SaschaSalamander

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Gedanken rund um erotische Literatur

In letzter Zeit lese ich ja häufiger Erotik, von Gay über Soft über Hardcore. Ich schreibe positive Rezensionen darüber, und die Meinungen sind geteilt. Es sprechen mich Leute darauf an, die es ähnlich sehen und die genauso wie ich begeistert sind. Und es sprechen mich auch Leute an, die fragen, ob ich das Buch wirklich gut fand.

Ja, wenn ich ein Buch lobe, finde ich es gut. Gefälligkeit ist nicht mein Ding - schenk mir ´n Reziexemplar, ich werd es schon irgendwie anpreisen. Nein, absolut nicht, was mir gefällt, lobe ich, was mir nicht gefällt wird entweder konstruktiv beschrieben oder aber gar nicht rezensiert.

Zwischen den Zeilen höre ich heraus "die Sprache ist doch unter Niveau" oder "der Inhalt ist doch plattes Klischee". Naja, ich denke, Erwartungen sind eine Sache, die andere ist dann auch der Unterhaltungswert. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die behaupten immer nur schick Essen zu gehen. Ja, manchmal geh ich zu McDonalds und freu mich über einen Hamburger. Mir ist klar, dass der Koch im französischen Restaurant über andere Qualifikationen verfügt, aber ich will eben in dem Moment kein Fünfgängemenu, sondern ich will einen unterhaltsamen, erotischen Roman, bei dem ich nicht groß denken muss, der mir gefällt und der leichtverdaulich ist. Bei aller Liebe zu der hohen Kunst, aber Rilke und Heinrich Mann sind einfach nicht erregend, und manchmal mag ich es erregend und heiß statt hochtrabend literarisch.

Ich steh dazu. Und ich bin froh, dass es auf dieser Welt nicht nur Tolstoj, Benn , Kafka, Goethe, Borchert und Böll gibt. Ich liebe gute Literatur. Aber ich liebe auch Unterhaltung. Wenn ich mich nach der Arbeit entspanne, lese ich ganz sicher nicht die Schachtelsätze eines Thomas Mann oder das komplette Kapitel nur über die französische Kanalisation bei Hugo (sosehr ich Mann und Hugo als große Schriftsteller verehre).

Und ein anderes Thema, das ab und zu angesprochen wird, gerade weil ich ja auch härtere Romane lese: "ja, das ist ja nicht mal freiwillig". Ja, in der Tat, es kommt vor, dass auch SM-Thriller über das Ziel hinausschießen. Aber zum einen gibt es den Metakonsens (das heißt, jemand gibt die Einwilligung "Du darfst tun, was Du willst, auch wenn es mir nicht gefällt"). Und zum anderen ist es ein Buch. Ein Buch ist Kopfkino. Ein Buch unterhält mich. Wenn ich die Realität möchte, dann gehe ich ins Schlafzimmer und lebe sie dort aus. Bücher liebe ich deswegen, weil Dinge geschehen, die in der Realität nicht möglich sind.

Eines finde ich erstaunlich: wenn es im Mittelalterroman passiert oder im aktuellen Bestseller, dann ist es okay. Da gehört es dazu. Welcher Bestseller kommt heutzutage noch ohne brutalen Sex oder eine Vergewaltigungsszene aus? Aber da ist es gesellschaftlich akzeptiert, denn es ist ein Krimi oder Thriller, da darf der Autor das. In einem aktuellen Jugenbuch (derzeit hochgelobt) geschieht eine Vergewaltigung, und alle finden das Buch toll, die Heldin tut als sei nichts geschehen. Bei Ayla wird die junge Frau im ersten Band reihenweise vergewaltigt und gedemütigt. In den historischen Romanen ist Vergewaltigung regelmässig zu finden, meist dies der Auslöser für eine ehemals schwache Frau nun stark zu werden und sich gegen die Männer aufzulehnen und ihren eigenen Weg zu gehen. Da ist das okay? Und all die Thriller, ob nun von Reichs, Hoffmann, Hayder, Fadyen, wo man teils wirklich nicht zimperlich mit den Menschen umgeht und die Brutalitäten weit über Vergewaltigung hinausgehen und dafür brutalste Foltermethoden stattfinden, Leute gequält werden. Da ist es spannend, aufregend, da ist es Teil des Buches und ein Pageturner (wobei der Schreibstil meiner Ansicht nach in diesen Romanen oft weit mehr unter der Gürtellinie ist als in so manchem SM-Roman, mich ekeln Autoren wie McFadyen an, mir wird beim Lesen manchmal leicht übel, wenn ich mir die Szenen real vorstelle). Aber wenn in einem Buch, welches explizit als BDSM betitelt ist und in dem statt einer Vergewaltigung ein Metakonsens herrscht, wird dies kritisiert?

Wenn ich mich entscheiden müsste, was ich auf eine einsame Insel mitnehmen müsste. Oder wenn ich bis an mein Lebensende gezwungen wäre nur noch 10 Bücher zu wählen, die mich dann den Rest meines Lebens bereichern müssen. Ja, ich bin ehrlich, da wären keine Erotiktitel dabei. Da würde ich etwas anderes wählen, das nachhaltiger ist. Aber zum Glück bin ich nicht auf einer einsamen Insel, und zum Glück habe ich die freie Auswahl. Und desewgen freue ich mich, dass ich nicht nur hochtrabende Literaturklassiker lesen muss, sondern auch Leichtverdauliches wählen kann.

Ja, es gefällt mir. Und ich genieße es. Ich habe keine Lust, so zu tun, als müsste ich dauernd intellektuell sein. Manchmal bin ich gerne normal und amüsiere mich einfach! :-)

(falls sich einige angesprochen fühlen: neinnein, ich beziehe es auf keine spezielle Diskussion. Sondern es ist ein Thema, das ich im Freundes- und Bekanntenkreis in letzter Zeit mehrfach geführt habe, bezogen auf verschiedene Titel, besprochen mit verschiedenen Personen)

SaschaSalamander 20.07.2011, 16.55

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von Elena

Interessanter Beitrag. Lustigerweiser habe ich heute noch drüber nachgedacht, dass sich anscheinend fast keiner traut, offen zu Erotikliteratur zu stehen. Und noch weniger trauen sich, diese zu rezensieren.

Ehrlich gesagt finde ich, dass so mancher Erotikroman mehr Gehalt hat als so manche "Wanderhure" (stellvertretend für das Genre). Da wird regelrecht genüsslich geschildert, welch Perversionen den meist weiblichen Protagonisten widerfährt und mir kann keiner erzählen, dass sich diese Bücher sich trotz dieser Szenen verkaufen - sondern eben auch grad wegen dieser.

Gut, mit richtig "harter" Erotikliteratur kenne ich mich jetzt nicht persönlich aus, aber wenn ich mir überlege, was für Details bestimmte Thriller darlegen - schlimmer geht es kaum noch und da sind die Opfer ja zu nicht einverstanden.

Ganz bigott wird es natürlich, wenn manche Leute einerseits so Bücher wie "Der Märchenerzähler" bejubeln, aber dann Erotikbücher für die Unterjochung der Frauen halten. Mir ist natürlich auch klar, dass mal die Männer der schwächere Part sind, aber meistens sind die Frauen die Unterlegenden.

vom 20.07.2011, 18.30
Antwort von SaschaSalamander:

Ja, es gibt nur sehr wenige Blogs.
>OzzyWolf< schreibt über Erotik, was ich empfehlen kann. Ansonsten wüsste ich zwar noch einen, der SEHR viel rezensiert, aber es ist mehr Klappentext plus Meinung, die auch zusammengesucht sein könnte ohne gelesen zu haben. Und wirklich Hardcore-Erotik habe ich in Blogs noch nicht gefunden, höchstens in speziellen Foren oder Magazinen. Da bleibt man weiterhin auf Amazon und Co angewiesen, wenn man sich informieren möchte. Schade irgendwie, finde ich ...

Erotik ist ein Tabu in der Gesellschaft. Früher waren es Vampirromane, die verdeckt Erotik vermittelten, heute sind es die historischen Romane (und die Vampire wurden offen erotisch, nicht mehr heimlich).

Ich möchte niemandem unterstellen, dass er die historischen etc Romane nur der Erotik wegen liest, aber wirklich stören wird es die wenigsten, und viele haben mir schon erzählt, dass sie diese Szenen gerne mehrfach gelesen haben, und man tauscht sich auch darüber aus, welche Autorin die erotischen Momente in ihren historischen Romanen besonders gut inszeniert. Ist ja auch nichts dagegen einzuwenden. Nur gegen die Doppelbödigkeit, dass es hier okay und dort tabu zu sein scheint für viele.

Wenn Du "harte" Erotik magst, klick bei mir in der Tag-Wolke mal auf BDSM. Die Rubrik ist noch klein, weil ich nicht jeden Roman hier vorstelle (eine gewisse Grenze habe ich hier, nicht jedes Buch findet den Weg in meinen Blog). Außerdem habe ich erst kürzlich angefangen, mich nicht mehr darum zu kümmern, ob die Leute das okay finden oder nicht (es folgt dann höchstens mein Argument: "Du liest Bücher über Serienkiller. Bist Du jetzt deswegen etwa ein Mörder?")

Ja, speziell der Märchenerzähler ging mir auch durch den Kopf. Ich habe nichts gegen ihn, ich mochte das Buch sehr, einer meiner Favoriten der letzten Zeit. Dennoch sehe ich diese Passage sowie auch den Umgang mit dem Thema im Anschluss sehr kritisch.

Och, die Abwechslung macht es: die Frau darf gerne mal die Starke sein. Aber auch nix gegen einen mächtigen Herren ;-)

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