift ist jeweils der Name der agierenden Person (die Handlung wird erzählt aus verschiedenen Perspektiven) oder aber der beschriebenen Einrichtung, des vorgestellten Ortes. Durch die vielen Sprünge hatte ich das Gefühl, immer wieder herausgerissen zu werden aus dem Lesefluss, zwar gab es Cliffhanger, aber was nützt der schönste Cliffhanger, wenn ich auf den zwei Seiten zuvor nicht die Chance hatte, mich ausreichend in die Figur hineinzuversetzen, um den spannenden Moment wirklich mitzuempfinden.
Die Geschichte an sich ist sehr geradlinig und direkt, sie führt von A nach B. Gelegentlich verlieren sich die drei Jugendlichen und gehen willentlich oder gezwungen getrennte Wege, doch natürlich wird am Ende alles wieder zusammengeführt. Fast ein Roadmovie, bei dem die Kids imemr wieder auf der Flucht vor dem Staat auf Helfer treffen, die sie verstecken, aber auch auf Menschen, die sie verraten.
Es gibt keine Nebenhandlung, auch mit Überraschungen, Konflikten und Twists ist der Autor sehr sparsam. Konflikte werden sehr schnell erklärt, ungewöhnliche Ereignisse werden sofort aufgelöst.
SPRACHE
Die Handlung wird in der Gegenwart erzählt, eine klare und nüchterne, sachliche Sprache führt dazu, dass der Leser sich von den Figuren und der Geschichte distanziert. Es wird weniger dazu animiert, mitzufiebern, als einfach und klar eine Story erzählt, der Leser ist weniger in den Köpfen der Protagonisten als vielmehr lediglich der Zuschauer eines actionreichen Filmes. An sich nicht schlecht, denn es lässt sich schnell und flüssig lesen, man hat es zügig in einem Rutsch abgeschlossen. Doch das, was Bücher für mich von Filmen abhebt, das was die Faszination Lesen im Vergleich zum Filmsehen ausmacht, das fehlt hier. Für Lesemuffel, die einen Film nach dem anderen sehen und mal zum Lesen animiert werden sollen, ist das also wirklich perfekt, aber für geübte Leseratten, die sich etwas mehr versprechen, ist die Sprache zu einfach gehalten und kratzt zusehr an der Oberfläche.
Es gibt sehr viele Begriffe in der Zukunft, die dem Leser vom ersten Moment an inflationär entgegengeworfen werden: Klatscher, Storchen, Umwandeln, Zehntopfer, Wandler, JuPos und viele mehr. Das ist eine nette Idee, durch die man sich im ersten Moment auch wirklich in eine andere Welt / Zeit versetzt fühlt, doch da sich der fiktionale Charakter inhaltlich und sprachlich auf diese Elemente beschränkt, wirkt es eher aufgepropft und gewollt als Teil eines großen komplexen Ganzen.
Ein Beispiel für das Innenleben der Charaktere, auf das wenig eingegangen wird: "er schämte sich, doch er verspürte keinerlei Gewissensbisse". Das ist eine klare Beschreibung des Gefühls, doch dem Leser wird es zu knapp serviert. Gewissensbisse, Scham, das sind feste Begriffe, das ist erzählen statt zeigen, doch ich bin Fan von "Show, don´t tell", ich will es selbst erleben statt nur erzählt zu bekommen. Ich will lesen, wie ihm das Blut heiß in die Wangen schießt und er den Blick senkt. Aber wie er darauf wartet, dass sich der Magen zusammenkrampft und das Gewissen an ihm nagt, dies jedoch nicht passiert. So aber bleibt es für meinen Geschmack eine trockene Aneinanderreihung von Beschreibungen, wie er sich gerade fühlt.
THEMEN, UMSETZUNG
Die Themen des Buches sind wirklich gelungen, und immer wieder werden verschiedene Aspekte angeschnitten, die weitläufige Denkansätze bieten. Eine Szene gibt es, in der die Jugendlichen über Seele und Leben diskutieren, die ich sehr gelungen finde. Ansonsten allerdings werden die Themen eher nebenbei angeschnitten. Man kann nicht erwarten, dass der Autor Antworten hierauf gibt, das ist klar, doch all diese Dinge eher nur nebenbei zu streifen, das erweckt bei mir den Eindruck, als wolle da jemand möglichst intellektuell und philosophisch wirken, ohne jedoch einen tieferen Hintergrund zu bieten. Bauen wir Dinge ein wie Abtreibung, Kriminalität, Scheidung, Religiösen Wahn, Adoptionsrecht, Ehe zwischen Homosexuellen, Existenz von Seele, Organspende, die Schere Arm-Reich, ein bisschen Kritik am aktuellen Gesundheitssystem - und schwupps habe ich einen Bestseller, über den die Leute reden. Dazu vielleicht noch die Frage, ob Kriminalität angeboren ist oder in den Genen liegt, inwieweit das motorische Gedächtnis einen Teil der Seele beinhalten könnte und ob ein Mensch für die Verbrechen eines anderen bestraft werden kann, wenn dessen Seele bzw Körper ein Teil von ihm wurde.
Schade, schade, das verschenkte Potential dieses Buches ist enorm! Die Themen sind wichtig, und der Autor hat das Talent, fesselnd zu schreiben und Kids zu unterhalten. Er hätte sehr, sehr viel aus dieser Story machen können. Aber einfach nur alle Zutaten in einen Topf zu werfen macht leider keinen guten Eintopf, es braucht auch gute Gewürze und das "gewisse Etwas", sonst bleibt es einfach nur eine Mischung verschiedener Zutaten.
Was hier auch ein bisschen fehlt bei der Umsetzung, das ist die nähere Beschreibung der Zukunft. Wie beim Absatz Sprache schon angedeutet, ist die Welt eigentlich exakt die gleiche wie bei uns, wenn man von ein paar Gesetzen und Fachbegriffen absieht. Es scheint also eine Zukunft zu sein, die allzu weit nicht von unserer Gegenwart entfernt ist. Wie kommt es also, dass die Menschen ihr ethisches Verständnis so grundlegend verändert haben, dass Eltern bereit sind, ihre eigenen Kinder ab dem Alter von 13 quasi rückwirkend abtreiben zu lassen? Dass menschliches Leben so wenig wert ist, dass man lieber ein fremdes Körperteil transplantiert anstatt zu operieren und zu heilen? Es wird erklärt, aber die Gründe sind nicht schlüssig. Es erinnert mich an Salomos Urteil: "wenn beide das Baby wollen - dann werden wir es eben teilen" - das mag als alte Bibelgeschichte funktionieren, aber in VOLLENDET wurde das Baby quasi wirklich geteilt, um beiden Müttern etwas abzugeben, und es ist mir unbegreiflich, wie in wenigen Jahren von heute an auch nur ein einziger vernünftiger Mensch dieser Entscheidung zustimmen konnte. Ich hätte mit dieser Aussage leben können, wenn mehr Hintergründe geschildert worden wären, so jedoch ist es ein Buch, das viele Ideen verpulvert, ohne eine komplexe Geschichte dahinter zu bieten.
PERSÖNLICHE MEINUNG
Es tut mir leid, durchgehend so negativ über das Buch zu schreiben. Denn ich habe es sehr schnell und an sich auch angeregt gelesen. Die Gedanken dahinter, das hat mich sehr gereizt, ich habe mich auch nach der Lektüre intensiv mit dem Buch befasst, wie man dieser Rezension deutlich anmerkt. Und ich habe mich durchweg sehr gut unterhalten. Besonders für Lesemuffel halte ich es geeignet, ich kann mir vorstellen, dass es für Jugendliche eine gute Diskussionsgrundlage bietet, ohne ständig mit dem Zeigefinger zu wedeln. Die vielen positiven Rezensionen bei Amazon zeigen mir, dass das Buch bei der Zielgruppe wohl auch tatsächlich sehr gut ankommt. Nun, es ist wohl wirklich ein reiner Jugendroman, kein All-Ager, und allzu viel Tiefgang, Komplexität oder Hintergrund sollte man nicht erwarten. Ich finde allerdings, dass Jugendliche es verdient haben, mehr als nur oberflächliches Kratzen und rein straight handlungsorientierte Stories geboten zu bekommen.
Ich verstehe, warum so viele Leser positiv überrascht sind und das Buch lobend beschreiben. Und ich möchte auch niemandem den Lesespaß daran vergällen. Aber für mich selbst muss ich sagen, dass ich mir weit mehr von den Themen versprochen hatte. Das Buch ist für mich eine Ansammlung von verschenkten Möglichkeiten.
FAZIT
VOLLENDET ist ein dystopischer Jugendroman, der sich schnell und ohne Schwierigkeiten in einem Rutsch lesen lässt. Kurze Kapitel, eine einfache Sprache, in seiner einfach gestalteten Handlung auch sehr gut geeignet für Lesemuffel, die sich mit spannenden Themen auseinandersetzen möchten. Doch wer sich Tiefgang erhofft, wer mehr über die dargestellte Zukunft erfahren möchte, wer komplexe Charaktere liebt - wer findet, dass Bücher mehr sein sollten als actionreiche Drehbücher - der wird zwar gut unterhalten, ansonsten aber enttäuscht.
Wertung: 3 von 5 Haifisch-Tattoos
Diese Rezension ist Teil einer >Doppelrezension<. VOLLENDET hat sehr viele positive Bewertungen, und ich bin einer der wenigen harschen Kritiker. Aber dieses Buch verdient es, dass man darüber redet, es bietet sehr viel Stoff für Diskussionen. Deswegen also zwei Rezensionen, zwei Meinungen. Ich danke Anette vom Blog >KATZE MIT BUCH< für ihre Rezension.
AUTOR, BUCH
>Neal Shusterman< ist Autor von Jugendromanen, schreibt auch Drehbücher für Filme und Serien. VOLLENDET erschien als erster Teil einer mehrteiligen Reihe bereits 2007 in Amerika unter dem Titel UNWIND. Im deutschen Buch findet sich keinerlei Hinweis auf die Folgeromane. Ausnahmsweise bin ich darüber allerdings nicht verärgert, denn das Buch kann sehr gut für sich stehen und benötigt keine Fortsetzung.
INHALT
Connor, Risa und Lev sind drei grundverschiedene Jugendliche. Connor hat ständig Ärger am Hals. Risa lebt in einem Waisenhaus und ist talentierte Klaviersolistin. Lev lebt wohlbehütet in einer strenggläubigen Familie. Doch allen drei ist etwas gemeinsam: sie sollen umgewandelt werden. Das heißt: gemäß der Charta des Lebens, die nach dem Heartland-Krieg erlassen wurde, können ihre Eltern bzw Heimleiter bestimmen, dass sie als Organspender komplett verwertet werden. Denn schließlich sterben sie ja nicht - sie leben lediglich in vielen anderen Körpern weiter, so sagt man. Während Lev sein Leben lang als Zehntopfer auf diese Aufgabe vorbereitet wurde und nun mit Stolz seinen letzten Weg antritt, sind Connor und Risa natürlich gar nicht begeistert über die Art ihres geplanten Ablebens. Bei Connors Flucht kreuzen sich die Wege, die drei treffen aufeinander, ein wildes Szenario mit jeder Menge Action nimmt seinen Lauf.
CHARAKTERE
Die Charaktere werden nicht großartig vorgestellt, der Leser wird sofort in die Handlung geschmissen. Man kann es gutheißen, dass der Autor sich nicht mit Nebensächlichkeiten aufhält und gleich zum Wesentlichen kommt. Für mich selbst allerdings fehlt hier etwas, denn ich hätte schon gerne gewusst, welchen Ärger Connor seinen Eltern immer wieder machte, auf mich wirkt er im Buch nicht wesentlich schwieriger oder aufmüpfiger als jeder andere typische Jugendliche. Auch später wird nur wenig auf die Charaktere eingegangen. Besonders Lev, der im zweiten Band (noch nicht auf Deutsch erschienen) eine wichtige Rolle einnimmt, erlebt eine drastische Wandlung in seinem Denken und Handeln. Es ist zwar ersichtlich aus den Ereignissen, wird allerdings niemals erwähnt oder geschildert, es ist eben einfach so, plötzlich ist er anders. Charakterentwicklung ist etwas, worauf ich großen Wert lege, und das wurde hier bei allen Figuren leider unterschlagen. In einem Film wäre es okay, als Drehbuch wäre VOLLENDET hervorragend geeignet, in einem Buch wünsche ich mir allerdings intensiveren Einblick in die Köpfe der Hauptrollen.
Die Nebencharaktere (von denen es sehr viele gibt) werden lediglich am Rande gestreift, nehmen vom ersten Moment an sofort ihre Rolle als Good oder Bad Guy ein und sorgen nicht für Überraschungen. Sie sind sehr klar strukturiert.
Auch, wenn ich nicht mehr dem Alter der Zielgruppe entspreche - in vielen Jugendbüchern kann ich mich gut in die Figuren hineinversetzen, fiebere mit ihnen, kann mich mit ihnen identifizieren. Das war hier nicht der Fall. Durch den Schreibstil (mehr dazu im Absatz zur Sprache) und die wenigen Einblicke in die Köpfe der Charaktere fehlte mir der Bezug. Ich litt nicht mit ihnen, ihr Schicksal war mir relativ egal. Es ließ mich leider ziemlich kalt, wenn ihnen schreckliche Dinge widerfuhren, einzelne von ihnen sogar starben, umgewandelt wurden oder verschwanden.
AUFBAU
Das Buch ist in unzählige sehr kurze Kapitel unterteilt, gelegentlich sogar nur zwei oder drei Seiten, selten 10 oder mehr. Überschrift ist jeweils der Name der agierenden Person (die Handlung wird erzählt aus verschiedenen Perspektiven) oder aber der beschriebenen Einrichtung, des vorgestellten Ortes. Durch die vielen Sprünge hatte ich das Gefühl, immer wieder herausgerissen zu werden aus dem Lesefluss, zwar gab es Cliffhanger, aber was nützt der schönste Cliffhanger, wenn ich auf den zwei Seiten zuvor nicht die Chance hatte, mich ausreichend in die Figur hineinzuversetzen, um den spannenden Moment wirklich mitzuempfinden.
Die Geschichte an sich ist sehr geradlinig und direkt, sie führt von A nach B. Gelegentlich verlieren sich die drei Jugendlichen und gehen willentlich oder gezwungen getrennte Wege, doch natürlich wird am Ende alles wieder zusammengeführt. Fast ein Roadmovie, bei dem die Kids imemr wieder auf der Flucht vor dem Staat auf Helfer treffen, die sie verstecken, aber auch auf Menschen, die sie verraten.
Es gibt keine Nebenhandlung, auch mit Überraschungen, Konflikten und Twists ist der Autor sehr sparsam. Konflikte werden sehr schnell erklärt, ungewöhnliche Ereignisse werden sofort aufgelöst.
SPRACHE
Die Handlung wird in der Gegenwart erzählt, eine klare und nüchterne, sachliche Sprache führt dazu, dass der Leser sich von den Figuren und der Geschichte distanziert. Es wird weniger dazu animiert, mitzufiebern, als einfach und klar eine Story erzählt, der Leser ist weniger in den Köpfen der Protagonisten als vielmehr lediglich der Zuschauer eines actionreichen Filmes. An sich nicht schlecht, denn es lässt sich schnell und flüssig lesen, man hat es zügig in einem Rutsch abgeschlossen. Doch das, was Bücher für mich von Filmen abhebt, das was die Faszination Lesen im Vergleich zum Filmsehen ausmacht, das fehlt hier. Für Lesemuffel, die einen Film nach dem anderen sehen und mal zum Lesen animiert werden sollen, ist das also wirklich perfekt, aber für geübte Leseratten, die sich etwas mehr versprechen, ist die Sprache zu einfach gehalten und kratzt zusehr an der Oberfläche.
Es gibt sehr viele Begriffe in der Zukunft, die dem Leser vom ersten Moment an inflationär entgegengeworfen werden: Klatscher, Storchen, Umwandeln, Zehntopfer, Wandler, JuPos und viele mehr. Das ist eine nette Idee, durch die man sich im ersten Moment auch wirklich in eine andere Welt / Zeit versetzt fühlt, doch da sich der fiktionale Charakter inhaltlich und sprachlich auf diese Elemente beschränkt, wirkt es eher aufgepropft und gewollt als Teil eines großen komplexen Ganzen.
Ein Beispiel für das Innenleben der Charaktere, auf das wenig eingegangen wird: "er schämte sich, doch er verspürte keinerlei Gewissensbisse". Das ist eine klare Beschreibung des Gefühls, doch dem Leser wird es zu knapp serviert. Gewissensbisse, Scham, das sind feste Begriffe, das ist erzählen statt zeigen, doch ich bin Fan von "Show, don´t tell", ich will es selbst erleben statt nur erzählt zu bekommen. Ich will lesen, wie ihm das Blut heiß in die Wangen schießt und er den Blick senkt. Aber wie er darauf wartet, dass sich der Magen zusammenkrampft und das Gewissen an ihm nagt, dies jedoch nicht passiert. So aber bleibt es für meinen Geschmack eine trockene Aneinanderreihung von Beschreibungen, wie er sich gerade fühlt.
THEMEN, UMSETZUNG
Die Themen des Buches sind wirklich gelungen, und immer wieder werden verschiedene Aspekte angeschnitten, die weitläufige Denkansätze bieten. Eine Szene gibt es, in der die Jugendlichen über Seele und Leben diskutieren, die ich sehr gelungen finde. Ansonsten allerdings werden die Themen eher nebenbei angeschnitten. Man kann nicht erwarten, dass der Autor Antworten hierauf gibt, das ist klar, doch all diese Dinge eher nur nebenbei zu streifen, das erweckt bei mir den Eindruck, als wolle da jemand möglichst intellektuell und philosophisch wirken, ohne jedoch einen tieferen Hintergrund zu bieten. Bauen wir Dinge ein wie Abtreibung, Kriminalität, Scheidung, Religiösen Wahn, Adoptionsrecht, Ehe zwischen Homosexuellen, Existenz von Seele, Organspende, die Schere Arm-Reich, ein bisschen Kritik am aktuellen Gesundheitssystem - und schwupps habe ich einen Bestseller, über den die Leute reden. Dazu vielleicht noch die Frage, ob Kriminalität angeboren ist oder in den Genen liegt, inwieweit das motorische Gedächtnis einen Teil der Seele beinhalten könnte und ob ein Mensch für die Verbrechen eines anderen bestraft werden kann, wenn dessen Seele bzw Körper ein Teil von ihm wurde.
Schade, schade, das verschenkte Potential dieses Buches ist enorm! Die Themen sind wichtig, und der Autor hat das Talent, fesselnd zu schreiben und Kids zu unterhalten. Er hätte sehr, sehr viel aus dieser Story machen können. Aber einfach nur alle Zutaten in einen Topf zu werfen macht leider keinen guten Eintopf, es braucht auch gute Gewürze und das "gewisse Etwas", sonst bleibt es einfach nur eine Mischung verschiedener Zutaten.
Was hier auch ein bisschen fehlt bei der Umsetzung, das ist die nähere Beschreibung der Zukunft. Wie beim Absatz Sprache schon angedeutet, ist die Welt eigentlich exakt die gleiche wie bei uns, wenn man von ein paar Gesetzen und Fachbegriffen absieht. Es scheint also eine Zukunft zu sein, die allzu weit nicht von unserer Gegenwart entfernt ist. Wie kommt es also, dass die Menschen ihr ethisches Verständnis so grundlegend verändert haben, dass Eltern bereit sind, ihre eigenen Kinder ab dem Alter von 13 quasi rückwirkend abtreiben zu lassen? Dass menschliches Leben so wenig wert ist, dass man lieber ein fremdes Körperteil transplantiert anstatt zu operieren und zu heilen? Es wird erklärt, aber die Gründe sind nicht schlüssig. Es erinnert mich an Salomos Urteil: "wenn beide das Baby wollen - dann werden wir es eben teilen" - das mag als alte Bibelgeschichte funktionieren, aber in VOLLENDET wurde das Baby quasi wirklich geteilt, um beiden Müttern etwas abzugeben, und es ist mir unbegreiflich, wie in wenigen Jahren von heute an auch nur ein einziger vernünftiger Mensch dieser Entscheidung zustimmen konnte. Ich hätte mit dieser Aussage leben können, wenn mehr Hintergründe geschildert worden wären, so jedoch ist es ein Buch, das viele Ideen verpulvert, ohne eine komplexe Geschichte dahinter zu bieten.
PERSÖNLICHE MEINUNG
Es tut mir leid, durchgehend so negativ über das Buch zu schreiben. Denn ich habe es sehr schnell und an sich auch angeregt gelesen. Die Gedanken dahinter, das hat mich sehr gereizt, ich habe mich auch nach der Lektüre intensiv mit dem Buch befasst, wie man dieser Rezension deutlich anmerkt. Und ich habe mich durchweg sehr gut unterhalten. Besonders für Lesemuffel halte ich es geeignet, ich kann mir vorstellen, dass es für Jugendliche eine gute Diskussionsgrundlage bietet, ohne ständig mit dem Zeigefinger zu wedeln. Die vielen positiven Rezensionen bei Amazon zeigen mir, dass das Buch bei der Zielgruppe wohl auch tatsächlich sehr gut ankommt. Nun, es ist wohl wirklich ein reiner Jugendroman, kein All-Ager, und allzu viel Tiefgang, Komplexität oder Hintergrund sollte man nicht erwarten. Ich finde allerdings, dass Jugendliche es verdient haben, mehr als nur oberflächliches Kratzen und rein straight handlungsorientierte Stories geboten zu bekommen.
Ich verstehe, warum so viele Leser positiv überrascht sind und das Buch lobend beschreiben. Und ich möchte auch niemandem den Lesespaß daran vergällen. Aber für mich selbst muss ich sagen, dass ich mir weit mehr von den Themen versprochen hatte. Das Buch ist für mich eine Ansammlung von verschenkten Möglichkeiten.
FAZIT
VOLLENDET ist ein dystopischer Jugendroman, der sich schnell und ohne Schwierigkeiten in einem Rutsch lesen lässt. Kurze Kapitel, eine einfache Sprache, in seiner einfach gestalteten Handlung auch sehr gut geeignet für Lesemuffel, die sich mit spannenden Themen auseinandersetzen möchten. Doch wer sich Tiefgang erhofft, wer mehr über die dargestellte Zukunft erfahren möchte, wer komplexe Charaktere liebt - wer findet, dass Bücher mehr sein sollten als actionreiche Drehbücher - der wird zwar gut unterhalten, ansonsten aber enttäuscht.
Wertung: 3 von 5 Haifisch-Tattoos
SaschaSalamander 21.08.2012, 09.20
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vom 04.05.2013, 18.04