SaschaSalamander

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Silberlicht

whitcomb_silberlicht_1.jpgHelen lebt seit vielen Jahren bzw Generationen als Lichtwesen. An die Zeit vor ihrem Tod kann sie sich nicht mehr erinnern, und nun begleitet sie als selbsternannte Muse ihre "Bewahrer", die von ihr auserwählten Menschen, welche sie begleitet. Und dann eines Tages wird sie gesehen, gleich im ersten Satz des Buches. Der Körper gehört Billy, doch in ihm steckt James, ein Lichtwesen wie Helen. Nicht mehr alleine in ihrer Einsamkeit, verlieben sich die beiden ineinander, und bald wünschen sie mehr. Sie suchen einen Körper für Helen, um sich nahesein zu können.

Es fällt mir schwer, eine Beschreibung für das Buch zu schreiben. Denn mit diesem Text oben habe ich bereits die Hälfte des Buches beschrieben, für meinen Geschmack zuviel, doch in der ersten Hälfte passiert fast gar nichts. Andererseits müsste ich sehr viel mehr erzählen, um eine Andeutung der Richtung zu geben, aber selbst damit wäre nicht gedient.

Ich stehe diesem Buch sehr ambivalent gegenüber. Ja, ich weiß, es wird von vielen Leuten gelobt, und es hat auch sehr viele Preise gewonnen. Ja, es war nicht schlecht. Aber so wirklich überzeugen konnte es mich trotzdem nicht, dazu gab es mir zu viele Ungereimtheiten und Unsauberkeiten.

Dem Cover kann man nicht viel entnehmen. Es sieht hübsch aus, aber es ist eines der momentan topaktuellen Gesichter mit Blumen oder Ranken. Dafür finde ich das Format klasse. Es ist nicht wirklich ein gebundenes Taschenbuch, auch kein Softcover, dafür ist es zu stabil. Aber es ist auch kein Hardcover, dafür ist es zu handlich und leicht. In diesem Format könnte man von mir aus alle Bücher veröffentlichen, ich wäre begeistert. Stabiler und hübscher als ein Taschenbuch,  handlicher und praktischer als Hardcover, aber ein ebensolches Schmuckstück im Regal.

Was mir gefällt: die Geschichte ist neuartig und sehr schön erdacht. Gut, dass fremde Seelen einen Körper bewohnen, gibt es häufiger, aber die Umsetzung mit der Lichtgestalt, den lebenden und doch leeren Körpern, das ist neu und spannend. Auch ist es nett umgesetzt, wie die beiden Wesen zueinanderfinden und sich später als Menschen näherkommen, versuchen die Leben der Vorbesitzer ihrer Körper zu leben.

Ebenfalls sehr gelungen ist die Sprache. Sie mag etwas altmodisch anmuten. Gut, Helen ist schon sehr lange tot, trotzdem denke ich, dass durch die Beobachtung ihrer Bewahrer (sie bekommt ja alles mit, nur dass ihr eben der Körper fehlt) eigentlich normal sprechen und handeln müsste, zumal sie sich an das Vorleben nicht mehr erinnert. Aber gut, die Sprache passt zu dem Buch und den Charakteren, und ich fand sie sehr angenehm. Es muss nicht immer urbaner Jugendslang sein, und ich habe die Worte sehr genossen.

Aber hier setzen auch einige Probleme an: abgesehen von der Sprache hätte Helen meiner Ansicht nach noch mehr Dinge mitnehmen können. Sie hatte sehr viel Zeit zu beobachten und innerlich zu reifen. Dennoch benimmt sie sich sehr oft wie ein kleines Kind (für meinen Geschmack sogar schon etwas zu weinerlich. Starke Frauen scheinen nichts in der gegenwärtigen Jugendliteratur verloren zu haben, habe ich immer mehr den Eindruck) und weiß viele Dinge nicht, die eigentlich offensichtlich sein müssten, wenn sie die Menschen zuvor beobachtet hätte. Schriftsteller und Poeten hin oder her, werden auch diese ein normales Leben geführt haben, vor allem ihr letzter aktueller Bewahrer, Mr. Brown. Und doch tut sie Dinge, die ich absolut nicht nachvollziehen kann. Sie beschwört ein großes Chaos herauf, das nicht nötig wäre, wenn Helen ein wenig mitdenken würde. Ein Teenager hätte so gehandelt, doch eine alte Lichtgestalt wie Helen mit der Erfahrung und Weisheit mehrere Leben?

Probleme hatte ich auch etwas mit dem Spannungsbogen. Ich brauche keine Action, und ich brauche auch keinen stringenten Storyverlauf. Trotzdem habe ich dieses Buch gelesen ohne jegliche Ahnung, worum es geht und worauf es hinausläuft. Und bis fast zur letzten Seite habe ich gewartet, dass sich mir das Buch erschließt, aber es kam nichts. Es gibt mehrere wichtigen Eckpunkte, aber mir fehlt das Ziel, das Ergebnis. Das kommt dann auf den letzten beiden Seiten und wirkt für mich eher nach einem abrupten Ende denn nach der Idee, auf welche ein Buch normalerweise hinarbeitet. Mir fehlten die Fäden, die am Ende zusammenliefen.

Es geht um Themen wie Drogenmissbrauch, übereifrige Religionsfanatiker, häusliche Gewalt, die Schere zwischen den einzelnen gesellschaftlichen Schichten, übertragbare Geschlechtskrankheiten, Missbrauch, die Frage nach Himmel und Hölle, die Frage nach dem Warum des Lebens und des Sterbens, die Frage des Machtmissbrauches, Ehebruch, Vergewaltigung, Verdacht der Verführung Minderjähriger, das Leben nach dem Tod. Eine riesige Palette, aber nicht eine einzige dieser Fragen wird beantwortet, viele der Themen nur marginal angerissen. Es gibt ein englisches Sprichwort: "don´t bite more than you can chew". Man solle nicht mehr abbeißen als man kauen könne. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass die Autoren ein bisschen zuviel abgebissen hat, weniger wäre mehr gewesen.

Das Buch ist nett, und ich kann es auf jeden Fall empfehlen. Es ist sehr schön geschrieben, und ich kann die Preise teilweise nachvollziehen. Die Handlung ist etwas Neues, und die Zeit während des Lesens vergeht wie im Flug. Für mich fehlt trotzdem das gewisse Etwas, das es zu etwas Besonderem macht. Es hätte sehr viel mehr Potential gehabt, das leider nicht genutzt wurde. Normalerweise stören mich Serienhype und der Wahn, dass alle Titel immer dicker werden müssen (als gäbe es einen Wettbewerb unter den Autoren, wer das dickste und längste Buch schreibt), aber in diesem Fall wäre mindestens die doppelte Menge angebracht gewesen. Es wurden zu viele Möglichkeiten verschenkt. Schade, denn im Grunde halte ich es für ein wunderschönes Buch und empfehle es gerne weiter ...

SaschaSalamander 27.04.2011, 17.32

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Kommentare zu diesem Beitrag

3. von Soleil

"Gestehen" ist so eine Redewendung von mir. Sollte ich mir langsam mal abgewöhnen *g*
Wenn ich nicht irre, dann gibt es doch mehrere Geister auf Erden oder? Sie ist nicht allein?
Ich kann Dir Seelenhüter empfehlen, düster ist es und Romantik gibt es kaum. Beklemmende Atmosphäre dafür umso mehr. *brr*

vom 02.05.2011, 15.07
Antwort von SaschaSalamander:

ist halt missverständlich, aber ist ja okay :-)

ja, es gibt mehr Geister, wobei das eher "Geister" sind, während sie sich selbst als Licht bezeichnet und eher etwas anderes ist, es scheint also verschiedene Stufungen und Schattierungen zu geben (die Geister wie sie an Personen gebunden, dann die an Orte gebundenen, die frei herumschwirrenden Seelen wie Billy oder das Mädchen später, dann die "Dunklen" über die man gar nichts erfährt. Es gibt also schon mehrere, aber diese sind sehr unterschiedlich, exakt so wie sie scheint es eher wenige zu geben) ... eigentlich eine sehr komplexe Welt, die ich äußerst faszinierend finde, die man so schön noch hätte ausführen können ...

Ich hab mir das Buch notiert, danke :-)

2. von Soleil

Ich muss gestehen, dass ich das Buch super fand. Zwar war mir das Ende ein wenig gestaucht (ich habe es allerdings nicht mehr richtig im Kopf), aber der Rest war super geschrieben und sehr atmosphärisch dicht, was zu viel Emotionalität geführt hat.
Verwirrt war ich in der Rezi von den Ansätzen, die Du nicht zuende geführt gesehen hast. Welche denn? *am Kopf kratz* Ich wüsste nicht, wo man da noch etwas länger machen sollte, denn es ist genau das gesagt worden, was hin musste. (Außer vielleicht ganz am Ende.)
Aber so scheiden die Geister ;-)
Übrigens ist Seelenhüter keine wie auch immer geartete Fortsetzung. Ich habe es kürzlich zuende gelesen und es hat mit dieser Geschichte absolut nichts zu tun, spielt sogar in einer anderen historischen Zeit. Ist auch recht düster, wenn Dir das nicht liegt, greif lieber nicht dazu. :book:

vom 27.04.2011, 19.46
Antwort von SaschaSalamander:

Wieso "gestehen"? Ist doch okay, wenn es Dir gefällt ;-)

Nun ja, nicht zu Ende geführte Ansätze. Ich möchte ungern spoilern für die, die es noch nicht kennen, daher ist es schwer, darauf zu antworten. Aber es trifft einen Großteil der Themen, die ich angeschnitten habe (übertragbare Krankheiten, häusliche Gewalt, Leben nach dem Tod usw).

Man kann nicht auf alles eine Antwort geben, aber gerade, weil die Autorin so ein schönes Thema verwendet hat, hätte ich es nett gefunden, wenn sie einige Dinge etwas konkreter gewebt hätte (warum konnte Helen nicht "in den Himmel"? Warum gibt es nur einen wie sie? Warum kann sie sich nicht räumlich von ihrem Bewahrer trennen? Was hat es mit den dunklen Wesen auf sich, die einen fremden Körper besetzen? Wo sind die Seelen in der Zwischenzeit, wenn die Körper leer sind? Wie ging es weiter mit Mr Brown und der Anklage?). Man kann ohne diese Antworten leben, aber ich hätte es hübsch gefunden, mehr zu erfahren über diese eigene Welt und die liebgewonnenen Personen (vor allem Mr Brown mochte ich sehr) ... aber, wie gesagt: ich kann verstehen, wenn das jemand nicht braucht, denn das Buch spricht für sich und bezaubert.

Hm, über Seelenhüter kann ich im Vergleich nichts sagen, kenne es ja noch nicht.
Aber düster ist für mich nun absolut kein Problem, im Gegenteil *lol*. Momentan lese ich etwas softere Sachen, weil ich mal wieder etwas Abwechslung möchte und mal ein bisschen Seelenfutter brauche. Doch an sich ist mein Bereich die Dark Fantasy, die Urban Fantasy, die Hardcore-Erotik ... ich mag es verrucht, düster und gefährlich ;-)

1. von Elena

Schöne Rezension, eine längere und detailliertere Version der meinen :) Übrigens gibt es eine Art "Fortsetzung": "Seelenhüter" ist vor kurzen erschienen. Reizt mich persönlich aber jetzt nicht so.

Ich blogge auch manchmal vor, denn wie du schon richtig sagst: Fünf Rezensionen an einen Tag und dann eine Woche keine wäre etwas blöd. Aber oft feile ich dann in der Wartezeit noch ein paar Mal gemütlich an den Rezensionen und so ist die Zeit gut angelegt. Die Rezensionsflut wird wohl die Tage etwas abnehmen wieder bei mir, muss erts einmal wieder was zum verarbeiten lesen... :)

vom 27.04.2011, 18.11
Antwort von SaschaSalamander:

Ja, die Rezi ist etwas länger, es fällt mir immer schwer, mich kurzzufassen, nachdem ich so viele Gedanken zu einem Buch hatte *g*

Danke für den Hinweis auf Seelenhüter, das wusste ich nicht. Nun, es wird wohl auch nicht auf meiner "jetzt sofort" - Liste stehen, aber falls es mir über den Weg läuft (Leihgabe, Tauschticket, Flohmarkt) greife ich zu ...

ja, das stimmt, oft feilt man an Rezis. Gerade Bücher, die mich länger beschäftigen, da lese ich später noch Rezensionen dazu, sehe mir vielleicht Videos an, hole weitere Informationen. Da möchte ich dann noch etwas ergänzen. Oder ich entdecke Tippfehler und verbessere das noch flink.

Und dann ist es so, dass ich natürlich lieber aktuelle Sachen poste, und die weniger bekannten Sachen oder die "alten Schinken" schiebe ich zwischendurch dazwischen, wenn ich mal nicht zum Schreiben komme oder gerade keine aktuelle Rezension bereitliegt ...

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