SaschaSalamander

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Nach dem Frost

Hoerplanet_nachdemfrost_1.jpgVorab ein herzliches Danke an den >Hörplanet<, wo ich bei einem kleinen Gewinnspiel das Hörspiel NACH DEM FROST gewonnen habe und bei >Soforthören< herunterladen durfte. Ich habe mich riesig gefreut, denn ich bin schon lange Fan des damals noch recht kleinen, inzwischen aber doch recht gut etablierten Labels. Das neueste Werk ist wieder klasse geworden, und gerne möchte ich meine Begeisterung mit Euch teilen:

In der Hase findet man eine Leiche, die sich bald als Mitbewohner einer WG entpuppt. Kommissar Habermas ermittelt anfangs recht erfolglos, doch bald finden sich erste Spuren. Diese führen in einen kleinen Ort in Russland, und die Verbindungen scheinen nicht so wirklich klar. Die WG - Bewohner helfen fleißig mit ihren allzu wilden Verschwörungstheorien, und auch die Presse macht sich recht schnell ihr eigenes Bild. Doch die wahren Hintergründe und das riesige Ausmaß der eigentlichen Tat konnte wohl niemand erahnen. Und so wird nicht nur eine grausame Mordserie aufgedeckt, sondern eine jahrzehntealte Verschwörung endlich gelüftet ...

Eigentlich hat der Verlag es so treffend beschrieben, dass ich dem nichts mehr hinzufügen muss: „NACH DEM FROST ist der lustigste Krimi, den Henning Mankell nie geschrieben hat." Ja, der kauzige Wallander wird hier ganz schön aufs Korn genommen: seine persönlichen Wehwehchen, der melancholische Grundton, die körperlichen Befindlichkeiten, die eigenwilige Art, das ist schon sehr markant und hervorragend karikiert. Allerdings bleibt der Grundton respektvoll, und Fans des schwedischen Autoren dürften sich gut amüsieren ohne verletzt zu werden. Der Titel des Hörspiels ist angelehnt an VOR DEM FROST von Mankell, allerdings muss man diesen Roman nicht gelesen haben, NACH DEM FROST steht für sich alleine und erfordert keinerlei Vorkenntnisse über nordische Krimis allgemein oder Mankell im Besonderen.

Es gibt recht viele Running Gags (Eisblumen, Verschwörungen, Haarmann-Lied, Pinkelpausen). Hier wahren die Autoren ein gutes Mittelmaß, es ist eher hier und da eingestreut, ohne sich dem Hörer lästig aufzudrängen oder ins Alberne abzudriften. Der Humor kommt still daher, passend zum ruhigen Grundton des Hörspiels, das ähnlich nüchtern und sprachlich kühl anmutet wie die Originale. Ich finde es grandios, wie der Erzähler in ruhigem, fast schon beschaulichen Tonfall wie nebenbei die skurrilsten Dinge erzählt. Der Humor besteht weniger in Wortwitz oder Situationskomik als vielmehr in der absurden Darstellung einzelner Momente. In der Pressekonferenz etwa kommt der Kommissar komplett vom Thema ab und summt am Ende ein Lied für den Journalisten, das hat schon fast etwas von Loriot und Kerkeling, die mit ihren scharfsinnigen Beobachtungen die Menschen in ihren Eigenarten entblößen.

Es gibt, wie eben gesagt, einen Erzähler. Dieser beschreibt, wie häufig in besagten Krimis üblich, die Sichtweise des Täters, ohne natürlich den Täter oder seine Motive zu entlarven. Der Hörer erfährt also über die nächsten geplanten Schritte, er erlebt den Mord aus erster Hand und bleibt doch gespannt, was nun dahinterstecken mag. Die Ermittlungen dagegen werden getragen von verschiedenen Sprechern, die hervorragend harmonisieren. Hörplanet hat inzwischen ein hervorragendes Team von professionellen Sprechern, von denen auch für diesen Titel wieder einige von ihnen vor dem Mikro standen: Santiago Ziesmer (Sponge Bob, Ted aus "Queer as Folk"), Sascha Rotermund (Christian Bale), Helmut Krauss (Marlon Brando), Bodo Wolf (Monk), Ernst Meincke (Patrick Stewart) und andere.

Für ein Hörspiel braucht man aber nicht nur gute Sprecher, auch Dialoge, Drehbuch, Musik und Soundeffekte sind wichtig. Und da hat sich im Laufe der Jahre beim Hörplanet ordentlich etwas getan. Was mir anfangs gefiel, weil es einfach Leute waren, die Spaß an der Sache hatten, auch wenn es noch nicht ganz so ausgereift war, das ist jetzt ein Label, das sich für meinen Geschmack mit den Großen messen kann. Prima Schnitte, sehr gute Dialoge, die Musik schön unauffällig im Hintergrund und ideal zum Unterstreichen de jewiligen Atmosphäre. Die Geräusche sind sehr gelungen und fügen sich in die Texte ein, ich kann mir die jeweiligen Orte und Situationen sehr gut vorstellen. Einziger Schnitzer gegen Ende beim Showdown, als die Nebengeräusche dann doch etwas zuviel des Guten wurden. Der Situation angemessen, für den Hörer allerdings anstrengend über die gesamte Länge des Dialoges hinweg. Allerdings in dieser Hinsicht das einzige, was mir negativ auffiel.

Was mir besonders gefiel war die "Auflösung". Absolut schräg, herrlich komisch und ziemlich abgefahren. Eben passend zum Stil des Hörbuches: vermeintlich seriös und knochentrocken vorgetragen, aber dahinter absolut kurios. Ein hintersinniger Humor, bei dem man manchmal schon genau hinhören muss, dafür aber umso breiter schmunzelt. Ich bin im Grunde jemand, der Hörspiele nur einmal hört, bisher gibt es nur zwei Ausnahmen, die ich mehrfach höre, aber das muss ich nun wohl aufstocken, NACH DEM FROST hat absoluten Wiederholungswert, was bei Hörspielen aus meiner Sicht wirklich etwas ganz Besonderes ist! Es ist eben keine Serie, bei der man auf den nächsten Teil wartet, sondern ein einzelnes Werk, das auf den ersten Blick recht locker auftritt, dahinter aber doch pointiert und sehr gut durchdacht ist.

Man kann ein Hörbuch kaufen, dann hat man es mit Cover und Hülle im Regal stehen. Platzsparend kann man es natürlich auch downloaden, das Cover ist im Download enthalten. Zusätzlich bietet der Verlag eine Menge Goodies: Neugierige können sich >hier< die erste Hälfte des Hörspieles zur Probe anhören. Unter gleichem Link finden sich auch jede Menge entfallener Szenen und Teile des Soundtracks sowie die Entstehungsgeschichte des Hörspiels. Was ich schade finde ist, dass diesmal keine Outtakes dabei sind, die höre ich immer sehr gern. Besonders möchte ich auf den entfallenen Titelsong hinweisen, ich mag solche schrägen Texte: "erst fällt ein Körper, dann fallen Schreie, dann verschlingt sie der See" ...

Einen zusätzlichen Link möchte ich hier aufzeigen: Das >Haarman - Lied<. Auf dass es Euch ebenso wie mir einen tagelangen Ohrwurm bescheren möge ;-)

Insgesamt hoffe ich, dass es nicht bei diesem einen Fall bleiben wird. Kommissar Habermas ist klasse, und es wäre schön, wenn es weitere Titel gäbe, in sich geschlossen, nicht als fortlaufende Serie wie Bedfort, aber vielleicht vier oder fünf einzelne Titel. Eigentlich kopiere ich ja nichts und finde immer meine eigenen Worte, aber wie gesagt, besser als der Hörplanet selbst kann man es nicht ausdrücken, deswegen nochmal, weil´s so schön ist: "NACH DEM FROST ist der lustigste Krimi, den Henning Mankell nie geschrieben hat."

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Edit: ich hab den Link gefunden, den ich gesucht habe: >Hallervorden, Dr Shivago<

SaschaSalamander 10.09.2011, 09.43

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