SaschaSalamander

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Schneewittchen muss sterben

neuhaus_schneewittchen_1.jpgTobias Sartorius wird nach über zehn Jahren aus der Haft entlassen. Man warf ihm vor, zwei Mädchen getötet zu haben. Der Prozess beruhte auf reinen Indizien, der Fall schien klar, doch Tobias leugnete. Aber er kann sich nicht erinnern, was damals passiert ist. Nun also wird er entlassen, und er kehrt zurück zu seiner Familie. Und muss feststellen, dass er alles verloren hat: seine Eltern sind geschieden, der Hof und das Restaurant des Vaters mussten verkauft werden, und alle im Dorf sind gegen ihn, denn auch wenn er seine Schuld bereits verbüßt hat, wird er weiterhin als Mörder behandelt. Als nun auch eine junge Frau verschwindet, welche dem vermissten Opfer von damals aufs Haar gleicht, beginnt eine grausame Hexenjagd. Und wieder hat Tobias kein Alibi und kann sich auch nicht erinnern, was er zum Tatzeitpunkt getan hat ...

SCHNEEWITTCHEN MUSS STERBEN war nun also mein erster Roman von Nele Neuhaus. Man kam ja quasi gar nicht an dem Buch vorbei, überall prangte das Cover, ob im Internet oder in den Buchläden, ob durch Empfehlungen von Freunden. Also gut, ich habe es gelesen. Und ich war recht angetan, habe es sehr schnell beendet und die anderen parallelen Titel in der Zwischenzeit liegenlassen.

Zugegeben ist es anfangs schon recht verwirrend mit all den Personen, die vorgestellt werden. Der Leser lernt nicht nur Tobias Familie und Freunde kennen, sondern er wird auch gleich in die komplette Dorfgemeinschaft eingeführt, und die ist nicht gerade klein. Da muss man anfangs schon recht aufmerksam lesen, wenn man den Überblick behalten möchte. Wäre es einfach nur ein stilistisches Mittel, wäre dies für mich sogar fast schon ein Kritikpunkt, weil es recht bald unübersichtlich wird. Da jedoch alle in die Handlung des Romans verknüpft sind und jeder auf seine Weise einen bedeutenden Beitrag zum Fortgang der Geschichte liefert, finde ich es dagegen gekonnt umgesetzt. Durch die vielen Personen erhält der Roman sehr viel Dichte, es gibt sehr viele verstrickte Zusammenhänge, und es ist während des Lesens immer wieder ein tolles Aha-Erlebnis, wenn man langsam zu verstehen glaubt, was damals passiert sein könnte. Und dann wieder eine Wende, ein neuer Hinweis, und alles wandelt sich, drängt in eine neue Richtung, nur noch dieses eine Kapitel, dann habe ich Klarheit, kann das Buch weglegen und erst morgen weiterlesen, oh nein doch nicht, ein neuer Cliffhanger, dieses eine Kapitel noch, ...

und so geht es nonstop, das Buch ist weder actionreich noch hektisch, und doch wird dem Leser kaum Zeit gelassen zum Durchatmen, schon geht es wieder weiter, noch spannender als im Kapitel zuvor. Ich denke, allzu lange darf man den Roman nicht liegenlassen, nicht auf zu viele Tage verteilen (falls man mehrere Bücher zugleich liest), denn sonst wird es unübersichtlich. Es ist ein Buch, das man möglichst zügig lesen sollte, um nicht den Faden zu verlieren.

Das Hörbuch ist stark gekürzt, zum Glück habe ich das Buch gelesen. Ich kann nicht beurteilen, wie stark das Hörbuch gekürzt ist, aber in diesem Fall haben alle Figuren und Aktionen ihren Sinn und führen die Handlung hin zum Showdown. Etwas auszulassen würde bedeuten, das Gesamtbild um wichtige Details zu kürzen und möglicherweise das Verständnis zu erschweren. Hier rate ich also dazu, unbedingt das Buch zur Hand zu nehmen und die Finger von den CDs zu lassen.

Die Charaktere sind sehr realistisch beschrieben, deren Leben wirkt nicht künstlich konstruiert, sondern lebensnah und echt. Manche Autoren lassen ihre Protagonisten zu tragischen Helden werden, die alle nur erdenklichen Makel haben und Schicksale erleiden. Das Polizistenteam, der junge Strafentlassene, seine Familie, seine Freundin, sie alle wirken dagegen nicht überladen, sondern ganz natürlich. Als wären sie der Nachbarschaft entsprungen und realen Personen nachempfunden. Dadurch gelingt es sehr leicht, tief in den Roman einzutauchen und sich zu fühlen, als wäre man mittendrin, als würde man die Leute persönlich kennen.

Ach ja: es ist ein Regionalkrimi (scheinen aktuell ganz groß im Kommen, inzwischen wird man damit ja regelrecht überhäuft) aus dem Taunus. Da ich diese Region nicht kenne, kann ich diesen Aspekt natürlich nicht beurteilen. Auf jeden Fall finde ich es gut, dass der Roman auch ohne diesen Aspekt sehr gut lesbar ist und man nicht mit Lokalkolorit überrannt wird aber dennoch nette Einblicke erhält.

Fans deutscher Krimis, die Nele Neuhaus noch nicht kennen, sollten auf jeden Fall zugreifen und sich von ihr mitreißen lassen. Ich selbst jedenfalls bin mir sicher, dass dies nicht mein letzter Roman von ihr war und halte bereits Ausschau, welchen davon ich als nächstes zu mir nehmen sollte.

SaschaSalamander 17.02.2011, 09.21

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von Heike

Ich wusste nie etwas mit diesem Buch anzufangen, aber Dank Deiner Rezension werde ich es nun auch lesen. Ich mag Bücher, mit vielen unterschiedlichen Charakteren, die etwas zur Geschichte beizutragen haben.

LG
Heike

vom 17.02.2011, 10.17
Antwort von SaschaSalamander:

ging mir ähnlich, ich fand das Cover, das Drumrum, dann die Tatsache dass es Regionalliteratur ist etc alles irgendwie nicht wirklich ansprechend. Habe es eher gelesen, weil ich das Gefühl hatte, ich sollte es kennen. Aber das hat sich dann wirklich gelohnt, die Charaktere werden super dargestellt. Wenn Du sowas magst, verquere und konfuse Zusammenhänge zwischen allen möglichen Leuten, dann ist das hier ideal! Sehr gut konstruiert! :-)

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