SaschaSalamander

Ausgewählter Beitrag

Schreibstilratgeber II

strecker_ratgeberII_1_1.jpgERSTER VS ZWEITER BAND

Nachdem der >erste Band< mich bereits sosehr begeisterte, sind Teil II und Teil III natürlich Pflichtprogramm. Ich habe die Reihe inzwischen vielen Freunden und Bekannten empfohlen. Und ich blättere selbst sehr viel darin: schlage nach, frische auf, überarbeite und genieße.

Der erste Band war vor allem eine Gegenüberstellung eines falschen und eines korrigierten Textes. Der zweite Band arbeitet dafür häufiger mit Tabellen und Listen, auch Mindmaps sind zur Veranschaulichung eingebaut. Maria und Josef, die man im ersten Band genauer kennenlernte, tauchen hier nur noch in Beispielsätzen auf, nicht mehr in kompletten Passagen, die entsprechenden Textblöcke gibt es hier nicht mehr, ich habe sie ein wenig vermisst.


INHALT

Die Gewichtung liegt im zweiten Band auf folgenden Themen:
- Erzählperspektive (Innen und Außen, auktorial, personal, neutral etc)
- Zusammen- und Getrenntschreibung
- "falsche Bruder" (ähnliche Wörter mit unterschiedlicher Bedeutung)

Kleinere aber nicht minder wichtige Themen sind die richtige Beschreibung von Farbadjektiven und Wochentagen. Am Ende des Buches folgt eine "Manuskript - Kernspintomographie", wobei Texte von angehenden Jungautoren überarbeitet und analysiert werden. Learning by Doing, man kann der Lektorin auf diese Weise über die Schulter sehen.


ART DER DARSTELLUNG, BEISPIELE

Die Beispiele sind alle sehr anschaulich und nachvollziehbar. Um nicht nur trockene Theorie zu bringen, führen die Autorinnen Susanne Strecker und Stephanie Bösel zahlreiche Beispiele aus moderner und klassischer Literatur an. Was mir hierbei besonders gefällt: es wird kein Genre bevorzugt, sondern alles ist vertreten, von Romantik über Horror, Kinderbücher, Historienromane, Thriller, Krimis und klassische Literatur, ja sogar Erotik, Romance und Dark Fantasy. Besonders interessant wird es für den Leser, wenn Beispiele verwendet werden, die aus dem Lesealltag bekannt sind: Andreas Fitzek, Jussi Adler-Olsen, Simon Beckett, Patrick Süßkind, Stephen King, John Saul, Eoin Colfer, Iny Lorentz, Cecilia Ahern, Nora Roberts, Barbara Wood, Henning Mankell, Hans Christian Andersen, Merlene Haushofer, Terry Pratchett, Nina Jansen, J R Ward, die Liste könnte noch lange fortgeführt werden. Dadurch zeigen die Autorinnen vor allem, dass sie nicht auf althergebrachten, trockenen Regeln herumreiten, sondern Sprache etwas Modernes und Spannendes sein kann. Manch ein Deutschlehrer könnte sich ein paar Scheibachen davon abschneiden ;-)

Der Leser stößt auf viele Beispiele, die ihm bereits bekannt sind. Gerade bei den falschen Freunden konnte ich einige Dinge finden, die ich schon häufig bei anderen Schreiberlingen bemängelte oder bei denen ich selbst kurz überlegen muss. So muss ich doch grinsen, wenn mir jemand von einem ökonomischen Gottesdienst erzählt oder ein Kind von den Eltern adaptiert wird. Von der Intension einer Rezession natürlich ganz zu schweigen *grusel*. Wenn sich die Zeitform ändert, wird es für manchen kompliziert: wurde der Stein geschleift oder geschliffen? Wann sind es "Worte", wann nennt man diese Anhäufung "Wörter"? Hat schon einmal jemand einen Café in einem Kaffee getrunken? Und kann eine Reflexion eine Reflektion erzeugen?

Farben, das klingt nach einem Thema, das keiner Erklärung bedarf. Sollte man meinen. Aber mal ehrlich: wie ist das Adjektiv zu "orange"? Oranges - orangenes? Oder zu "lila"? Lila - lilanes? Was ist mit speziellen Farben wie khaki, creme, aubergine, ocker?

Bei den Sichtweisen der Erzählung gibt es sehr viel zu erklären. Es scheint einfach: immer nur beschreiben, was jemand tut, und schon erzählt man aus dessen Sicht. Falsch gedacht! Denn ein falsches Adjektiv kann bereits eine Wertung von außen sein, sodass die Erzählweise geändert wird. Eine kurze Unaufmerksamkeit des Autors, und schwupps muss der Lektor bereits zum Rotstift greifen. Um dem Lektor Arbeit zu sparen und dem frischgebackenen Autor den Frust allzuvieler Fehler zu ersparen, werden die wichtigsten Merkmale und häufigsten Fehler bei der Erzählperspektive genannt.

Von einem guten Freund bekam ich zu hören: "ich lese es schon zum zweiten Mail, ein besseres Buch habe ich zu diesem Thema noch nicht gelesen. Die Autorin erklärt nicht zum tausendsten Mal, wie man Charaktere entwickelt, sondern sie geht wirklich nur auf das Schreiben selbst ein. Genial! Jetzt muss ich es nur noch umsetzen."

Eine Bekannte dagegen merkte frustriert an, dass es ihr zuviel um Schreibweisen und falsche Brüder ginge. Nun ja, dazu kann ich nur sagen: "Augen auf beim Bücherkauf". Denn dieses Thema wird auf Klappentext und Cover hervorgehoben. Es ist kein Buch für Sprachwissenschaftler, Deutschlehrer oder Lektoren. Sondern es ist ein Buch für Hobbyautoren und Hobbylektoren, die sich gerne ihr Wissen auffrischen möchten. Es macht Mut zum Schreiben und vermittelt Freude an der Arbeit.


EIGENE MEINUNG

Kein Drama, nur ein kleines Problem, das mich manchmal ein wenig irritiert: der Beispieltext ist im Gegensatz zum ersten Band weniger gut hervorgehoben. Im zweiten Band ist der Text leicht grau unterlegt. Bei ungünstigem Lichteinfall oder flinkem Überfliegen ist dies nicht sofort ersichtlich, sodass es ein klein wenig unübersichtlich sein kann, wenn man sehr optisch orientiert ist. Nachdem ich das erkannt habe, fällt es mir leichter, zu Beginn hat es mich gelegentlich doch irritiert.

Ansonsten finde ich das Buch im Aufbau und Stil sehr gelungen. Die Beispiele sind verständlich. Die leider notwendige Theorie ist sachlich aber verständlich erklärt, und die Beispiele sind eine gute Auflockerung. Oft habe ich mich bei Dingen ertappt, die mir selbst schwer fielen / schwerfielen *g* oder noch immer ein Problem für mich darstellen. Und ebenso oft fand ich Dinge, über die ich immer wieder bei anderen stolpere. Ja, die Fehlerquellen sind aus dem Alltag gegriffen, das merkt man ;-)


FAZIT

Für begeisterte Schreiberlinge und angehende Lektoren sehr interessant und unterhaltsam zu lesen. Die Theorie wird sehr gut vermittelt. Wer viel mit Texten arbeitet, kommt an diesem Titel kaum vorbei ...

SaschaSalamander 21.11.2011, 08.52

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