SaschaSalamander

Ausgewählter Beitrag

Feuer

CoverWeil ich diese Woche keine weiteren aktuellen Rezensionen habe (ooh, aber fürs Wochenende habe ich mir sehr viel vorgenommen, es warten wieder einige neuen Beiträge auf Euch), hier mal wieder etwas Älteres. Witzig, diese Rezension schrieb ich kurz vor STURM, und nun habe ich >STURM< zuerst veröffentlicht, weil ich diese Rezension zu FEUER erst jetzt gesehen habe. Na, macht nichts ;-)

So negativ ich diesen Roman übrigens empfand, muss ich Hohlbein dennoch eines lassen: es ist viele Jahre her, dass ich das Buch gelesen habe. Dennoch sind mir sehr viele Szenen und Momente noch immer lebendig vor Augen. Das zeichnet einen wahren Künstler aus! Der in diesem Fall extrem fähig ist aber sein Potential leider selten ausschöpft. Ihm ist Quantität wichtiger als Qualität, und ich bedauere dies zutiefst. Ich wünsche mir von ihm wieder einmal einen richtig guten Roman, der das Zeug zu einem "echten Hohlbein" hat.

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Inzwischen habe ich nach einigen Tagen den Roman "Feuer" von Hohlbein zu Ende gelesen. Irgendwie fühle ich mich jetzt danach ziemlich leer. Allen üblen Kritiken und eigenen schlechten Erfahrungen mit seinen neuen Romanen zum Trotz, ich hatte auf mehr gehofft. Aber erst einmal zur Handlung an sich. Genaugenommen könnte ich in wenigen Sätzen eine komplette Inhaltsangabe bis zum Ende machen, es wäre kaum gespoilert, denn der Klappentext des Schutzumschlages verrät die Handlung bis etwa zum ersten Drittel des Buches, der Rest ist ein absehbarer und nicht wirklich überraschender Showdown:

Will Lokkens verdient sich sich Geld, indem er teure Nobelschlitten für den Zuhälter George stiehlt. Bei einer seiner Raubzüge fährt er ein junges Mädchen an, das in den Keller eines abgebrannten Hauses flieht und ihm danach auf Schritt und Tritt bis nach Hause folgt. Am nächsten Morgen steht die Polizei vor Will´s Tür, eine sonderbare Frau taucht auf und entführt das Mädchen, an der auch die Polizisten interessiert zu sein scheinen. Das Haus steht in Flammen, Will kann im letzten Moment fliehen und rettet sich zu George. Er versucht dort, Stück für Stück mehr über das seltsame Mädchen, die geheimnisvolle Frau und die mysteriösen Ursachen des Feuers herauszufinden.

Die gesamte Handlung des Buches ließe sich in etwa einem Drittel der Seitenzahlen zusammenfassen. Ich bin ziemlich enttäuscht. Denn eigentlich ist Wolfgang Hohlbein ein schriftstellerisches Genie. Er besitzt die Gabe, einen spannenden Moment lange auszudehenen. Eine Art literarisches "Bullet-Time", wie man das Verlangsamen der Kamera in Matrix und später auch anderen Filmen nennt. Allein der Griff zur Waffe, allein ein einziger Fausthieb kann sich bei ihm über mehrere Seiten erstrecken, die Spannung steigt ins Unermessliche. Sollte sie zumindest. Wenn denn diese Szene eine Momentaufnahme wäre. Der Grundsatz "weniger ist mehr" wurde von ihm leider in den neueren Werken nicht beherzigt, sodass sich das gesamte Buch wie Kaugummi zieht.

Und nicht nur von dieser Technik verwendet er zuviel. Auch die Vergleiche, Metaphern, der verstreut ja recht witzige aber auf Dauer eingesetzt nervige Zynismus, ständige Spannungshöhepunkte und die Darstellung jeder einzelnen Situation als nervenaufreibende, nicht mehr steigerbare Klimax, das ist einfach zuviel des Guten. Hohlbein hat inzwischen Übung darin, und so produziert er ein Buch nach dem anderen, scheinbar rein mechanisch, wie am Fließband, seelenlos und weit entfernt von den Ansprüchen seiner treuen Leser (als Neueinsteiger mag man davon noch begeistert sein, bis man allerdings ein paar weitere seiner Werke gelesen hat).

Da er Übung hat und es scheinbar ohne große Gedanken an Stil und Inhalt schreibt (hoffentlich tue ich ihm damit nicht unrecht, doch diesen Eindruck macht seine aktuelle Literatur auf mich), passieren auch viele Wortwiederholungen und wiederkehrende Vergleiche und Metaphern. Wenn der Regen wie Kinderfäuste niederprasselt, kann man sich das als Leser bildlich vorstellen. Wenn der Regen dies im Laufe des Buches jedoch viele Male tut, verliert dieses eigentlich aussagekräftige Bild seine Wirkung und wird zu einem weiteren Punkt in der Liste dessen, was alles negativ auffiel.

Mir fallen Logikfehler und Widersprüche eher selten auf, aber genauso wie anderen Lesern im Internet stieß ich auf ein paar Dinge, die mir seltsam erschienen. Wie kann jemand, dem das Gefühl der Klaustrophobie völlig neu ist, diese kurze Zeit später als "alten Bekannten" begrüßen? Ähnliche Fehler unterliegen Hohlbein mehrfach und fallen sogar dem unaufmerksamen Leser auf.

Die Geschichte wird durch Rückblicke (was es damit auf sich hat, erfährt man gegen Ende zum Showdown, also quasi auf den letzten 150 Seiten, denn so lange dauert er) ergänzt, und Teile der Edda fließen in die Handlung ein. Nette Idee, gut gemacht. Aber kein großer Bringer mehr. Es wirkt, als hätte er das lediglich als kleinen Bonus mit in das Buch gepackt, um dem Ganzen einen Hauch von Mythos zu verpassen, damit es in seine altbewährte und gutverkaufte Fantasyschiene hineinpasst. Er begann als Autor billiger Trivialliteratur und von Heftromanen, und auf dieses Niveau bewegt er sich inzwischen wieder zurück, nur dass seine Bücher immer dicker werden.

Ich finde es schade, dass Hohlbein sich inzwischen sosehr gehenlässt. Es wäre toll, wenn er wieder einmal etwas Neues erschaffen könnte. Inzwischen dürfte er nicht mehr des Geldes wegen schreiben, ein so berühmter Autor wie er hat wohl keine Geldschwierigkeiten mehr. Es tut mir ziemlich weh, wenn ich eine so schlechte Rezension über eines seiner Bücher schreibe, war er doch einmal ein wirklich großartiger Autor; bevor ich Isau und Bemman kannte, in meinen Augen sogar DER aktuelle deutsche Fantasy - Autor. Möge er eines Tages wieder umdenken und das tun, was er wirklich großartig kann: Bücher schreiben, die sein meisterliches Talent repräsentieren.

SaschaSalamander 23.11.2012, 11.30

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